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Radschläger

Radschläger Düsseldorf

Es gibt Begriffe, die fallen in der NRW-Landeshauptstadt immer wieder, aber viele wissen nicht, was damit gemeint ist – zum Beispiel weil sie zugezogen oder schlicht zu jung sind. Wir erklären diese Begriffe in unserem Lexikon und sind sicher, dass auch gebürtige Düsseldorferinnen und Düsseldorfer dabei einiges lernen. In diesem Artikel geht es um den und die Radschläger.

Es gibt sie als Schlüsselanhänger, Türklopfer (zum Beispiel an der Kirche St. Lambertus), als Brunnenfigur auf dem Burgplatz Burgplatz und als meterhohe Skulpturen. Die Stadt zeigt sie auf Kanaldeckeln, und das riesige Kunstwerk „Pylon“ von Max Kratz, das an der Zufahrt zum Flughafen steht, wurde im Volksmund so genannt: Radschläger.

Sie gelten als typisch für Düsseldorf: Kinder, die das Rad schlagen, die es also schaffen, auf den Händen und mit in die Luft gestreckten Beinen herumzuwirbeln. Wirklich gesehen haben ich das live schon Jahre nicht mehr, der Brauch scheint nach und nach zu verschwinden.

Woher er kam, ist nicht ganz klar, es gibt verschiedene Mythen dazu. Einer besagt, es sei die Freude der Düsseldorfer Kinder im Jahr 1288 gewesen, als in der Schlacht bei Worringen Düsseldorf auf der Siegerseite stand und danach die Stadtrechte bekam (hier nachzulesen). Da das Dorf an der Düssel damals nur sehr wenige Einwohner hatte und die vermutlich anfangs kaum begriffen, was dieser Schritt bedeutete, ist der Wahrheitsgehalt dieser Deutung eher dünn. Aber es klingt gut.

Auch die Sage, ein Knabe habe bei der Hochzeit eines Fürsten (angeblich der von Jan Wellem) ein brechendes Wagenrad gestützt, in dem er sich hineinklemmte und mit Armen und Beinen zum lebendigen Rad wurde, klingt eher abenteuerlich.

Wahrscheinlicher ist diese Version: Düsseldorf wurde im endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert immer mehr zum Ausstellungs- und Messestandort. Findige Jungs entdeckten vor allem in der damals armen Altstadt, dass Gäste von auswärts es witzig fanden, wenn Kinder ihnen Kunststücke präsentierten. Vor allem auf den Händen zu laufen und dabei das Rad zu schlagen, wurde beklatscht – und es fielen immer auch ein paar Groschen ab. Daraus entstand schnell ein kleines Geschäft. Ich habe es noch erlebt, dass Jungs durch die Altstadt oder über die Kö zogen und anboten, „för eene Penning“ ihr Kunststück vorzuführen. Die entzückten Touristen gaben gerne mehr als nur „eene Penning“.

Der Düsseldorfer Stadthistoriker Ulrich Brzosa bestätigt diese Version und sieht den Beginn des Radschlagens als „typisch Düsseldorf“ im letzten Drittel des 19. Jahrhundert. Er erklärt es so: „Aus der kleinen, gediegenen, kunstsinnigen, etwas behäbigen Residenz-, Verwaltungs-  und Garnisonsstadt wurde eine moderne, fortschrittsbegeisterte, mondäne Großstadtmetropole. Düsseldorf wandelte sich radikal: Die Industrialisierung und die Kommerzialisierung durchdrangen die gesamte städtische Gesellschaft. Die Lebensweise, das soziale Gefüge und das Stadtbild veränderten sich ebenso die überkommene Ordnung von Stadt, Kirche und Gesellschaft. Mit der Industrialisierung stieg die Mobilität. Arbeiter aus anderen Regionen zogen massenhaft in die Stadt. Touristen besuchten mit dem Zug und dem Dampfboot die Stadt. Denen musste man was zeigen und sagen. Und im Kampf zwischen den alten und neuen Lebensweisen musste man sich erst einmal bewusst werden, wer man eigentlich selber war. In den 1890er Jahren wurde das Radschlagen schon zu den Düsseldorfer Traditionen gezählt.“

Es spielte, so Brzosa, auch eine Rolle im Karneval: Der Rosenmontagszug sei damals von einer Gruppe Jungen angeführt worden, die das Rad schlugen. Damit wollte man die Zuschauer in Stimmung bringen.

Übrigens gibt es bald die Möglichkeit, live viele Radschläger auf einmal zu sehen: Jedes Jahr lädt die Bürgergesellschaft Alde Düsseldorfer in Kooperation mit der Stadtsparkasse zum Radschlägerturnier am Unteren Rheinwerft ein. Dort treten auch Mädchen an – was allerdings bei diesem alten Brauch erst seit 1971 vorgesehen ist.

Der Termin fürs Radschläger-Turnier 2024 ist Sonntag, 1. September. (Text: Hans Onkelbach, Foto: Andreas Endermann)

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