Montag, 07. Februar 2022
 
+ Das Leiden eines kleinen Mädchens + Resonanz auf den VierNull-Podcast  + Kurioses aus der Möbelwerbung +
 
  
Guten Morgen ,

sollten Sie zur schrumpfenden Gruppe der Papier-Zeitungsleser gehören, kennen Sie das: Sie schlagen zum Frühstück das raschelnde Medium ihres Vertrauens auf und Ihnen fallen ein paar Werbeprospekte entgegen. Viele künden von unfassbar günstigen Angeboten so genannter Möbelhäuser und überschlagen sich in Rabattangeboten. Zehn Prozent minus? Lächerlich – mindestens 20 oder 25 müssen es sein, und die Mehrwertsteuer wird auch noch erstattet. Daneben stehen Fotos von Sofas, Sesseln, Schränken, Betten oder Matratzen zu Preisen, die immer mit einer 9 enden. Im Hintergrund eine kleiner gedruckte Zahl, auch mit 9 am Ende, durchge-x-t, um mindestens 50 Prozent höher als der angeblich aktuelle Preis. Die Botschaft ist klar: Lieber Kunde, Du könntest hier ein Schnäppchen der besonders geilen Art machen, Dein Geiz wird absolut zufriedengestellt.
Mich fasziniert diese Art der Arithmetik. Und mich wundert der wohl dort weit verbreitete Glaube an die Blödheit der Verbraucher. Da wird ein angeblich unterbotener Preis präsentiert, von dem kein Mensch weiß, ob er jemals wirklich verlangt worden ist oder worden wäre. Angeboten für weniger als die Hälfte frage ich mich, ob ich mir Sorgen machen muss um die mathematischen Talente in dem Laden, der womöglich pleitegeht, weil man den Krempel zu billig verramscht und das zu spät bemerkt. Da dies aber unwahrscheinlich ist, bleibt nur eine Erkenntnis: Der potenzielle Kunde wird für dumm gehalten und dafür auch verkauft.
Aber die so verblüffend naiv gestalteten bunten Blättchen haben noch eine andere Kuriosität. Das sind die Menschen, die man ins Bild setzt. Wahrscheinlich mit der Absicht, Leben zu simulieren. Achten Sie mal drauf: Fast immer sind es Frauen. Die sitzen auf Sesseln oder Sofas, liegen auf Betten, stehen an Küchentheken. Männer sind die Minderheit. Bekleidet sind die Damen durchweg züchtig: oben leger, unten Hosen, scheinbar kein, also dezentes Make-up. Nie Röcke, nie Kleider. Keine Ahnung, warum. Vermutlich wären die Posen mit anderer Kleidung komplizierter, weil: Man will wohl nicht anzüglich wirken oder gar Voyeure ansprechen. Die kaufen ja keine Möbel. Jedenfalls nicht solche. In der Regel sind die Damen barfuß. Außerdem jung, aber nicht zu jung, keine im vorgerückten Alter. Klar, wer jenseits der 60 ist, hat angesichts des baldigen Hinscheidens kein Interesse mehr an Möbeln. Hier und da stehen schon mal Pumps vorm Bett, gern noch neben dem Karton, in dem sie gerade gekauft worden sind. Gern liegt einer der Schuhe neckisch umgekippt auf dem klinisch reinen Teppichboden. Wie das halt so aussieht in deutschen Schlafzimmern: Der Gipfel der Verruchtheit sind neue Highheels (aber nicht zu hohe) auf dem Boden, während die Hausherrin in Bluse, Hose und unbeschuht auf dem Bett sitzt - und sich nicht etwa räkelt. Anders als bei anderen Produkten wie Make-up, Mode oder Autos sind die Frauen auf eine merkwürdige Art aseptisch, asexuell. Erotik in Pose oder Augen-Blick, laszives Verhalten, sonst – Sex sells – gern dargestellt: Bei Möbeln ist das unerwünscht. Da ist der Bettkasten  unterm Polster des Schlafsofas die einzige Beziehungskiste.
 
Ich wünsche Ihnen einen schönen Start in die Woche. Vielen Dank, dass Sie auch heute Morgen VierNull lesen – weiterhin garantiert werbefrei

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