Guten Morgen ,
VierNull-Leser und Hörer unseres Podcasts "Kohle, Knast und Kaviar" haben vom
Kunstfälscher Edgar Mrugalla gehört, der Ende der 1980er Jahre in Düsseldorf vor Gericht stand, weil er tausende von Bilder –
Picasso, Renoir, von Gogh, Matisse – gefälscht hatte. Der Mann war ein Genie, übernahm mühelos den Stil verschiedener Maler und schaffte es, selbst Sachverständige und Künstler zu täuschen. Der Bericht bei VierNull lief unter der Überschrift
Echtes Genie, unechte Picassos, den Podcast können Sie
hier hören.
Warum ich das erwähne? Weil ich jetzt bei "
Spiegel Online" von einem Prozess las, der an das Verfahren seinerzeit gegen Mrugalla erinnert. Diese für mich damals
neue Form der Kriminalität faszinierte mich und wie anderen Zuhörern im Landgericht wurde mir klar, wie schwer zu durchschauen eine da offenbar existierende
Grauzone ist. Nun wird mir bestätigt, dass es diese Art des Verbrechens nach wie vor gibt – durch dieses Verfahren, das vor dem Landgericht in Berlin läuft. Und zwar wegen
gefälschter Fotos des Düsseldorfer Künstlers
Thomas Ruff. Seine Karriere begann an der hiesigen Akademie in der Kunstklasse des Fotografen-Paares
Hilla und Bernd Becher, seine Werke sind inzwischen weltweit gefragt. Und so begehrt, dass sie offenbar für Fälscher interessant sind. Etliche wurden in den vergangenen drei Jahren in einem Lagerhaus bei Köln sichergestellt, andere tauchten an weiteren Orten auf. Nun wird der Fall in der Hauptstadt juristisch geklärt.
In der
Anklagebank sitzt laut dem Bericht bei "Spiegel Online" ein Mann namens Stephan Welk. Einst erlangte er
kuriose Berühmtheit, als er
Boris Becker zu einem Diplomatenpass der Zentralafrikanischen Republik verhalf. Mithilfe weiterer Angeklagter soll der 55-Jährige in den Jahren 2020 und 2021 drei Fotosammlungen zum Kauf angeboten haben, die auch unautorisierte Werke aus Thomas Ruffs Serien "Substrate" und "Nudes" enthielten. Welk ist unter anderem wegen
bandenmäßigen Betrugs, Urkundenfälschung und Verstoßes gegen das Urhebergesetz angeklagt. Er bestreitet die Vorwürfe. Er habe
keine Ahnung von Kunst und weder gewusst noch erkannt, dass es sich um wertlose Nachdrucke handelte. Auch er sei getäuscht worden, sagt er laut dem Bericht.
Anders als damals geht es heute also nicht um
Betrüger mit Pinsel oder Bleistift, sondern um das unrechtmäßige Kopieren von Fotos. Aber ansonsten läuft der Prozess ähnlich wie vor über 30 Jahren gegen Mrugalla. Ruff selbst, jetzt als
Zeuge aufgetreten, erkennt zwar die schlechte Qualität der
gefälschten Signatur, bescheinigt den Tätern aber in Teilen eine durchaus gelungene Arbeit bei den Kopien. Andere seien dagegen schlecht oder auf minderwertigem Papier gedruckt. Sein Fazit: Er selbst könnte die Fälschungen sofort als solche erkennen, für Laien sei das jedoch sehr schwer. "Spiegel Online" dazu: „Die Verteidigung von Stephan Welk fragt, ob jemand, der sich nicht mit Kunst auskennt, zwischen
Original und Fälschung unterscheiden könnte. ,Hat der Laie irgendeine Chance, das zu unterscheiden?‘ ,Wahrscheinlich nicht‘, sagt Ruff.“
Es ist wie seinerzeit bei Mrugalla: Die Kopisten arbeiten so
geschickt, dass Nicht-Insider die Fälschung nicht bemerken. Ruff sagt, er selbst wisse von einem seiner angeblichen Werke, das bei
„Bares für Rares“ angeboten und vom Fachmann als echt eingestuft wurde. Aber das war es nicht. Ähnliches habe ich damals gehört. Künstler, Sachverständige, Sammler und Museums-Chefs sagten aus, und sie alle mussten – manchmal sehr kleinlaut – einräumen, dem
Fälscher auf den Leim gegangen zu sein.