Montag, 01. Juli 2024
 
+ Wie Ausbilder auf Radikalisierung reagieren können + Die Nähe von AfD und Studentenverbindungen + Alles, was man vor dem EM-Spiel über Belgien wissen sollte +
 
  
Guten Morgen ,

Radikalisierung ist eine doppelte Herausforderung: Man muss sie erkennen, und man muss wissen, wie man darauf reagiert. Diese doppelte Herausforderung trifft in besonderem Maße Ausbilderinnen und Ausbilder. Deshalb hat die Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer (IHK) mit Hilfe des Islam- und Politikwissenschaftlers Michael Kiefer eine Reihe von Empfehlungen entwickelt. Diese Tipps sind wichtig für Ausbildungen, aber letztlich für alle Fälle, in denen man mit religiös oder politisch radikalisierten Menschen in Berührung kommt und sich fragt, was man tun kann. Darüber habe ich mit IHK-Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen gesprochen und das Folgende gelernt:
  • Wenn sich junge Menschen in ihrem Verhalten und in ihren Äußerungen verändern, muss man das wahr- und ernstnehmen. Man sollte dies nicht als Flausen abtun, sondern genau hinhören. Der Unterschied zwischen dicken Sprüchen und Radikalisierung ist erkennbar, weil sich bei Radikalisierung etwas im Wesen der Person verändert.
  • Es gibt Ereignisse, die Radikalisierung fördern. Dazu zählen schlechte Ergebnisse in der Zwischenprüfung der Ausbildung oder Trennungen in der Familie. Bei solchem Frust ist Radikalisierung besonders verführerisch, weil die radikalen „Antworten“ den Eindruck erwecken, dass man so den Frust los wird.
  • Instagram und TikTok spielen eine riesige Rolle. Sie werden intensiv konsumiert, und oft konfrontieren die Algorithmen die jungen Menschen dabei mit radikalen Beiträgen. Je häufiger die Thesen und „Argumente“ auf dem Smartphone erscheinen, desto eher werden sie für die Wahrheit gehalten.
  • Die Anspruchshaltung von jungen Menschen ist deutlich höher geworden. Das mag man als Älterer bedauern, wirklich ändern kann man es nicht. Man muss es in seinen Umgang mit den jungen Menschen und die Betrachtung von Frust-Ursachen einbeziehen.
  • Entscheidend im Kampf gegen Radikalisierung ist es, den jungen Menschen trotz seiner Haltung nicht auszugrenzen. Es klingt simpel, aber im Gespräch zu bleiben, ist ganz wichtig. Dazu gehört auch: Gespräche führen, von denen man weiß, dass sie nichts bringen. Ein sich radikalisierender Mensch wird nicht nach einem Gespräch seinen Fehler einsehen und umkehren. Deshalb geht es in diesen vermeintlich sinnlosen Gesprächen vor allem ums Zuhören. Man muss denjenigen nicht mit „guten Argumenten“ überschütten, sondern vielmehr verstehen, wo die Wurzeln seiner Radikalisierung liegen (könnten).
  • Man sollte mit den Betroffenen einen Verhaltenskodex vereinbaren, also klären, was nötig ist, damit sie weiter im Unternehmen und in der Ausbildung bleiben können. Ausbilderinnen und Ausbilder sollten verhindern, dass jemand das Unternehmen wechselt. Sie sollten die Person möglichst halten und durch klar vereinbarte Strukturen weiter zusammenarbeiten.
  • Man muss akzeptieren, dass es Fälle gibt, in denen alle Bemühungen scheitern. Zugleich ist aber jeder Fall, in dem es gelingt, jemanden zu entradikalisieren, ein wichtiger Gewinn für die Gesellschaft.

Die IHK beteiligt sich daran mit einem Angebot, das heute startet: dem 24-Stunden-Sorgentelefon. Auszubildende, die Probleme welcher Art auch immer haben, erreichen unter der Telefonnummer 0800 0008257 rund um die Uhr jemanden. Das kann gegen Frust helfen, bevor andere „Lösungen“ an Macht gewinnen.

 
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