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Auto Becker
Auftritt wie diesen liebte Helmut "Auto" Becker. Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Aufstieg und Fall des Helmut „Auto“ Becker

Düsseldorfs berühmtester Händler für alles, was vier Räder hatte und mit Sprit fuhr, erlebte vor 20 Jahren einen dramatischen Absturz. Zuerst chauffierte er die Firma in die Pleite, dann geriet er ins Visier der Kripo Nürnberg. Hintergrund: der Tod des Ehemanns seiner Freundin.
Veröffentlicht am 21. März 2023

Bis zum Schluss versuchte er, den schönen Schein zu wahren. Den Eindruck zu erwecken, als sei alles im Lack, sozusagen. Dabei hielten sich Anfang der 2000er Jahre hartnäckig Gerüchte um finanzielle Probleme bei „Auto Becker“. Diese Firma, jedem Düsseldorfer vertraut wie die Kö und die Altstadt, gelegen auf einem riesigen Areal an der Merowingerstraße in Bilk. Auto Becker pleite? Das konnte doch nicht sein, dachten viele.

Doch, konnte es. Und Insider hatten es schon länger kommen sehen. Denn Helmut Becker, Sohn des legendären Firmengründers Wilhelm Becker, hatte zwar die Firma, aber offenbar nicht die unternehmerischen Fähigkeiten des Vaters geerbt. 2002 war Schluss, Auto Becker Geschichte – aber die Story des unglücklichen Sohnes noch nicht vorbei.

Denn ungefähr in dieser Zeit – exakt weiß das außer der beiden Beteiligten keiner – lernte er eine junge Frau kennen, die ihm als Tatjana Gsell vorgestellt wurde. Die beiden wurden ein Paar, obwohl sie verheiratet waren – aber eben nicht miteinander. Diese Dame kennen und angeblich lieben zu lernen, dürfte Becker später bitter bereut haben. Wie es dazu kam und wie es mit Helmut „Auto“ Becker weiterging, beschreibe ich in der neuen Folge unseres Podcasts „Kohle, Knast und Kaviar“.

Auto Becker Königsallee
Helmut Becker bei einem Concours d`Elegance auf der Kö. Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Der Anfang

Helmut Beckers Vater Wilhelm kam nach dem Krieg nach Düsseldorf. Er stammte aus einem Dorf im Hunsrück und wanderte ins Rheinland mit der Hoffnung aus, dort bessere Chancen für ein gutes Leben zu haben. Eine Hoffnung, die sich bewahrheiten sollte.

Auf einem Trümmergrundstück begann er, mit gebrauchten Autoteilen zu handeln. Das lief so gut, dass er 1961 auf das Grundstück an der Merowingerstraße umziehen und expandieren konnte. Aus dem Handel mit Ersatzteilen wurde schnell das Geschäft mit gebrauchten Autos, und Becker machte den seinerzeit üblichen Spruch „Zweite Hand“ für den Zweitbesitzer eines Wagens zum Firmenzeichen. Bis zum Schluss prangte der Spruch mit dem Bild einer emporgestreckten Hand an einem Schornstein auf dem Gelände des Unternehmens.

Nach und nach kamen Neuwagen hinzu, und Becker erweiterte sein Sortiment auf mehrere Dutzend Marken. Schließlich war er weit und breit der einzige, der amerikanische Straßenkreuzer, italienische Sportwagen und edle englische Autos anbot. Mit feinem Gespür für die Wirkung nach außen jonglierte er mit Namen prominenter Kunden: Günter Netzer kaufte einen Ferrari, Joseph Beuys einen Bentley. Heinz Rühmann kam vorbei und auch Gustaf Gründgens. Stets wurden die Schlüsselübergaben medienwirksam inszeniert. Aufsehen war ihm sicher, auch weil er es schaffte, das Wort „Auto“ als zweiten Vornamen eintragen zu lassen und in den 1970ern für die ausgefallene Messe IAA eine eigene Show anzubieten und mehr als 100.000 Gäste anzulocken.

Der Senior leitete und prägte das Geschäft bis in die 1990er Jahre – dann erst ließ er den inzwischen schon 52 Jahre alten Junior Helmut ans Ruder. Trotz großer Skepsis wegen dessen Fähigkeiten.

Glanz und Glamour

Helmut Becker pflegte einen völlig anderen Stil als der Senior. Er war präsent in der Stadt und genoss seine Prominenz. Tauchten bei irgendeinem Event berühmte Menschen auf, war er garantiert dabei und versuchte, mit den großen Namen auf ein Foto zu gelangen. Legendär ist die Szene, in der er mit einem gelben Ferrari vorfuhr, als wenig später Angela Merkel im schwarzen Dienstwagen erschien. Der groß gewachsene Mann wuselte so lange im Hintergrund herum, bis ihm der Moment günstig schien und er sich zu den Leuten gesellte, auf die Kameras gerichtet waren. Im Hintergrund erschien dann der alles überragende Kopf des Helmut Becker.

Zudem schuf er Spektakel für seinen großen Auftritt. Auf Sylt und an der Kö organisierte er Präsentationen von Luxus-Karossen, nannte das „Concours d’Elegance“ und war vor allem immer selbst mitten drin. Derlei Auftritte brachten ihm zwar viel Publicity, aber keinen Umsatz im Autohaus. Ob ihn das interessierte, ob er das überhaupt durchschaute, wurde nie klar. Die Selbstinszenierung ging bis in sein Büro: Mit Blick aufs Auto-Haus residierte er an einem riesigen Schreibtisch mit gläserner Platte. Darunter stand als Stütze der Block eines Ferrari-Zwölfzylinder-Motors – ein Ding, auf das er sehr stolz war.

Womöglich hat er dabei die Zahlen aus dem Blick verloren. Was auch an anderen Aktivitäten gelegen haben könnte: Becker trat als parteiloser Kandidat zur Bundestagswahl an, gründete eine Pro-Europa- und andere Initiativen. Manche beschrieben ihn als hyperaktiv.

Tatjana Gsell

Anfang der 2000er Jahre lernte er Tatjana Gsell kennen, die beiden kamen sich schnell näher und lebten zeitweise zusammen in Marbella. Parallel dazu ging es mit seinem Betrieb in Düsseldorf bergab, aber das schien ihn nicht zu berühren. Er genoss das Leben, während seinen Leuten die Arbeitslosigkeit drohte. Dieses Verhalten löste nicht nur bei der Belegschaft helle Empörung aus.

Als der Ehemann seiner Partnerin, der Schönheitschirurg Franz Gsell, im Frühjahr 2003 unter dubiosen Umständen ums Leben kommt, macht Becker wenig später Bekanntschaft mit der Kriminalpolizei. Der Fall selbst ist bis heute verworren: Angeblich hatte der Arzt gemeinsam mit seiner Frau einen Einbruch fingiert, um durch den Diebstahl eines 100.000 Euro teuren Autos die Versicherungssumme zu kassieren. Aber die inszenierte Tat lief aus dem Ruder, Gsell wurde verletzt und starb kurze Zeit später im Alter von 76 Jahren.

Seine Frau Tatjana geriet in Verdacht, beteiligt gewesen zu sein und wurde verhaftet. Ab April 2003 saß sie in Untersuchungshaft, und Becker als ihr Liebhaber wurde verdächtigt, involviert zu sein. Erst ein Jahr später wurde er von jedem Verdacht freigesprochen – er war tatsächlich nicht beteiligt. Tatjana Gsell wurde wegen versuchten Versicherungsbetrugs und Vortäuschens einer Straftat zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Aber dass sie mit dem Tod ihres Mannes etwas zu tun hatte, war nicht zu erhärten. Mit ihrer Verhaftung endete auch die Beziehung zu Helmut Becker.

Das Ende

Nicht nur das Privatleben des Helmut Becker lag danach in Scherben. Seine Firma war pleite und wurde abgewickelt, Becker stand vor dem Nichts. Das wollte er nicht akzeptieren und erzählte von kühnen Plänen, die er schmiedete. Als Berater wollte er tätig sein, natürlich in der Automobilbranche. Weit weg von Düsseldorf sollte eine Erlebniswelt rund ums Auto entstehen, zu der in Tatjana Gsells Zeiten noch eine Beautyfarm angedacht war.

Schließlich wurde es still um Helmut Becker. Jahre später wurde bekannt, dass er mittellos und schwer erkrankt wieder zu seiner einst verlassenen Ehefrau gezogen war. 2018 starb er.

Von der einst legendären Firma ist nichts geblieben. Das Areal in Bilk ist heute mit Wohnungen bebaut, nichts erinnert mehr an Helmut „Auto“ Becker.

Die Links zum Podcast

Die neue Folge kann man unter anderem auf folgenden Plattformen hören (einfach auf den Namen klicken):

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Auto Becker
Das Auto Becker vor dem Abriss. Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

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Nachher: Auch der Schornstein wurde Abgerissen. Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

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