Abschied von einem Liberalen

Ihn live zu erleben, war stets beeindruckend. Nie langweilig, oft anstrengend im positiven Sinne, weil er in einem Gespräch selten die zweite Geige spielte, sich dazu als sehr aufmerksamer Zuhörer mit verblüffendem Gedächtnis zeigte. Manfred Droste war bis zuletzt schnell im Kopf und ein Meister der Sprache. Für Small Talk konnte er sich nicht erwärmen. In der Regel kam er umgehend zur Sache, meist der eigenen, und sprach so, wie man es sich heute von vielen Politikern wünscht: mit klarer Kante. Wer sich mit ihm unterhielt, brauchte die Fähigkeit der permanent hohen Konzentration. Weil der Mann, Jahrgang 1927, viel erlebt hatte, gingen ihm die Themen nie aus. Zeitgeschichte faszinierte den promovierten Historiker, zumal er schon zu Lebzeiten ein Teil von ihr war. Die Nazizeit, die er als Jugendlicher erlebte, hat ihn und sein Denken stark geprägt: mit ansehen zu müssen, was Terrorherrschaft, also das Gegenteil von Freiheit, mit den Menschen und der Gesellschaft macht. Das, so seine feste Überzeugung, dürfe sich in Deutschland niemals wiederholen. Dafür hat er getan, was er tun konnte, und die richtigen Mitstreiter dafür sah er bei der FDP. Immer wieder sprach und schrieb er über diese Zeiten und ihre Folgen für das Land bis heute. Sprechen und schreiben – beides konnte er in einer Diktion, zu der das Wort packend passt. Neudeutsch würde man dieses Talent die Fähigkeit zum Storytelling nennen. Der Begriff, den er gewiss kannte, hätte ihn vermutlich amüsiert. Die Macht des gesprochenen Wortes war ihm vertraut, und ebenso die des Gedruckten – egal, ob (für Jahrzehnte) auf Papier oder neuerdings zusätzlich virtuell. Da war er der kühle Pragmatiker, also Unternehmer, und hing nicht naiver Nostalgie für raschelndes Papier am Frühstückstisch nach. Mehrfach habe ich ihn in seinem Büro mit Blick auf die Johanneskirche getroffen. Jedes Mal hat mich dieser Raum mit dem riesigen Bild des großen Goethe an der Wand beeindruckt. Geprägt von tausenden Büchern quer durch alle Themenbereiche in den deckenhohen Regalen oder auf hohen Stapeln. Spätestens dort wurde klar: Der Mann lebt nicht nur von Büchern und für sie, sondern auch mit ihnen. Und mit Zeitungen. Häufig sah ich mehrere in Reichweite, keinesfalls akkurat gefaltet, sondern sichtlich gelesen. Mit dieser Form bedruckten Papiers umzugehen, lag ihm in den Genen. Schon der Vater hatte in den 1920er Jahren einen Verlag auf den Weg gebracht, das Pressehaus am Martin-Luther-Platz gegründet, von dem heute noch die Fassade steht. Nach dem Krieg baute die Familie ihr mediales Engagement aus, und 1970 tat sich Droste mit der Rheinischen Post zusammen. So wurde er wie Gottfried Arnold, Anton Betz und Erich Wenderoth zu einem wesentlichen Teil dieser Zeitung und ihres Erfolgs. Aber er blieb auch immer Gestalter seiner anderen Firmen. Und zwar bis ins sehr hohe Alter. Seine Rolle als Patriarch sah einen Rückzug aufs Altenteil nicht vor. Sehr spät übergab er daher den Stab an die beiden Söhne Felix und Tilman. Wer sie erlebt hat mag ahnen, welche Rolle ein solcher Vater in ihrem Leben gespielt hat. Seiner Partei, der FDP, hat er es ebenfalls oft nicht leicht gemacht und deren Liberalität bisweilen auf eine harte Probe gestellt. Er war ein Querdenker, als das Wort noch einen guten Klang hatte. Anzuecken war ihm, dem wirtschaftlich absolut Unabhängigen, nicht nur egal, er genoss es und hielt den Disput für einen wichtigen Bestandteil jeglicher Form von Politik, auch in der eigenen Partei. Die musste es und ihn erdulden, man arrangierte sich und respektierte ihn, auch weil er längst zur lokalen Parteilegende geworden war. Mehrere Jahre saß Droste im Stadtrat, und dort vertrat er – für die Zeit typisch – als Verkehrspolitiker seine Ansichten zu einer mobilen Gesellschaft, für die das Auto noch das wichtigste Mittel der Fortbewegung war. Sich davon in der jüngsten Zeit zu verabschieden, dürfte ihm schwergefallen sein. Aber klug, wie er war, hat er erkannt (wenn auch nicht begrüßt), wie die Zeiten sich änderten und von jungen Menschen andere Prioritäten gesetzt wurden. Manfred Droste wird in Düsseldorf verbunden bleiben mit dem Reisebüro, der Buchhandlung und dem Verlag, der unverdrossen in kleiner Auflage Bücher herausbringt, in denen Düsseldorf und das Rheinland die Themen sind. Nur wenige wissen, was noch alles hinter diesen Unternehmen steckte, wie weit der wirtschaftliche Einfluss des Manfred Droste ging. Sein Name wird außerdem noch lange genannt werden, wenn es um eine Überführung in der Düsseldorfer Innenstadt geht, die unter dem Namen &bdquo;Tausendfüßler“ berühmt wurde. Einst autogerecht erdacht und gebaut, endete die Zeit des Betonbauwerks in den 2000er Jahren, 2013 wurde es abgerissen. Bis zuletzt hatte Droste das zu verhindern versucht – vergeblich. Die von ihm finanzierte Initiative &bdquo;Lott stonn“ (&bdquo;stehen lassen“) hatte zwar einen originellen Namen, aber nicht genug Einfluss, um den Gang der Zeit aufzuhalten: Der hässliche Gigant aus Beton, der die Mitte Düsseldorfs in zwei Hälften teilte, musste weg und einer offenen, nicht am Auto orientierten Gestaltung Platz machen. Ob Droste die neue, lichte Optik der plötzlich entstandenen offenen Fläche am Ende goutierte? Gesagt hat er das nie, jedenfalls nicht in meiner Gegenwart. Dabei haben wir uns oft gestritten über diese Frage. Er war für den Erhalt, ich für den Abriss, eine Annäherung war unmöglich. Als ich schließlich – damals Lokalchef Düsseldorf der Rheinischen Post – ihn bei einem solchen Gespräch fragte, warum er seinen Einfluss in der Mediengruppe nicht entsprechend geltend machte, wies er diesen Gedanken weit von sich. Er halte zwar meine Meinung für völlig falsch, aber niemals würde er auf die Berichterstattung der Redaktion Einfluss nehmen, die Pressefreiheit sei ihm ein hohes Gut, welches er auf keinen Fall antasten würde. Das tat er dann auch nicht. Was ich ihm nie vergessen habe und wofür ich ihm immer Respekt zollen werde. Aber wie viele andere schrieb er Leserbriefe, in denen er seine Meinung darlegte. Sein Engagement für diese Bauwerk verdient aber noch eine andere Deutung. Er kämpfte nicht für den Erhalt, weil es ihm so gut gefiel. Nein, er hielt es für nützlich im Sinne der Stadt. Dieses Denken zieht sich durch sein gesamtes Engagement: Das Wohl dieser Stadt lag ihm, dem vom Kopf und vom Gefühl gesteuerten Düsseldorfer, wirklich am Herzen, und er nutzte seine Mittel, es zu mehren. Nicht immer tat er das offen. Die Kultur war ihm wichtig: Schauspielhaus, Oper, Ballett, Kunstakademie sah er als wesentliche Teile einer funktionierenden Kommune, die Förderung verdienten, weil ohne sie eine frei denkende Gesellschaft nicht vorstellbar ist. Die Universität unterstützte er, u.a. über die &bdquo;Anton-Betz-Stiftung“ der Rheinischen Post, aus tiefster Überzeugung. Nun ist gestorben, und so geht einer der letzten Zeitzeugen, von denen man aus erster Hand erfahren konnte, warum wir heute so leben dürfen, wie wir leben. Auch und nicht zuletzt das ist ein Grund, den Tod des Manfred Droste zu betrauern. Weiterführender LinkDer Düsseldorfer Journalist Martin Roos hat Manfred Droste vor zwei Jahren interviewt. Das Video dazu ist hier zu sehen.

Abschied von einem Liberalen

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Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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