Bange Frage bei der CDU: Was tun ohne Stephan Keller?
Vor ein paar Tagen hatte Oberbürgermeister Stephan Keller seinen großen Auftritt: bei den Invictus Games neben Prinz Harry und dessen Frau Meghan. Natürlich trug er dabei seine Amtskette – sozusagen das protokollarische Symbol seiner Position an der Spitze des Rathauses, gemacht aus ein paar Pfund Edelmetall. Ob Keller solche Auftritte genießt, darf durchaus bezweifelt werden. Er ist nicht der Typ dafür. Aber er erledigt sie, weil sie zum Job gehören. Den macht er mit der Zuverlässigkeit eines Schweizer Uhrwerks: präzise, verlässlich und inzwischen, nach fast drei Jahren im Amt, auch routiniert. Man könnte sagen: Er sitzt fest im Sattel.
Aber wie lange er da noch sitzen bleiben will, ist innerhalb der CDU seit einiger Zeit ein diskret behandeltes Thema. Man ist sich nämlich nicht sicher.
Konkret wird folgendes Szenario besprochen: Keller, der noch bis ein Jahr vor der Wahl 2020 (damals war er Stadtdirektor in Köln) beteuert hatte, auf keinen Fall in Düsseldorf als OB-Kandidat antreten zu wollen, wird in nicht allzu ferner Zukunft einen Posten in der Landesregierung bekommen. Das, so heißt es, war der Deal zwischen ihm und dem seinerzeit amtierenden NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet. Der persönlich habe Keller gebeten, in Düsseldorf anzutreten mit dem Versprechen, auf jeden Fall für die weitere Karriere des Juristen zu sorgen. Eine Erster-Klasse-Rückfahrkarte, sozusagen. Hätte Keller die Wahl verloren, wäre er nach oben gefallen – das habe Laschet zugesagt. Im Falle eines Sieges (der ja dann auch eintrat), soll es weitere Zusagen für eine Zeit nach dem Amt als Rathauschef in Düsseldorf gegeben haben. Wie konkret die waren, wissen nur die unmittelbar Beteiligten. Aber in der CDU scheinen einige zu glauben, dass es sie gab und dass sie nach wie vor bestehen.
Zurück zum oben erwähnten Szenario. Darin ist Keller nicht mehr Oberbürgermeister von Düsseldorf, sondern Mitglied des Landeskabinetts. Da sein großes Thema immer die Sicherheit war und ist, böte sich das Innenministerium an. Das wird derzeit noch von Herbert Reul geführt. Aber dass der seit wenigen Wochen 71-Jährige noch lange weitermacht, gilt als unwahrscheinlich. Keller könnte ihn beerben.
In Düsseldorf schlüge dann, so das CDU-interne Gewisper, die Stunde von Angela Erwin. Ihr wird zwar auch der Ehrgeiz in Richtung eines Ministeramts nachgesagt, aber die Chance, ihren Vater (den 2008 verstorbenen Oberbürgermeister Joachim Erwin) zu beerben, würde sie sich aus emotionalen Gründen nicht entgehen lassen, glaubt jemand, der sie schon seit langem kennt. Sie selbst hatte ernsthaft überlegt, bereits 2020 anzutreten, aber mehrere Vertraute rieten dringend ab – sie sei noch zu jung, noch ohne Profil, noch zu sehr im Schatten des Vaters. Bei der OB-Wahl 2025 ist sie Mitte 40. Der Juristin und Mutter werden dann echte Chancen eingeräumt, Erfolg zu haben.
Zudem hat sie in der CDU reichlich Unterstützer, und – auch wenn sie das womöglich offen nicht sagen wird – sie profitiert vom Ruhm des Vaters. Der war zwar umstritten, hatte aber auch genügend Befürworter. Bis heute gibt es viele, die ihm einiges zugutehalten und das immer so formulieren: „Er hat viel für die Stadt getan.“
Insgesamt scheint die Lage für die CDU Düsseldorf aus heutiger Sicht günstig. Bei der SPD ist kein ernsthafter Konkurrent in Sicht, die Grünen – so hofft man bei den Schwarzen – werden sich noch länger nicht aus dem bundesweiten, daher auch in Düsseldorf spürbaren Stimmungstief gezogen haben.
Keller, so heißt es bei den Christdemokraten, habe die Partei fest im Griff, ihm werde nicht widersprochen, man schätzt seine Effizienz. Aber man vermisst Visionen, große Themen für die Stadt. Dass er von Düsseldorf als Klimahauptstadt spricht, löst vielleicht bei den Grünen Entzücken aus. Bei der CDU jedoch eher nicht. Ihnen wäre es viel lieber, er brächte ein langfristig wirksames Mobilitätskonzept auf den Weg, das die von ihm versprochene Stau-Freiheit realistisch erscheinen ließe. Dass er jetzt groß den Wohnungsbau propagiert und konkrete Projekte nennt, scheint nicht zu überzeugen – zumal die derzeitig hoch komplizierte Lage der Bauwirtschaft die Umsetzung extrem schwer macht.
Ein solches Stühlerücken wäre strategisch auf jeden Fall kompliziert zu planen, vor allem der Zeitpunkt ist heikel. Es müsste mit deutlichem Abstand zur Wahl 2025 klar sein, dass Keller nicht erneut antritt, also Ende nächsten oder Anfang übernächsten Jahres. Erwin würde dann als neue Kandidatin für den Wahlkampf aufgebaut. Dass ein solcher Coup aus der Partei heraus und ohne Keller funktionieren würde, gilt als ausgeschlossen. Nach dem Motto „never change a winning team“ würde die CDU mit Keller weitermachen – es sei denn, er selbst hat andere Pläne. Wovon diejenigen ausgehen, die über dieses Thema reden.
Für den Oberbürgermeister wäre der Wechsel ins Landeskabinett ein weiterer Punkt auf einer kontinuierlich nach oben verlaufenden Karrierekurve. Beigeordneter, Stadtdirektor, Oberbürgermeister – Innenminister: Das ist in sich logisch und könnte für den dann Mittfünfziger die Krönung seiner Laufbahn bedeuten. Ich möchte die Vergleiche nicht überstrapazieren, aber auch ein gewisser Olaf Scholz hat 2018 seinen Posten als Regierender Bürgermeister von Hamburg aufgegeben, um nach Berlin zu wechseln und dort Finanzminister sowie Vizekanzler zu werden.
Dass es offenbar in der Sorge um einen möglichen Abschied von Stephan Keller auch die Idee gab, den derzeitigen Ersten Bürgermeister Josef Hinkel als neuen Oberbürgermeister-Kandidaten aufzubauen, wird von Insidern als unrealistisch abgelehnt. Hinkel garantiere zwar hohe Sympathiewerte, aber die Führung eines Konzerns wie der Stadt Düsseldorf traut man ihm nicht zu.
Und noch einer spielt eine schwer zu durchschauende Rolle in dieser Schachpartie: Hendrik Wüst. Seit Monaten ist der NRW-Ministerpräsident im Aufwind, längst wird er für höchste Posten in der CDU und in Berlin gehandelt. Entsprechend tritt er auf. Ob er sich an Zusagen seines Vorgängers im Amt, Armin Laschet, gebunden fühlt, ist schwer kalkulierbar.
Weitere VierNull-Geschichten zu diesen Themen
Düsseldorfs Bürgermeister Josef Hinkel sucht seine Rolle