CDU-Chef Thomas Jarzombek braucht einen Plan B

Der Politiker ist seit zehn Jahren Parteivorsitzender in Düsseldorf. Dieser Posten sichert ihm bisher die Kandidatur für den Bundestag. Nun aber schwindet sein Rückhalt, spätestens nach der Wahl im nächsten Jahr muss er seine Strategie ändern.
Veröffentlicht am 2. Juli 2024
Europawahl in Düsseldorf 2024
Thomas Jarzombek filmt auf der CDU-Party am Abend der Europawahl.

So eng war es noch nie. Thomas Jarzombek hatte es in seiner politischen Karriere immer mal wieder mit Gegenkandidaturen zu tun. Die dazugehörigen Abstimmungen entschied er aber stets klar zu seinen Gunsten. Als die Düsseldorfer CDU nun Ende Juni ihre Kandidaten für die beiden Düsseldorfer Bundestagswahlkreise nominierte, gab es erneut einen Herausforderer für Thomas Jarzombek: Mathias Höschel, der 2016/2017 für ein knappes Jahr in den Bundestag nachgerückt war, wollte gerne noch einmal nach Berlin. Seine Rede empfanden viele Teilnehmer des Parteitags aggressiv in einem Schärfegrad, der bei der CDU in aller Regel nicht gut ankommt. Trotzdem holte Mathias Höschel fast 40 Prozent der Stimmen. Oder umgekehrt Thomas Jarzombek nur etwas mehr als 60 Prozent.

Zum Vergleich: 2015 wollte Heidrun Leinenbach den Kreisvorsitzenden Thomas Jarzombek ablösen. Die Partei wählte ihn mit mehr als drei Viertel der Stimmen erneut ins Amt. Bei den Wiederwahlen 2017 und 2019 holte er jeweils mehr als 80 Prozent, 2022 waren es rund 75 Prozent.

Alle diese Werte liegen weit oberhalb des jetzigen Ergebnisses. Warum das Resultat für den hiesigen CDU-Chef so gefährlich ist und wie er seine Strategie ändern könnte, erkläre ich in den folgenden Fragen und Antworten:

Warum ist Thomas Jarzombek auf den Vorsitz angewiesen?

Als Parteichef kann er einen natürlichen Anspruch auf ein Amt seiner Wahl anmelden. Die Partei müsste ihn brüskieren, wenn sie dies nicht wollte. Thomas Jarzombek hat sich für die Option Kandidatur im nördlichen der beiden Düsseldorfer Bundestagswahlkreise entschieden. Dort hat die CDU eine Hochburg und somit ein ziemlich sicheres Mandat. Selbst im sehr schwachen Wahlkampf des Kanzlerkandidaten Armin Laschet holten die Christdemokrat:innen im Norden der Landeshauptstadt eine Mehrheit. Deshalb ist Thomas Jarzombek seit 2009 immer als Direktkandidat nach Berlin gewählt worden.

Für die Wahl 2025 hat er darauf erst einmal wieder eine gute Chance. Bei der übernächsten Bundestagswahl wird er auch erst 56 Jahre alt und vermutlich immer noch an einem guten Job in der Politik interessiert sein. Für die entsprechende Kandidatur bräuchte er also weiterhin eine gute Absicherung.

Wie hat der CDU-Chef seine Position bisher abgesichert?
Durch ein Netzwerk auf zwei Ebenen:

1. Land: Zwischen den Jahren 2000 und 2006 hieß der Landesvorsitzende der Jungen Union Hendrik Wüst – und sein Stellvertreter Thomas Jarzombek. 2005 wurden dann beide in den Landtag gewählt, vertieften Zusammenarbeit und Vertrauen. Mittlerweile ist Hendrik Wüst Ministerpräsident und kümmert sich weiter um den Weggefährten aus den politischen Anfangstagen. Thomas Jarzombek ist inzwischen Mitglied im erweiterten Bundesvorstand der CDU. Es gilt als sicher, dass Hendrik Wüst ihm den Weg zu dieser Wahl geebnet hat.

2. In der Stadt: Ähnlich wie mit Hendrik Wüst hat Thomas Jarzombek auch auf lokaler Ebene eine Seilschaft entwickelt, in der man sich gegenseitig vertraut und schützt. Zu diesem Bündnis gehören die Landtagsabgeordneten Angela Erwin und Olaf Lehne sowie die Stadtratsmitglieder Rolf Tups, Andreas Hartnigk und Giuseppe Saitta.

Sie alle haben ein feines Sensorium, wenn irgendwo neue Kräfte in der Partei entstehen, und kennen keine Scheu, umgehend die Aussichtslosigkeit irgendwelcher Bestrebungen zu signalisieren. Ein besonders deutliches Beispiel: Für die Landtagswahl 2017 wurde Andreas-Paul Stieber im Norden als CDU-Kandidat gewählt, er holte dort mehr Stimmen als Olaf Lehne. Anschließend gab es eine Abstimmung auf gesamtstädtischer Ebene. Dort bekam dann Olaf Lehne eine Mehrheit, erhielt den von ihm so geschätzten Posten und zog wieder ins NRW-Parlament ein.

Und so blieb er auch Teil der Runde, auf die Thomas Jarzombek im Fall von Herausforderungen zählen kann.

Warum wirkt dieses Netzwerk nicht mehr wie bisher?
Der Zusammenhalt ist nach wie vor da, aber die Zahl der Gegnerinnen und Gegner von Thomas Jarzombek wächst offensichtlich. Das sind Menschen, die in den vergangenen Jahren gegen ihn verloren und deren Anhänger:innen dies nicht vergessen haben. Das sind Fans der inzwischen zur Werteunion gewechselten ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sylvia Pantel. Und das sind Menschen, die damit unzufrieden sind, dass Thomas Jarzombek in Düsseldorf so wenig in Erscheinung tritt. In Wahlkämpfen sei er hier präsent, sonst merke man aber deutlich, dass er seinen Lebensmittelpunkt in Berlin hat, sagen diese Kritiker:innen.

Die zwischenzeitliche Ruhe durch den Sieg von Stephan Keller bei der OB-Wahl 2020 und die Verteidigung der vier Direktmandate für den Landtag 2022 ist inzwischen verflogen. Die gegnerische Gruppe hat nun eine Größe von rund 40 Prozent – und ist nicht mehr weit davon entfernt, den ungeliebten Vorsitzenden ablösen zu können. Es ist nach meiner Einschätzung deshalb kaum vorstellbar, dass Thomas Jarzombek noch bis 2029 auf den Kreisparteivorsitz setzen kann, um so wieder im Düsseldorf Norden für den Bundestag zu kandieren. Er braucht deshalb einen Plan B.

Wie könnte die neue Strategie von Thomas Jarzombek aussehen?
Aus meiner Sicht gibt es drei Möglichkeiten:

1. Fast so weitermachen wie bisher: Der einfachste Weg wäre es, einen Nachfolger als Parteivorsitzenden zu finden, der ihm nicht gefährlich wird. Also jemanden, den er gut kennt und der kein Interesse am Bundestagsmandat hat. Diese Person gibt es tatsächlich: Peter Blumenrath.

Nach dem gescheiterten Sturz-Versuch 2015 wurden zwei Jarzombek-Vertraute seine Stellvertreter, Angela Erwin und eben Peter Blumenrath. Die Erstgenannte bekommt seitdem regelmäßig vor Augen geführt, dass ein guter Teil der Partei nicht zu ihren Fans gehört. Wiederwahlergebnisse von 69 oder 75 Prozent sagen dies deutlich aus.

Peter Blumenrath hat die anfänglichen Querelen und die Entwicklung der Lager hingegen unbeschadet überstanden. Er holt weiter starke Ergebnisse, beherrscht also das Kunststück, sich kaum Gegner:innen in der CDU zu machen. Wie das gelingt, habe ich in der Geschichte „Der Parteifreund“ beschrieben. Peter Blumenrath ist Mitglied des Landtags und scheint aus persönlichen Gründen weiter in Düsseldorf bleiben zu wollen.

Würde er Parteivorsitzender, würde er voraussichtlich keinen Anspruch auf den Nord-Wahlkreis anmelden und könnte Thomas Jarzombek aus geeigneter Position helfen, dessen Kandidatur dort zu verteidigen.

2. D-Exit: Thomas Jarzombek könnte Düsseldorf hinter sich lassen. Im politischen Berlin hat er sich seit 2021 als Bildungspolitiker profiliert. Seine Facebook-Seite zeigt eine ganze Reihe von Reden, die er zu dem Thema gehalten hat. In der Anhörung von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zur so genannten Fördermittel-Affäre war er sogar in der „Tagesschau“ als Sprecher der Opposition zu sehen.

Sollte die CDU nach der Bundestagswahl 2025 wieder an der Macht beteiligt werden, könnte das in Ministerien Möglichkeiten für Thomas Jarzombek eröffnen. Er könnte dort einen Führungsposten bis hin zum Staatssekretär bekommen – und müsste sich mindestens vorerst nicht mehr mit Wahlkreisen und lokaler Machtabsicherung beschäftigen.

3. Der kleine D-Exit: Sollte die Variante in Berlin nicht gelingen, ist sie auch auf Landesebene vorstellbar. Dank der beschriebenen guten Beziehungen zum Ministerpräsidenten könnte Thomas Jarzombek auch in einem der Landesministerien unterkommen, zumal Bildungspolitik weitgehend in der Hoheit der Länder liegt. Auch dann wäre Kommunalpolitik für ihn vorerst nicht mehr relevant.

Für alle Fälle hat der CDU-Chef auf Facebook vorgebeugt. Aus der Hendrik-Wüst-Folge der ARD-Reihe „Konfrontation“ hat er ein Bild der beiden aus dem Jahr 2005 veröffentlicht – und an ihren „ersten Schultag“ erinnert.


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