Dem Düsseldorfer Stadtrat droht eine radikalere AfD
Die AfD-Fraktion im Düsseldorfer Stadtrat ist geübt in einfacher Provokation. Sie stellt Anfragen zu Waffenkontrollen in Flüchtlingsunterkünften oder zur Zahl islamistischer Gefährder. Und sie beantragt ein Migrationsdashboard, um „das aktuelle Migrationsgeschehen zu erfassen“. Keiner dieser Anträge bekommt mehr als die drei Stimmen der drei Ratsmitglieder der AfD (wenn denn gerade alle anwesend sind und aufpassen). Um Zustimmung geht es den Beteiligten aber auch nicht, sondern darum, vom Titel des Antrags bis zu seiner Begründung Vorurteile zu schüren oder bekräftigen.
Das ist anstrengend, regelmäßig auch geschmacklos. Dennoch könnte es gut sein, dass man sich bald an diese Zeiten als die harmlosen erinnert. Die Partei hat nun ihre Kandidat:innen für die Ratswahl im September 2025 aufgestellt. Diese stehen für eine Radikalisierung der Fraktion.
Die bisher drei Sitze im Rat folgten aus einem Stimmenanteil von 3,6 Prozent bei der Kommunalwahl 2020 (Hinweis: Beim Stadtrat gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde). Nimmt man die Düsseldorfer Ergebnisse bei den Wahlen seitdem als Orientierung, ist davon auszugehen, dass die AfD-Fraktion im nächsten Stadtrat wächst. Wir stellen deshalb die Bewerber:innen auf den ersten fünf Plätzen der Liste vor.
Platz 1: Elmar Salinger
Der 49-jährige Kulturwissenschaftler hat seine politische Laufbahn bei den Grünen begonnen, bei denen er einst im Kreisvorstand saß. Davon ist heute nicht mehr viel zu erkennen. Das Unwort des Jahres Remigration verwendete der Kreissprecher der AfD schon, bevor es durch ein Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam bekannt wurde. In einer Rede im Oktober 2023 sagte er: „Nicht Aufnahmezentren heißt das Gebot der Stunde, sondern Ausreisezentren müssen geschaffen werden. Remigration für die Zehntausenden Geduldeten in NRW und die mehreren Hunderttausenden im gesamten Bundesgebiet. Auch dafür steht die AfD ein.“
Salinger benutzt eine Sprache, die auch innerhalb der AfD nicht jeder verwenden würde. Auf seiner Internetseite schreibt er, dass sich niemals in der bundesdeutschen Geschichte „Blockparteien“, Medien und Verbandsfunktionäre „totalitärer gebärdet“ hätten als zur Zeit der Corona-Maßnahmen.
Auch die jüngsten Aktionen gehen in diese Richtung. Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen lud er zu einer „Wahlnachlese“ in den Bürgersaal im Stadtteilzentrum Bilk. Dort freute er sich auf einen Gast, dessen Äußerungen das Bundesamt für Verfassungsschutz als völkisch-nationalistisch und verfassungsfeindlich einstuft: den Europaabgeordneten Maximilian Krah.
Platz 2: Andrea Kraljic
Die AfD hat im Stadtrat die zweithöchste Frauenquote (66,6 Prozent). Das wird sich nach der Kommunalwahl ändern, weil Andrea Kraljic die einzige Frau auf den vorderen Plätzen der Liste ist. Sie ist dann voraussichtlich auch das einzige Mitglied der heutigen Fraktion, das weiter dem Rat angehört.
Das verwundert zunächst, weil die anderen beiden Ratsleute, Uta Opelt und Wolf-Rüdiger Jörres, deutlich auffälliger im Sinne der Partei sind. Andrea Kraljic bemüht sich um Kontakt zu Politiker:innen anderer Fraktionen und engagiert sich nach eigenen Angaben für die Immermannstraße in der Stadtmitte. In ihren Reden verzichtet sie auf die von anderen gerne genommene Opferrolle, sie scheint manchmal regelrecht irritiert, warum die andern so ablehnend auf ihre Fraktion reagieren.
Zugleich ist sie bei Demonstrationen gegen Flüchtlingsunterkünfte als Einladende prominent dabei. Auch damit dürfte sie sich Listenplatz zwei gesichert haben.
Platz 3: Marco Vogt
Der 1977 geborene Vogt gehört zu der erstaunlichen Gruppe der Parteiwechsler innerhalb der Düsseldorfer AfD. Während Salinger einst bei den Grünen aktiv war, trat Vogt nach eigenen Angaben 1994 zunächst in die SPD ein. Kurt Schumacher und Helmut Schmidt nennt er seine Vorbilder, seinem Selbstbild nach habe nicht er, sondern die Sozialdemokratie sich geändert. 2021 wurde er Mitglied der AfD und versuchte sich schon ein Jahr später am Einzug in den Landtag, den er mit knapp 3,7 Prozent der Erststimmen im Düsseldorfer Norden deutlich verpasste. Im Februar kandidiert er für den Bundestag.
Als studierter Historiker und Politikwissenschaftler ist Vogt nach eigenen Angaben heute im Öffentlichen Dienst tätig. Politisch tritt er vor allem für eine Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen, mehr Abschiebungen und das Autofahren ein. Öffentlich gibt er sich dabei bedachter und seriöser als manche seiner Parteikollegen, deutet Gedanken lieber an, als sie ganz direkt auszusprechen.
Die Radikalität dahinter bricht nur manchmal durch, wenn er beispielsweise die Aufnahme Geflüchteter ab 2015 einen „Willkommensputsch“ nennt. Sie ist aber auch daran erkennbar, dass er auf der Nachrichtenplattform „X“ ähnlich wie sein Kreisverbandschef Salinger gerne Aussagen der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und Maximilian Krah oder auch das Verschwörungsszenen-interne Lob einer Eva Herman auf US-Moderator Tucker Carlson teilt. Als die Düsseldorfer den mittlerweile sogar von der AfD-Parlamentsdelegation ausgeschlossenen Krah zur Podiumsveranstaltung luden, freute sich Vogt öffentlich über den „super Erfolg“ des Abends.
Platz 4: Kris Schnappertz
Der Pressesprecher der AfD-Fraktion im Landtag bemüht sich um ein gemäßigteres Auftreten, etwa wenn er an einer Diskussionssendung im Öffentlich-Rechtlichen teilnimmt. Aber auch seine Sprache ist eindeutig. Die Grünen nennt Schnappertz eine „totalitäre, in Teilen faschistoide Partei“.
Bei „X“ teilt er einen Beitrag, in dem der Satz „Man will also die größte Oppositionspartei aus dem Bundestag ausschließen und den Faschismus wieder etablieren“ stand, der also die Demos gegen rechts und die angebliche Opferrolle der AfD mit der Situation der deutschen Opposition 1933 in Verbindung brachte.
Und den Thüringens AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke bezeichnet er ironiefrei als Demokraten.
Platz 5: Knut Wesselmann
Ein wenig zurückhaltender als die anderen gibt sich Knut Wesselmann im Internet. Viel Inhaltliches ist dort über den einstigen Kreisverbandschef und Ex-Stadtrat nicht zu finden. Der Diplom-Betriebswirt wollte 2020 Oberbürgermeister-Kandidat in Düsseldorf werden, unterlag parteiintern allerdings Florian Josef Hoffmann, der sich als radikaler Leugner des menschengemachten Klimawandels gab.
Seitdem scheint Wesselmann seine Rolle vor allem im Hintergrund gefunden zu haben. Er ist Schatzmeister des parteinahen Vereins für Kommunalpolitik NRW und der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, die sich unter dem Vorsitz der Ex-CDU-Politikern Erika Steinbach zu einem Thinktank der radikalen Rechten entwickelt hat.
Wer nach inhaltlichen Akzenten sucht, landet bei einem Beitrag des Deutschlandfunks aus dem Jahr 2019. Damals meldete sich bei einer Diskussionsveranstaltung rund um die sogenannten Rheinbad-Tumulte in Düsseldorf auch im Beitrag nicht als AfD-Funktionär gekennzeichneter Mann namens Knut Wesselmann zu Wort. Der tritt als Augenzeuge einer bedrohlichen Situation durch „60 bis 70 Schwarzafrikaner“ auf, wird vor den Radiomikrofonen von einem anderen Gast gelobt und freut sich am Ende über „die offene Diskussion“.
Fazit
Die voraussichtlich nächsten AfD-Vertreter:innen im Düsseldorfer Stadtrat suchen bewusst die Nähe zu den Rechtsaußen ihrer Partei und verwenden eine Sprache, wie sie der so genannte Flügel der AfD verwendet hat. Das wird die Tagesordnungen des Rats verändern – und die Sitzungen auch. Erfahrungen aus anderen Kommunen mit radikaleren AfD-Fraktionen zeigen, dass die Beteiligten alle Möglichkeiten des demokratischen Systems nutzen, um dieses auszuhebeln.