Der Abgang von Britta Zur und seine vielen Folgen
Am Mittwochmorgen erschien auf VierNull unsere Geschichte über den bevorstehenden Abschied von Britta Zur – und schlug im Rathaus wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein. Die Ordnungsdezernentin hatte vorab niemanden informiert, dass sie mit der Deutsche-Bahn-Tochter DB-Sicherheit verhandelte. Vermutlich war sie dort zum Stillschweigen verpflichtet worden, das ist bei solchen Stellen üblich. Dennoch heißt es in der Verwaltungsspitze, dass sie zumindest ihren Dienstherrn, Oberbürgermeister Stephan Keller, ins Vertrauen hätte ziehen müssen. Wann er von ihrem Weggang erfahren hat, ist nicht kommuniziert worden. Nach unserem Kenntnisstand extrem kurzfristig.
Zu den aktuellen Entwicklungen die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wann wechselt Britta Zur?
Nach Aussage einer Sprecherin der Deutschen Bahn tritt Zur die Stelle am 1. September an, also in gut einem halben Jahr.
Kann sie bis dahin in Düsseldorf weiterarbeiten?
Theoretisch ja, es gibt beamtenrechtlich keine Vorschrift, die das unterbinden könnte. Anders als in der Privatwirtschaft ist die sofortige Freistellung keine Option. Aus der Umgebung der anderen Dezernenten heißt es jedoch, man könne sich angesichts der Umstände des Abgangs kaum vorstellen, dass sie noch mehr als sechs Monate einfach so weitermacht. Vermutlich wird gerade nach Möglichkeiten gesucht, ihr und den anderen Beteiligten das zu ersparen.
Welchen Posten übernimmt sie?
Sie wird Vorsitzende der Geschäftsführung bei DB Sicherheit, als Nachfolgerin von Ralph-Peter Hänisch. Zu diesem Gremium gehören zudem Antina Kracht (Finanzen und Controlling) und Tina Krogmann (Personal). Die Bahntochter stellt das Sicherheitspersonal in Bahnhöfen, Zügen und anderen Gebäuden des Unternehmens und hat rund 4000 Mitarbeitende.
Wie ist Zur an den neuen Job gekommen?
Vorgänger Hänisch ist 63 Jahre alt, sein Abschied galt als absehbar. Im Regelfall suchen dann so genannte Headhunter nach möglichen Nachfolgern. Dass sie dabei auf Britta Zur als frühere Polizeipräsidentin von Gelsenkirchen sowie jetzige Ordnungsdezernentin von Düsseldorf stießen, wäre nicht ungewöhnlich. Zur habe sich nicht selbst beworben, hieß es am Mittwoch.
Wie verändert sich ihr Gehalt?
Als Dezernentin in Düsseldorf wird sie nach Besoldungsstufe B7 bezahlt, das sind etwa 11.000 Euro im Monat. In Berlin wird sie deutlich mehr verdienen. Die DB Sicherheit legt die Gehälter ihrer Geschäftsführung nicht offen. Ein Gefühl für die neue Dimension gibt der Vorstand der Rheinbahn, eines Unternehmens ähnlicher Größe. Jedes Mitglied erhält mindestens 350.000 Euro pro Jahr (einschließlich der variablen Vergütung).
Wie wird ihre Nachfolge geregelt?
Das ist ein wenig kompliziert. Grundsätzlich ist die Frage im Kooperationsvertrag von CDU und Grünen geregelt. Darin heißt es, dass die FDP das Vorschlagsrecht für das Dezernat Bürgerservice und Sport hat. Dieses nutzten die Liberalen, um Britta Zur vorzuschlagen, für die beiden Aufgabengebiete wählte der Stadtrat sie im April 2022. Im Sommer des vergangenen Jahres verteilte Oberbürgermeister Stephan Keller einige Aufgabengebiete neu, Zur wurde zusätzlich Ordnungsdezernentin.
Das Vorschlagsrecht für die Nachfolge hat wieder die FDP – bei strenger Auslegung allerdings ausschließlich für Bürgerservice und Sport. Ob Stephan Keller und Schwarz-Grün die Liberalen auch über das Ordnungsdezernat bestimmen lassen, gilt als fraglich.
Wen könnte die FDP benennen?
Dezernentinnen und Dezernenten werden häufiger Mitglieder der jeweils vergebenden Partei. So leiteten zum Beispiel Christian Zaum (Wirtschaft, Recht und Gesundheit) und Miriam Koch (Kultur und Integration) früher die Geschäfte der CDU- beziehungsweise der Grünen-Fraktion. Bei der FDP steht eine solche interne Lösung nicht zu erwarten, da sie ohnehin zwei oder drei personelle Fragen klären muss.
Durch den Rückzug der hiesigen Parteivorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann und des Fraktionschefs Manfred Neuenhaus braucht sie auf jeden Fall zwei neue Spitzenkräfte. Und da die Liberalen 2025 voraussichtlich wieder einen OB-Kandidaten aufstellen, sucht sie gegebenenfalls sogar drei Leute. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die FDP wie bei Britta Zur oder zuvor Andreas Meyer-Falcke eine Person vorschlägt, die (noch) kein Parteimitglied ist.
Was bedeutet Britta Zurs Rückzug für den Oberbürgermeister?
Für Stephan Keller ist es grundsätzlich eine glückliche Fügung, er hat allerdings in jüngster Vergangenheit einen nun vergeblichen hohen Preis bezahlt. Eine glückliche Fügung ist der Wechsel nach Berlin, weil die von ihm geförderte Britta Zur es seit ihrem Amtsantritt nicht schaffte, im Rathaus zu überzeugen. Unglückliche Auftritte in Ausschüssen, bei Fraktionssitzungen und ihre ausgeprägte Präsenz auf verschiedenen Social-Media-Kanälen irritierten Verwaltung und Politik.
Da der Oberbürgermeister in dieser Legislaturperiode bereits einem Dezernenten den Rauswurf ankündigte (der dann schnell den Job wechselte), wäre ein weiterer Wechsel in der Verwaltungsspitze politisch riskant geworden. Folglich hätte Britta Zur mindestens bis zur Kommunalwahl 2025 ihr Amt behalten – mit der Gefahr, weitere Irritationen und Probleme zu verursachen. Das hat sich nun erledigt.
Der hohe Preis aber bleibt. Er ergab sich aus der Umverteilung der Ressorts im Sommer 2023. Stephan Keller schnitt damals das Ordnungsdezernat aus dem Aufgabengebiet von Christian Zaum heraus. Der Jurist hatte den Job bis dahin sehr ordentlich gemacht und erhielt die Wirtschaftsförderung als neues Aufgabengebiet. Dennoch blieb für viele der Eindruck einer Degradierung.
Britta Zur litt zu diesem Zeitpunkt schon spürbar an der geringen Größe ihrer Aufgabengebiete Bürgerservice und Sport. Die zusätzliche Aufgabe sollte sie wohl neu motivieren. Das Vorhaben misslang, unter anderem weil sie bei ihrem ersten großen Vorstoß gleich in einen massiven Konflikt mit zahlreichen Ratsfraktionen geriet (nachzulesen in der Geschichte „Kracher gesucht, Krach gefunden“).
Nach Zurs Wechsel kann der Oberbürgermeister das Ordnungsdezernat nicht an Zaum zurückgeben, ohne weiteren politischen Schaden anzurichten.
Wie reagierte die Opposition auf den Abschied der Dezernentin?
Die SPD veröffentlichte am Mittwoch zügig eine Pressemitteilung – und bewies damit, dass Tempo nur die zweitwichtigste Eigenschaft in der politischen Kommunikation ist. Noch wichtiger ist ein Gefühl dafür, wann man der Versuchung widerstehen sollte, eine vermeintliche Gelegenheit politisch nutzen zu wollen.
Aber passende Instinkte sind im Düsseldorfer Rathaus gerade offenbar nicht weit verbreitet.