Wende in der Opern-Debatte: Wehrhahn statt Hofgarten
Wenn man links neben dem Opernhaus in den Hofgarten geht, läuft man unter einem grünen Dach. Das erzeugen drei Bäume. Einer neigt sich zum Teich, der andere bleibt nah am Weg, der dritte streckt schon tief seine kräftigen Äste aus. Jeder von ihnen hat einen Stamm, vor dem ein Streichquartett locker ein Gruppenbild machen kann. Diese drei sind nach den Plänen des Hofgarten-Architekten Maximilian Weyhe gepflanzt worden und tragen daher seinen Namen. Eben diese Weyhe-Bäume scheinen nun zum Sinnbild einer Wende in der Debatte um die neue Oper zu werden.
Das Rathaus plant einen Wechsel des Standorts. Statt an der Heinrich-Heine-Allee soll das Gebäude nun auf dem Gelände des ehemaligen Kaufhofs am Wehrhahn entstehen. Das berichtete als erstes das Printmedium „Rheinische Post“. Die Stadt kann die Fläche aus der Insolvenzmasse der Signa-Gruppe kaufen und dann an diesem Ende der Innenstadt bauen.
Ein Vorteil dieser Lösung: Man spart die Kosten für eine Übergangs-Oper, nach bisherigen Schätzungen mindestens 75 Millionen Euro. Bis das neue Opernhaus fertig ist, spielt man am alten, dann noch einmal ertüchtigten Standort. Außerdem bietet der Wehrhahn so viel Platz, dass man die Clara-Schumann-Musikschule in die Planung integrieren und möglicherweise sogar den gesamten Fundus der Oper dort unterbringen kann. Diese Details stellten Oberbürgermeister Stephan Keller und der Spitzen der Ratsfraktionen von CDU, SPD und FDP am 24. Juni der Öffentlichkeit vorgestellt. Stimmt der Stadtrat diesem Plan zu, soll der Architekt:innen-Wettbewerb noch in diesem Jahr gestartet werden.
Mit Blick auf den ursprünglichen Plan hat sich der Hofgarten als Knackpunkt erwiesen. In den Vorgaben für den Standort Heinrich-Heine-Allee hieß es, die drei Weyhe-Bäume sollten „möglichst“ erhalten bleiben. „Möglichst“ bedeutete, dass ein Opern-Entwurf den Zuschlag bekommen konnte, nach dem die Bäume gefällt werden müssen. Diese spezielle Frage und die Eingriffe in den Hofgarten allgemein haben die Debatte emotional aufgeladen. Die Kosten für den Neubau, die Frage der Übergangs-Oper und die ausbaufähige Bürgerbeteiligung spielten in der Bevölkerung kaum eine Rolle. Der Park im Herzen der Stadt dagegen schon. Ein Indiz dafür ist eine Petition, die die Baumschutzgruppe Düsseldorf gestartet hat und die bis zum 23. Juni rund 15.700 Menschen im Internet unterstützt haben.
Um besser zu verstehen, was im Hofgarten passiert wäre, habe ich mich vor wenigen Tagen vor Ort mit Jürgen Fischer getroffen. Er ist Ratsherr der Grünen und war vor seiner Pensionierung und seiner Wahl in den Stadtrat Referent im Umweltdezernat. Das heißt, er betrachtet das Ganze nicht nur politisch, sondern auch mit seinem Wissen aus dem früheren Job. Die folgenden Punkte haben wir im Schatten der Weyhe-Bäume (zwei ahornblättrige Platanen und ein japanischer Schnurbaum) diskutiert:
Biomasse
Früher hat man bei Baumfällungen und -neupflanzungen in der Regel 1:1 gerechnet. Das heißt, für einen Baum, der verschwand, wurde ein neuer gesetzt. Waren es besonders große Bäume, ging man auch schon mal auf 1:2 oder 1:3.
Inzwischen betrachtet man das Ganze anders: Ein 80 Jahre alter Baum kann im Vergleich zu einem 20 Jahre alten ein Vielfaches an CO2 aufnehmen und produziert ein Vielfaches an Sauerstoff (in diesem Video veranschaulicht). Deshalb rechnet man heute mit Biomasse. Übertragen auf die drei Weyhe-Bäume bedeutet das, dass man etwa 30 Bäume bräuchte, um ihren ökologischen Wert zu ersetzen. Dafür gibt es im Hofgarten und in der Innenstadt nicht genügend Platz. Ersatzpflanzungen sind natürlich an einer anderen Stelle in Düsseldorf möglich, aber sie würden den Verlust im Zentrum nicht kompensieren.
Wurzeln
Schaut man sich an, wo sich die Stämme der Bäume befinden, scheint genügend Platz für den Neubau zu sein. Das lässt aber einen anderen Punkt außen vor. Die Wurzeln der Bäume breiten sich in etwa so aus wie deren Kronen. Wer nach oben schaut, gewinnt ein Gefühl, wie weit der Baum unter der Erde reicht. Die Baugrube würde einen guten Teil dieser Wurzeln betreffen, selbst wenn die Bäume nicht gefällt würden.
Gartendenkmal
Der Hofgarten ist aufgrund seiner Geschichte und Bedeutung für Düsseldorf besonders geschützt. Das gilt unter anderem für die Struktur des Parks. Ein Beispiel: Die Architekten des Hofgartens schufen eine durchgehende Blickachse von der Heinrich-Heine-Allee bis zur Jacobistraße. Wer neben der Oper übers Wasser schaut, sieht am anderen Ende Schloss Jägerhof (Goethe-Museum).
Die Weyhe-Bäume rahmen diese besondere Verbindung. Fielen sie weg, würde das bedeuten, dass man ein zentrales Element in der Struktur des Hofgartens berührt.
Konsequenzen für den Bau
Um die Bäume und Blick-Achse sicher zu bewahren und das umfangreiche Raumkonzept verwirklichen, müsste die neue Oper an der Heinrich-Heine-Allee deutlich in die Höhe wachsen. Das wiederum würde die Kosten merklich steigern.
Mit der überraschenden Wende könnte sich auch die politische Lage verändern. Die Mehrheitsfraktionen von CDU und Grünen sind in der Opernfrage bisher unterschiedlicher Meinung, das Ja für die Oper sicherten die Oppositionsfraktionen von SPD und FDP. Die Grünen halten einen Neubau der Oper im Moment nicht für machbar. Ein anderer Standort wird in der Partei mindestens eine neue Diskussion auslösen. Zugleich gibt es aber weitere Knackpunkte:
Kosten
Niemand kann aktuell sagen, wie viel die Stadt für das neuen Gebäude ausgeben wird. Schätzungen, die einige Jahren alt sind, gingen von mehr als 700 Millionen Euro aus. Berücksichtigt man die anschließende Inflation, kann das Projekt leicht eine Größenordnung von einer Milliarde Euro erreichen. Aber dazu fehlt eben eine konkrete Berechnung.
In den Vorgaben für den Architekt:innen-Wettbewerb war keine Obergrenze definiert. Erst, wenn der Sieger-Entwurf festgestanden hätte, hätte man auch eine Ahnung der Kosten bekommen.
Bürgerbeteiligung
In den vergangenen Monaten und Jahren konnten Düsseldorferinnen und Düsseldorfer verschiedene Formate besuchen, dort Fragen stellen und ihre Meinung zur Oper äußern. Diese Möglichkeit hat eine kleine Zahl von Menschen wahrgenommen. Das heißt: Niemand weiß, wie die Stadtgesellschaft zum Projekt steht, ob eine Mehrheit die Pläne befürwortet oder ablehnt.
Die Linke hat vorgeschlagen, einen Bürgerentscheid zur Oper durchzuführen. Anders als beim Bürgerbegehren, muss dafür nicht eine Mindestzahl von Unterschriften zusammenkommen (15.000). Vielmehr bestimmt der Stadtrat, dass er die Bürgerinnen und Bürger zu seiner Entscheidung befragen möchte. Dafür gäbe es unter organisatorischen Gesichtspunkten zwei mögliche Termine: die Kommunal- und die Bundestagswahl im September 2025.