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Der wenig präsente Polizeipräsident

Vor wenigen Tagen hat Oberbürgermeister Stephan Keller ein neues Sicherheitskonzept für die Altstadt vorgestellt. Um dem Ganzen mehr Gewicht zu geben, hätte Polizeichef Norbert Wesseler dabei sein müssen. War er aber nicht.

Veröffentlicht am 22. Oktober 2021
Norbert Wesseler
Polizeipräsident Norbert Wesseler vor dem Präsidium am Jürgensplatz. Foto: Andreas Endermann

Den vorerst letzten öffentlichen Auftritt hatte Norbert Wesseler (61) vor wenigen Wochen. Da präsentierte er in besonders schwierigen Bereichen der Altstadt ein paar neue Überwachungskameras. Die dokumentieren das Geschehen auf den Straßen, und die Bilder werden von Experten in der Inspektion Mitte beobachtet. Sobald eine Lage zu eskalieren droht, schicken sie Einsatzkräfte los. Das ist zuletzt immer häufiger der Fall gewesen: Nachdem Corona das Partyvolk über Monate eingesperrt hatte, war die Lust am Feiern umso größer. Leider auch die am Krawall. Die Altstadt erlebte in manchen Nächten eine so früher nie gekannte Intensität von Gewalt und Aggression. Polizisten wurden attackiert und Rettungskräfte sowie Feuerwehrleute. Also reagierte man nun und erdachte neue Konzepte. Der Tod eines 19-Jährigen vor drei Tagen, der kurz zuvor bei einer Schlägerei schwer verletzt worden war, verdeutlichte drastisch die Dringlichkeit des Themas.

Wie die Polizei die aktuelle Lage einschätzt, zeigt dieses Statement, um das ich sie gebeten hatte: „Natürlich kann durch die Berichterstattung ein negatives Bild in der Öffentlichkeit entstehen. Dieses ist oftmals nicht durch Zahlen und Fakten zu belegen, sondern wird auch von Emotionen getragen. Das Bild in der Altstadt hat sich, verstärkt durch die geschlossenen Gaststätten in Zeiten von Corona, insbesondere in den Nachtstunden geändert. Junge Menschen halten sich mehr im Freien auf und versorgen sich mit selbst mitgebrachten alkoholischen Getränken und Musik. Aus diesen Gruppen und innerhalb dieser Gruppen entsteht dann häufig störendes Verhalten, wie ruhestörender Lärm, Wildpinkeln bis hin zu der Begehung von Straftaten.“

Das, was da beschrieben wird, hat das Rathaus dazu gebracht, sich über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen Gedanken zu machen. Dieses Konzept hat Oberbürgermeister Stephan Keller vor wenigen Tagen präsentiert. Aber Norbert Wesseler, der oberste Polizist der Stadt. war nicht dabei. Was die Frage aufwarf: Inwieweit haben er oder seine Behörde sich an der Ausarbeitung der neuen Vorschläge beteiligt? Man sei auf der Arbeitsebene im dauernden Austausch mit der Stadt, sagte dazu der Chef der Polizeiinspektion Mitte, Thorsten Fleiß. Die vorgestellten Punkte seien jedoch hauptsächlich im Zuständigkeitsbereich der Kommune gewesen.

Das ändert aber nichts daran, dass seit Monaten Wesseler und seine Zukunft im Amt das Thema vertraulicher Gespräche auf verschiedenen politischen Ebenen ist. Der Vorwurf: Als Polizeichef der Landeshauptstadt erwarte man mehr Präsenz, und einen offensiveren, lösungsorientierten Umgang mit den konkreten Problemen.

Wie Wesseler wurde, was er heute ist

Zuständig für die Bestellung der NRW-Polizeipräsidenten ist der jeweilige Innenminister. Die Person beruft die Beamten, meist Juristen, auf unbestimmte Zeit. Und kann sie auch jederzeit wieder abberufen. Als Wesseler 2014 antrat, hieß der Innenminister Ralf Jäger – und gehörte, wie Wesseler, zu den Sozialdemokraten. Die beiden, heißt es im Polizeipräsidium, kennen sich lange, waren vertraut miteinander, und es galt als sicher, dass Jäger seinen Genossen aus Vreden (Münsterland) alsbald auf eine interessante Position im Ministerium hieven würde. Nicht zuletzt, weil Wesseler vorher Büroleiter beim Minister vor Jäger, Fritz Behrens (SPD), gewesen und daher im Ministerium bestens vernetzt war. Dann jedoch, im Jahr 2017, kam die Landtagswahl, und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) verlor gegen Armin Laschet (CDU). Der setzte den EU-Politiker Herbert Reul (CDU) auf den Stuhl des Innenministers, und mit dem Weggang Jägers musste Wesseler seine Karrierepläne Richtung Ministerium beerdigen.

Will Wesseler zurück in seine Heimat?

In den folgenden Jahren versuchte er erneut, auf kommunaler Ebene weiter und zurück in die Heimat zu kommen. Insgesamt vier Mal kandidierte er in seiner Heimatstadt Vreden (23.000 Einwohner) für das Amt des Bürgermeisters, und jedes Mal scheiterte er in dieser tiefschwarzen Region am CDU-Kandidaten. Aber selbst als der zuletzt nicht mehr antrat, sondern einem Parteifreund die Kandidatur überließ, hatte Wesseler keine Chance. Aus dem Umfeld Wesselers ist zu hören, er hadere keineswegs mit Düsseldorf, sondern sehe seine Kandidatur bei der Wahl als wichtigen Beweis seines Engagements für seine Heimatstadt. Eine echte Chance habe er ja nie gehabt. Ob man ihm das abnimmt?

In der Behörde am Jürgensplatz und bei den städtischen Politikern wurde das zwar mit Verständnis, aber auch mit Verwunderung registriert. Die Botschaft des Chefs an die Truppe und die Stadt wurde so interpretiert: Sobald ich etwas Besseres finde, bin ich weg. Das passt zur Einschätzung, dass der im Münsterland tief verwurzelte Wesseler sich in Düsseldorf nie heimisch fühlte. In der Woche übernachtete er in einer kleinen Wohnung in Eller, am Wochenende ging es zurück in die Heimat. Auch der Versuch, immerhin in die Nähe der heimischen Scholle zu kommen, misslang: Den angeblich anvisierten Job des Polizeipräsidenten in Münsters bekam Wesseler ebenfalls nicht.

Das schwierige Verhältnis des Polizeichefs zum Rathaus

Hinzu kommt, dass Wesseler bei öffentlichen Auftritten bisweilen abwesend und müde wirkte, in Gesprächen schien er schlecht vorbereitet. Der Mann sei krank gewesen, hieß es offiziell, aber inzwischen wieder fit. Dem widersprechen allerdings Politiker, die zuletzt mit ihm zu tun hatten.

In Regierungskreisen kursiert das Gerücht, auch Reul würde den Chef einer der größten Polizeibehörde des Landes (über 2200 Frauen und Männer arbeiten dort) gern ablösen, suche aber nach einer gesichtswahrenden Lösung. Die allerdings kompliziert ist, weil die beamtenrechtlich passenden Stellen für Leute dieser Position rar sind.

Dass die Politik im Rathaus angesichts der Sicherheitslage in der Stadt an einem tatkräftigeren Polizeichef interessiert wäre, ist kein Geheimnis. Hinzu kommen politische Differenzen zwischen der CDU-Fraktion mit ihrem Oberbürgermeister Stephan Keller und dem SPD-Mann im Polizeipräsidium. Kurz seinem Amtsantritt habe der Rathauschef den Polizeipräsidenten regelrecht in sein Büro „einbestellt“, weil er mit der Sicherheitslage vor allem in der Altstadt nicht zufrieden war. Das Gespräch, so Insider, soll sehr deutlich gewesen sein.

Auch auf Bundes- und Landesebene gibt es die Forderung an Innenminister Herbert Reul, Wesseler abzulösen. Angesichts der politischen Großwetterlage im Bund und im Land wurde der Druck auf Reul zuletzt sogar erhöht. Kommt es bei NRW-Landtagswahl im Mai nämlich zu einem Regierungswechsel in Richtung Rot-Grün, müsste Düsseldorfs Stadtspitze damit rechnen, entweder gar keine Entscheidung in dieser Personalie oder eine nicht genehme zu bekommen.


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