Die Grünen und die dunkle Seite der Macht

Am Ende der Ratssitzung am 2. Juni entsteht ein Bild, bei dem am spannendsten ist, wer nicht darauf zu sehen ist. Einige Ratsfrauen lassen sich fotografieren, weil sie gemeinsam für die kostenlose Ausgabe von Menstruationsartikeln in öffentlichen Gebäuden gekämpft haben. Mit dabei: Politiker*innen aus den Fraktionen von SPD/Volt, der Linken und Die Partei/Klima. Nicht mit dabei: Vertreter*innen der Grünen. Und das, obwohl dieser Antrag aus einem ur-grünen Themenfeld, der Gleichstellung, stammt. In der dazugehörigen Debatte erklären gleich mehrere Grüne, warum sie dem Antrag, ein Konzept für die kostenlose Ausgabe zu erarbeiten, an dieser Stelle nicht zustimmen. Man habe inhaltlich gar nichts zu meckern, müsse aber Formales beachten, heißt es zunächst. Die Fraktionsvorsitzende Angela Hebeler wird dann noch grundlegender. CDU und Grüne hätten in ihrem Kooperationsvertrag Schritte zu diesem Thema unter dem Punkt &bdquo;Frauenarmut“ vereinbart. Natürlich könnten andere Fraktion jetzt hingehen und das Thema auf die Tagesordnung setzen. &bdquo;Aber wir von CDU und Grünen entscheiden dann, wie wir mit diesem Vorstoß umgehen“, sagt sie. Die Grüko stimmt schließlich nicht zu, sondern schiebt den Vorschlag in einen Ausschuss. Spätestens damit ist klar: Es hat sich etwas verändert im ersten Jahr des neuen Düsseldorfer Stadtrats. Es gibt dort eine Reihe von Fraktionen, die politisch links der Mitte einzuordnen sind. Und die Grünen gehören nicht mehr dazu. Sie sind Teil der Mehrheit, Teil der Macht – und nehmen dafür auch deren dunkle Seite in Kauf. Das zeigt sich vor allem in den folgenden drei Formen: 1. Strategie vor Inhalt Die Grünen haben von 2014 bis zum Herbst 2020 gemeinsam mit SPD und FDP regiert, inzwischen bilden sie mit der CDU eine Mehrheit. Sie mussten sich also auf drei unterschiedliche Partner einstellen und reichlich Kompromissfähigkeit mitbringen. Sie präsentieren sich dabei als höchst verlässliche Partner, Vorwürfe, an ihnen sei ein Vorhaben gescheitert, wollen sie sich ganz offensichtlich nicht einhandeln. Das führt zu überraschenden Abstimmungen wie bei den Menstruationsartikeln und bitteren Resultaten für Vorschläge, die eigentlich zu den Inhalten der Grünen zählen würden. Mal prüfen, was kostenloser ÖPNV die Stadt kosten würde – &bdquo;brauchen wir nicht“. Mehr als 100 Ideen der Opposition zum städtischen Haushalt – mit einer Ausnahme alle abgelehnt. Umweltspuren für Düsseldorf – im Verkehrsausschuss abgeschafft und durch eine Neuregelung mit Pförtnerampel ersetzt. Das birgt die Gefahr, von den Wähler*innen bestraft zu werden. Wenn die Grünen mit Rücksicht auf ihre politischen Partner*innen bisherige Forderungen reduzieren oder aufgeben, werden Anhänger*innen sich neue Parteien suchen. Die Erfolge der Klimaliste deuten bereits in diese Richtung. Und die Erfahrungen, die die SPD mit der Linken gemacht haben, ist ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit für eine solche Entwicklung. 2. Erkennbares Interesse an guten Jobs Viele Grüne haben in der Politik nicht nur Berufung, sondern auch Beruf gefunden. Wer die Lebensläufe der Politiker*innen durchliest, stößt regelmäßig auf Formulierungen wie Mitarbeiterin oder Mitarbeiter im Büro des/der Abgeordneten XY oder wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fraktion im Bundes- oder Landtag. In jüngster Zeit hat sich dieses Interesse verändert. Es geht nicht mehr nur um die Jobs im Hintergrund des politischen Betriebs, sondern auch um die Versorgung mit Spitzenposten. Im Vertrag der Kooperation von CDU und Grünen steht explizit, dass nach dem Abschied von Kulturdezernent Hans-Georg Lohe 2022 die Grünen das Vorschlagsrecht für diesen Beigeordneten-Posten haben. Der neue Ressortzuschnitt legt allerdings den Schluss nahe, dass die Grünen nicht lange suchen wollen. Kultur wird mit Integration kombiniert. Das gilt als deutlicher Hinweis, dass die Leiterin des Amtes für Migration und Integration, die frühere OB-Kandidatin der Grünen, Miriam Koch, Beigeordnete werden soll. Ähnlich sieht das bei anderen Posten aus. Clara Gerlach, aktuell ehrenamtliche Bürgermeisterin der Grünen, wird als neue Leiterin des Kulturamts diskutiert. Und auch bei der Ausschreibung der neuen Antidiskriminierungsbeauftragten der Stadt sollen verdiente Grüne mindestens im Rennen gewesen sein. 3. Erfahrung vor Frische Zu den Stärken der Grünen zählte einmal, in Partei und Fraktion regelmäßigen Wechsel zu realisieren und sich so immer wieder mit frischen Ideen zu versorgen. Auf den ersten Blick scheint das den Düsseldorfer Grünen auch dieses Mal gelungen zu sein. Auf den Kandidat*innen-Listen bei der Kommunalwahl standen einige Vertreter*innen der Klimaschutzbewegung, die die Grünen bei sich integrierten. Mehrere dieser jungen Politiker*innen schafften den Sprung in den Stadtrat, erhielten wichtige Aufgaben in Ausschüssen und sind häufig am Rednerpult. Auf der anderen Seite aber zeigt sich auch ein gewisses Beharrungsvermögen. Monika Düker sitzt seit mittlerweile 21 Jahren für die Grünen im Landtag, Stefan Engstfeld mit kurzer Unterbrechung seit elf Jahren – beide könnten diese Zeiten bei der Landtagswahl 2022 um weitere fünf Jahre verlängern. Angela Hebeler und Norbert Czerwinski gehören dem Stadtrat beide seit 17 Jahren an. Sollten sie bis zum Ende der Legislaturperiode Sprecherin und Sprecher der Fraktion bleiben, wären das dann auch jeweils elf Jahre. Fazit Die Grünen haben bisher erfolgreich ihr Ergrauen verhindert. Nun droht ihnen aber das Erstarren. Zu viele zu unterschiedliche Kompromisse, berufliche Abhängigkeit von der Politik, fehlende Wechsel in Ämtern und Mandaten – das alles könnte sich noch verschärfen, wenn die Grünen ab September auch im Bund oder im nächsten Frühsommer in NRW mitregieren. Die Grünen bräuchten einen neuen Ansatz: Strategie für Inhalt statt vor Inhalt.

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