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Die Kämmerin und ihr Vertrauens-Guthaben

Dorothée Schneider legt dem Stadtrat eine 400-Millionen-Euro-Entscheidung vor. Sie hat eine klare Vorstellung, wie das Gremium entscheiden soll, und könnte sich damit ohne große Debatte durchsetzen. Ein solches Vorgehen hatte zuletzt bei der Grundsteuer spürbare Folgen.
Veröffentlicht am 28. Januar 2025
Düsseldorfs Kämmerin Dorothée Schneider

Anders als viele Menschen betrachtet Düsseldorfs Kämmerin Dorothée Schneider Montage mit Sympathie. An Montagen treffen sich die Fraktionen des Stadtrats zu ihren Sitzungen. Stehen wichtige Finanzthemen an, bitten die politischen Gruppierungen Dorothée Schneider dazu. Für die Kämmerin ist das eine gute Gelegenheit, ihre Position und die dazugehörigen Argumente zu präsentieren. Das wirkt offensichtlich, denn in den öffentlichen Sitzungen finden in der Regel keine Debatten zu dem jeweiligen Thema mehr statt.

Das nächste Beispiel in dieser Reihe erwarte ich für Anfang Februar. Dann geht es um eine Frage, die ich in der Geschichte „Düsseldorfs unsichtbare Lasten“ vergangenes Jahr angesprochen habe: Wie geht Düsseldorf mit der Bilanzierungshilfe aus der Zeit der Pandemie und des Ausbruchs des Ukrainekriegs um? Darüber entscheidet der Stadtrat am 6. Februar.

Worum geht es bei der Bilanzierungshilfe?

Das Land NRW hatte seinen Kommunen in den beiden Krisen ermöglicht, eine Art Sonderhaushalt zu führen. Kosten, die durch Corona oder den Ukrainekrieg verursacht wurden, konnten aus dem normalen städtischen Etat ausgebucht werden. Der Hintergedanke: Das Land verhinderte, dass ein Großteil der Städte in die Haushaltssicherung rutschte – nicht durch Geld, sondern einen Buchungstrick.

In Düsseldorf sind so rund 400 Millionen Euro aufgelaufen. Die Rechnungen sind bezahlt, aber eben bisher in einem gesonderten Etat geführt. 2026 muss jede Kommune in NRW eine Lösung finden, wie sie mit ihrem Betrag umgeht. Die meisten Städte werden das über einen langen Zeitraum (bis zu 50 Jahre) in Raten in ihren regulären Haushalt stellen. Die Alternative ist, die Gesamtsumme gegen die Allgemeine Rücklage zu buchen. Das ist der größte Teil des Eigenkapitals einer Stadt und hat in Düsseldorf einen Umfang von rund 7,5 Milliarden Euro.

Kämmerin Dorothée Schneider schlägt diesen zweiten Weg vor. In der Vorlage für die Entscheidung schreibt sie, warum:

  • Das ist zunächst die Höhe der Ausgleichsrücklage. Bei rund 7,5 Milliarden Euro bedeuten 400 Millionen Euro ein Schrumpfen um etwas mehr als fünf Prozent.
  • Wenn man den Betrag jetzt vollständig ausbucht, wird der reguläre Etat (in diesem Fall Ergebnisplan und -rechnungen) nicht berührt. Das bedeutet auch, dass man in schlechten Zeiten nicht in die Gefahr kommt, Geld vom Sparbuch der Stadt nehmen zu müssen, um die Rate für die Bilanzierungshilfe zu bezahlen.
  • Ein weiterer Aspekt ist die Generationengerechtigkeit. Die Summe ist durch die Krisen der Jahre 2020 bis 2023 entstanden und würde bei einer langfristigen Abschreibung auch Menschen betreffen, die heute noch nicht geboren sind.

Argumente für die andere Position nennt die Kämmerin in der Vorlage nicht. Es spricht aber zum Beispiel auch etwas dafür, die Allgemeine Rücklage als letztes finanzielles Polster einer Stadt in größtmöglicher Höhe zu bewahren. Es kann ebenso sein, dass kleine Raten im städtischen Etat weniger ins Gewicht fallen, wenn man die Inflation mitrechnet. Und das Ganze muss nicht über 50 Jahre erfolgen. Man kann auch einen Zeitraum wählen, der die Generationsgerechtigkeit berücksichtigt.

Genau deshalb ist das aus meiner Sicht die Stelle, an der eine öffentliche Debatte ansetzen sollte. Nach der Erfahrung bei der Grundsteuer-Regelung im Dezember fürchte ich allerdings, dass der Stadtrat der Kämmerin erneut stumm folgt.

Inwiefern ist die mit dem Vorgehen bei der Grundsteuer vergleichbar?

Damals ging es um die Entscheidung, ob die Stadt bei der Grundsteuer B einen einheitlichen oder einen gesplitteten Hebesatz wählt. In anderen Kommunen war dies ein eigener Tagesordnungspunkt im Stadtrat, in dem die Vorzüge und Nachteile beider Lösungen erörtert wurden. In Düsseldorf lief es anders. Hier war die Entscheidung über die Variante Teil der Entscheidung über den kompletten städtischen Haushalt. Der einheitliche Hebesatz stand am Anfang des großen Zahlenwerks, CDU und Grüne verabschiedeten ihn mit ihren Stimmen für den Gesamtplan einfach mit.

Die Folgen dokumentieren die Kollegen der „Rheinischen Post“ mit großem Engagement. Danach sind nun viele Immobilieneigentümer überrascht über ihren Bescheid. Das geht so weit, dass der Interessenverband „Haus & Grund“ Sonderschichten fahren muss, um allen Beratungs-Anfragen gerecht zu werden. Die Betroffenen können auch nur überrascht sein, da sie selbst bei größter Leidenschaft für Kommunalfinanzen keine öffentliche Debatte wahrnehmen konnten.

Ich hatte im Vorfeld der Haushaltssitzung des Stadtrats Vertreter:innen verschiedener Fraktionen gefragt, ob sie das Thema nicht zu einem eigenen Tagesordnungspunkt machen wollen. Auf größere Begeisterung stieß die Frage nicht. Auch hier geht es nicht darum, dass das Ergebnis falsch ist, sondern darum, dass in der Öffentlichkeit nicht diskutiert wurde. Die Stadt und/oder die Ratsmehrheit hätte zum Beispiele erklären können, dass der einheitliche Grundsteuersatz gewerbe-freundlicher ist und dass man sich zugunsten der Unternehmen und des Standorts so entschieden hat.

Warum verhalten die Politikerinnen und Politiker sich so?

  1. Zunächst einmal sind Kommunalfinanzen ein Thema für Freunde des Details. Die Zahl der Expertinnen und Experten ist in allen Fraktionen klein. Alle diskutieren mit Blick auf den Etat gerne, für welche Zwecke man noch Geld ausgeben könnte und wo man mal streichen müsste. Aber in die tieferen Tiefen dringt kaum jemand vor. Und wenn, sind es meist diejenigen, die Themen nicht in wenigen Sätzen wiedergeben und die deshalb nicht so viel oder solange Gehör finden.
  2. Hinzu kommt, dass Dorothée Schneider eine hochseriöse Kämmerin ist, der man einen Gebrauchtwagen auch dann noch bedenkenlos abkaufen würde, wenn sich unter der Ölwanne schon eine dunkle Pfütze bildet. Das macht das Vertrauen leicht, das spielt bei den Düsseldorfer Grünen eine wichtige Rolle.
  3. Die CDU wird die Kämmerin nicht in Frage stellen, solange sie im Sinne des Oberbürgermeisters agiert. Dessen Hang zu besonders rechtssicheren Regelungen (einheitlicher Hebesatz) und Lösungen, die keine Zusatzlasten im sichtbaren Haushalt mit sich bringen, berücksichtigt sie umfassend.
  4. Die SPD als größte Oppositionsfraktion im Stadtrat wäre grundsätzlich für eine kritischere Begleitung gefordert. Allerdings ist Dorothée Schneider auf Ticket der SPD unter Oberbürgermeister Thomas Geisel ins Amt gekommen.
  5. Die FDP hat mehr Leidenschaft für Finanzfragen, mit acht Ratsleuten aber wenig Einfluss.

Fazit
Diese Analyse ist keine Kritik an den Positionen der Kämmerin, sondern an den fehlenden Debatten zu gravierenden Finanzfragen. Es verdeutlicht, dass es dazu wenig Kompetenz im Stadtrat gibt – und verstärkt mindestens meine Sorgen angesichts der Risiken, denen der Haushalt in nächster Zeit ausgesetzt ist.


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