Die kleine Bundestagswahl

Klarer Wahlsieger SPD, deutliche Niederlage CDU. Eindeutiger Wahlsieger CDU, herbe Stimmverluste SPD. So unterschiedlich fielen die Ergebnisse der ersten beiden Landtagswahlen dieses Jahres aus. Das machte vor allem eines deutlich: Die Resultate im Saarland und in Schleswig-Holstein waren stark von regionalen Bedingungen abhängig. Der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai wird dagegen ein anderer sein. Er wird viel über die Stimmung in der Republik aussagen und die nähere Zukunft der Parteien. Dass NRW so repräsentativ ist und hier eine kleine Bundestagswahl stattfindet, hat mehrere Gründe: 1. Die schiere Größe: 17,9 Millionen Einwohner, also ein Fünftel aller Deutschen. 2. Die bunte Mischung: NRW hat viele Großstädte (wohlhabende und finanzschwache), ist in vielen Teilen aber auch ländlich geprägt, das heißt die meisten Wählergruppen sind nennenswert vertreten. 3. Das Fehlen eigener Themen und Aspekte: Das Ergebnis der NRW-Wahl 2017 war stark von der Schulpolitik der bis dahin amtierenden rot-grünen Landesregierung geprägt. Vergleichbar dominante Themen fehlen dieses Mal. Auch die Spitzenkandidat:innen polarisieren nicht in einem besonderen Maße. Folglich entspricht die Stimmabgabe stark den grundsätzlichen Präferenzen der Wähler:innen. Das Ergebnis vom 15. Mai bringt folgende Lehren für die Parteien in Berlin mit sich: CDU: Stärker bedeutet nicht zwingend mächtigerDie jüngsten Umfragen vor der Wahl sagen einen kleinen Vorsprung der Christdemokraten voraus. Der Abstand zur SPD liegt wie auf Bundesebene bei etwa zwei Prozentpunkten. Die CDU hat sich also vom Laschet-Schock erholt, erreicht wieder mehr Wähler:innen und könnte erneut stärkste Kraft werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie auch erneut den Ministerpräsidenten stellt. Für das bisherige Bündnis von Schwarz und Gelb ist in den Umfragen keine Mehrheit in Sicht. Wenn Hendrik Wüst und seine Partei in Regierungsverantwortung bleiben möchten, wird dies voraussichtlich nur mit den Grünen möglich sein. Da die wiederum voraussichtlich auch mit der SPD koalieren können, muss die CDU einen hohen Preis bezahlen – oder in die Opposition. SPD: Die Zeit der Sanktionen beginntIn der Politikwissenschaft gilt ein Verhalten der Wähler:innen als typisch. Je näher man der Mitte einer Legislaturperiode auf Bundesebene kommt, desto eher neigen die Bürger:innen auf Landesebene dazu, die Partei zu &bdquo;bestrafen“, die in Berlin regiert. Das deutete sich bei der SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn des Jahres an, als seine Zustimmungswerte sanken. Der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hat diesen Trend vorübergehend gestoppt, inzwischen geht es für die Sozialdemokraten aber in kleinen Schritten erneut abwärts. Folglich gibt es in NRW schon seit einigen Wochen keine Umfrage mehr, die die SPD vorn sieht. Grüne: Schon wieder AufschwungDie Grünen haben in den vergangenen Jahren schubweise zugelegt, zum Beispiel mit einem Erfolg bei der Europawahl 2019 oder bei hohen Umfragewerten im Frühjahr 2021. Das Resultat der Bundestagswahl im September war da schon beinah ernüchternd, mit Blick auf die langfristige Entwicklung offenbar aber nur ein vorübergehendes Phänomen. Die schwache Kampagne von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bremste die Euphorie. Die nun offenbar von anderen Menschen beratene Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck gelten als beliebteste Politiker:innen des Landes und sorgen für einen neuen Aufschwung. Daher zeichnet sich in NRW ein Ergebnis ab, das bestätigt, dass das Wähler:innen-Potential der Grünen inzwischen nahe der 20 Prozent liegt. FDP: Gebraucht als DritterDie Regierungsarbeit der Liberalen wird als ordentlich wahrgenommen – das gilt für Bund und Land gleichermaßen. Im Vergleich mit früheren Wahlergebnissen rutscht die FDP dennoch leicht ab und braucht günstige Umstände, um weiter Minister:innen stellen zu können. Das bedeutet im Moment vor allem eines: Wahlergebnisse, die ein Dreierbündnis erforderlich machen. Im Bund war dies der Fall, nach den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz 2021 ebenfalls. In NRW wird es voraussichtlich aber mindestens für ein Zweierbündnis reichen (Schwarz-Grün oder Rot-Grün). Die Verbreiterung des Parteiensystems und die relative Stärke der Grünen machen den Liberalen das Leben schwerer. Linke: Nach dem Anfang vom EndeDie Linke wird in NRW voraussichtlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Damit bestätigt sich im bevölkerungsreichsten Bundesland ein Trend, der auch in weiten Teilen der Republik immer deutlicher wird: Die Linke findet kein neues Thema, das Wähler:innen mobilisiert. Sie kann in ostdeutschen Parlamenten noch eine wichtige Rolle spielen, in den übrigen Bundesländern und auch mit Blick auf den Bundestag steht sie wohl sie am Anfang vom Ende – oder ist sogar schon einen Schritt weiter.

Die kleine Bundestagswahl

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