Dringend gesucht: Ein präsenter Polizeipräsident
Das Verhältnis zwischen Oberbürgermeister Stephan Keller und Polizeipräsident Norbert Wesseler war im Prinzip nie gut. Schon kurz nach Kellers Wahl 2020 kam es zu ersten Streitereien, weil der Oberbürgermeister Polizeieinsätze in der Altstadt als misslungen einschätzte. Als es im Herbst 2021 zu mehreren Gewalttaten mit einem Todesopfer in der Altstadt kam, wurde Keller in einem Interview gefragt: „Kritiker werfen dem Polizeipräsidenten zu wenig Präsenz vor. Sehen Sie das auch so?“ Seine Antwort: „Ich habe dafür gesorgt, dass in der Stadtverwaltung ganz klar ist: Es gibt kein Thema, das mich in Düsseldorf so umtreibt wie die Altstadt. Ich würde mich freuen, wenn die Sicherheit dieser Stadt auch für den Polizeipräsidenten ein Herzensanliegen wäre.“
Seitdem scheint sich an Kellers Einschätzung nichts geändert zu haben. Bei einer Podiumsdiskussion der Düsseldorfer Jonges vorige Woche zur Sicherheit in der Altstadt sagte Keller, man werde von ihm sicher nie den Satz hören, „mehr Sicherheit sei nicht möglich“. Er spielte damit auf ein Interview mit Wesseler in der Rheinischen Post von Januar 2022 an, in dem der die Sicherheitslage relativiert und gesagt hatte, bestimmte Dinge müsse man hinnehmen. Diese Aussagen des obersten Polizisten Düsseldorfs hatten in weiten Teilen der Politik Empörung oder Unverständnis verursacht.
In der Diskussionen bei den Jonges verschärfte Keller seine Vorwürfe: „Ich mache mir jedes Wochenende Sorgen um die Altstadt. Das treibt mich wirklich um. Und das erwarte ich eigentlich auch von einem Polizeipräsidenten. Ich habe meine Zweifel, dass wir da denjenigen haben, der das so lebt.“ Er habe Zweifel am „emotionalen commitment für diese Stadt und die Themen, die hier zu bearbeiten sind.“ Für den jetzt beginnenden Frühling fürchtet man eine erneute Eskalation, vor allem am Rheinufer zwischen Burgplatz und Kniebrücke.
Woran genau macht Keller seine Kritik fest?
Offenbar erwartet der Rathaus-Chef vom Polizeipräsidenten ein klares persönliches Engagement in der Frage der Altstadt-Sicherheit. Seine jüngste Kritik dürfte auch Folge des Karnevals-Wochenendes gewesen sein, an dem es in der Altstadt eine Fülle von Gewalttaten, auch gegen Polizisten, gegeben hatte. Die Polizei selbst hatte diese Übergriffe und Respektlosigkeiten in einer Pressemitteilung dokumentiert. Wesseler hatte zuletzt regelrecht resignierend auf die seit Monaten wachsende Problematik in der Altstadt reagiert, dies gipfelte in der Aussage „Das muss man hinnehmen“. Die Polizei sieht er am Ende ihrer Möglichkeiten, mehr könne man nicht tun. Kellers Meinung ist offenbar eine andere.
Hat Keller die Polizei an sich im Visier?
Das hat er in der Jonges-Diskussion ausdrücklich verneint. Seine Kritik richtet sich gegen den Polizeipräsidenten, nicht gegen die Beamten der Polizeiinspektion Mitte an der Heinrich-Heine-Allee unter der Leitung von Thorsten Fleiß. Deren Einsatz vor allem an den Wochenenden wird als engagiert und die Kooperation mit den Kräften des städtischen Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) als gut beschrieben – man kennt sich und arbeitet konstruktiv zusammen. Allerdings wünscht sich die Polizei längere Einsatzzeit des OSD. Diese endet um 1 Uhr, und ab da ist die Polizei allein verantwortlich, sowohl für die zu dieser Zeit steigende Zahl von Straftaten als auch für Beschwerden über Ruhestörungen oder Wildpinkler.
Warum ist Wesseler so zurückhaltend?
Das ist unklar. In Gesprächen hat der 62-Jährige mehrfach angedeutet, er halte die Polizeipräsenz für ausreichend. Womöglich denkt er auch, die Polizei sei für die Lösung des Sicherheitsproblems nicht zuständig. Was sogar korrekt ist, denn ihre Aufgabe ist es, die Folgen zu bekämpfen, im Rahmen ihrer per Gesetz vorgegebenen Verpflichtungen jede Form von Verstößen gegen geltendes Recht zu unterbinden. Das jedoch beseitigt nicht die Ursachen. Es halten sich zudem hartnäckig Gerüchte, Wesseler sei gesundheitlich angeschlagen.
Was könnten die Konsequenzen sein?
Polizeipräsidenten ernennt und entlässt der Landesinnenminister, Herbert Reul (CDU). Dazu gab es in jüngster Zeit ein aufsehenerregendes Beispiel: Rainer Furth war im Februar 2020 vom Polizeipräsidenten in Krefeld zum Polizeipräsidenten in Münster befördert – und nach nur sechs Monaten im Amt in den Ruhestand versetzt worden. „Der Minister hat nicht mehr das für diese besonders verantwortungsvolle Funktion erforderliche Vertrauen in die Amtsführung des Polizeipräsidenten“, hieß es in jenem Fall. Wie Reul die Aussagen Wesselers bewertet und ob Kellers jüngste Kritik Zeichen für einen bald anstehenden Wechsel im Düsseldorfer Präsidium sind, werden die nächsten Wochen zeigen.
Wer käme als Nachfolger für Wesseler ist Frage?
Im Prinzip kann Innenminister Reul jeden auswählen, dem er und seine Experten das Amt zutrauen. Oft sind Polizeipräsidenten Juristen, aber das ist keine Bedingung. Als Kandidaten kommen die Polizeipräsidenten anderer NRW-Städte in Frage, eine Rotation ist bei diesem Amt nicht ungewöhnlich. Norbert Wesseler war vor seiner Düsseldorfer Zeit Polizeipräsident in Dortmund. Zudem sind Kandidaten aus der zweiten oder dritten Ebene denkbar. Das Amt ist außerdem manchmal parteipolitisch geprägt: Wesseler ist SPD-Mitglied und kam auf diesem Parteiticket 2014 ins Amt, noch unter der damaligen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihrem Innenminister Ralf Jäger. In dessen Büro hatte Wesseler gearbeitet, so wie bereits im engeren Umfeld von dessen Vorgängern Franz-Josef Kniola und Fritz Behrens.
Wie ist die derzeitige Personallage in vergleichbaren NRW-Polizeipräsidien?
Köln: Dort ist Uwe Jacob Ende Januar aus seinem Amt ausgeschieden. Ein Nachfolger wurde noch nicht benannt, dürfte aber bereits feststehen. Die Leitende Regierungsdirektorin Miriam Brauns übernahm die Amtsgeschäfte als Behördenleiterin in Vertretung.
Dortmund: Gregor Lange (59) arbeitet sei 2014 an der Spitze der dortigen Behörde. Ein Wechsel wäre denkbar, aber im Grunde ist Lange zu alt und wird vermutlich bis zu seiner Pensionierung in Dortmund bleiben.
Essen: Die Stadt teilt sich die Polizeiführung mit Mülheim an der Ruhr. Frank Richter ist dort seit 2015 im Amt. Der 62-Jährige käme zwar aufgrund seiner Erfahrungen für Düsseldorf in Frage, ist aber ebenfalls zu knapp vor der Pensionsgrenze.
Gelsenkirchen: Seit etwas mehr als zwei Jahren leitet die Düsseldorferin Britta Zur (40) die dortige Polizeibehörde. Die Juristin war zuvor mehr als zehn Jahre Staatsanwältin in Düsseldorf und dort zuletzt auch zuständig für die Kommunikation mit den Medien. Nach wie vor lebt sie mit ihrer Familie in der NRW-Landeshauptstadt. Britta Zur ist Wunschkandidatin mehrerer Politiker verschiedener Parteien. Aufgrund ihrer Arbeit im Justizzentrum in Oberbilk ist sie in Düsseldorf gut vernetzt und war Gast bei verschiedenen Veranstaltungen.