Düsseldorf diskutiert über Gaslaternen in Zeiten der Energiekrise

Unsere Leser:innen haben uns zahlreiche Mails zu unserer Geschichte des Tages vom 29. Juli geschickt. Die einen verteidigen den Erhalt von rund 10.000 Gaslaternen auch in jetzigen Zeiten. Für andere haben sich die Bedingungen so verändert, dass sie eine Umrüstung auf LED befürworten.
Veröffentlicht am 1. August 2022
Gaslaterne Düsseldorf
Andreas Endermann hat diese historische Straßenleuchte an der Hildebrandtstraße in Friedrichstadt fotografiert.

So viel Post war nie. Wir freuen uns seit dem Start von VierNull, dass wir so viele E-Mails und Nachrichten bekommen, mit Reaktionen auf unsere Artikel und Hinweisen auf mögliche Themen. So haben uns unsere diskussionsfreudigen Leser:innen zum Beispiel fleißig geschrieben, als Hans Onkelbach hier vergangene Woche vorgeschlagen hat, die Kirmes an die Messe zu verlegen. Aber selbst für uns bisher ungekannte Mengen an Zuschriften erhielten wir, nachdem wir darüber berichteten, dass die Debatte um die Gaslaternen neu aufgeflammt ist. Treue Fans der historischen Leuchten schickten uns ausführlich ihre Argumente, Menschen, die ihre Meinung mit Blick auf die Energiekrise geändert haben, erklärten meistens knapp, dass es nicht wie geplant mit den Gaslaternen weitergehen könne.

Bevor ich die Leserzuschriften und -gedanken hier in Ruhe dokumentiere, möchte ich noch eine Sache erwähnen. In einigen Mails war von Meinungs- und Stimmungsmache die Rede. Ich verstehe, dass Leser:innen in manchen Medien diesen Eindruck gewinnen. Wir haben uns deshalb bei VierNull entschieden, dass wir anders als in deutschen Medien üblich auch in der ersten Person schreiben. Ein „Ich“ oder „Wir“ macht unmissverständlich deutlich, dass es sich im Folgenden um eine persönliche Wahrnehmung oder Einschätzung handelt, also eine Meinung und keine Fakten. In der Diskussion um die Gaslaternen gehöre ich keinem Lager an. Ich bin nur der Meinung, dass die Diskussion in Düsseldorf geführt werden muss.

Was die Befürworter der Gaslaternen sagen

Lutz Cleffmann, Mitglied der Initiative Düsseldorfer Gaslicht, führt unter anderem den Verbrauch an. Der liege bei weniger als einem Prozent des Düsseldorfer Gesamtverbrauchs – mit sinkendender Tendenz, weil in den nächsten Jahren die Zahl der Leuchten von 14.000 auf 10.000 sinkt. Kurzfristig ließe sich das eine Prozent auch nur sparen, wenn Straßen dunkel blieben, weil man die Laternen zunächst umbauen müsse. „Eine ,Umrüstung‘ auf LED ist nicht möglich. Es können nur vollkommen neue Laternen aufgestellt werden, die im besten Fall den Gaslaternen optisch ähnlichsehen“, schreibt Lutz Cleffmann.

Michael G. Meyer konzentriert sich nach eigener Aussage bewusst auf emotionale Faktoren. Auch bei der „Neuen Messe“, der Rheinuferpromenade oder der Arena hätten die Gegner mit Kosten und „vermeintlicher Ratio“ argumentiert. Hätten sie sich durchgesetzt, hätte Düsseldorf große Fortschritte verpasst. „Wer hier die Klimadiskussion oder den Ukraine Krieg nutzt, um das flugs zur Projektionsfläche seiner Argumente zu machen, der versündigt sich an der Stadt, die eben aus vielerlei Gründen keine beziehungsweise wenige historische Vorzeigeobjekte besitzt.“ Zudem zieht Michael G. Meyer einen Vergleich mit einer anderen Sehenswürdigkeit. Man würde ja auch nicht Schloss Neuschwanstein abreißen, weil es nicht mehr dem Zeitgeist entspricht, und dann durch Singapur Towers ersetzen.

Rita Krieger-Kemper führt verschiedene Punkte zugunsten der Gaslaternen an:

  1. Die Düsseldorfer Gaslaternen verbrennen nicht „Putins Gas“. Das Düsseldorfer L-Gas komme zum allergrößten Teil aus den Niederlanden, das H-Gas, das schon durch einige Laternen strömt, werde aus Norwegen und Großbritannien geliefert.
  2. Eine Umrüstung der Laternen auf LED ist technisch teilweise möglich, aber nicht sinnvoll. Wenn man Gaslaternenauf LED umrüste, würden sie in kurzer Zeit durch Rost beschädigt. Man müsse sie also durch neue LED-Leuchten ersetzen, das wiederum erfordere viel Material und Energie und sei kurzfristig nicht umzusetzen.
  3. LED-Leuchten helfen nicht beim Artenschutz. Wir hatten in unserer ersten Geschichte zum Thema angeführt, dass man LED-Licht so gestalten könne, dass eine Laterne keine Insekten anlocke und so zur tödlichen Falle werde. Dem widerspricht Rita Krieger-Kemper: „Man kann durch Auswahl des LED-Lichtspektrums und der Lichtintensität die schädlichen Auswirkungen auf nachtaktive Insekten lediglich mindern, aber nicht ganz verhindern.“
  4. Ein wichtiges Denkmal Düsseldorfer Stadtgeschichte wird zerstört. Das Düsseldorfer Gaslicht stehe unter Denkmalschutz, weil es nicht nur für die Geschichte Düsseldorfs von besonderer Bedeutung sei, sondern für ganz Deutschland (Denkmal von nationaler Bedeutung). Im 19. Jahrhundert wurden in Düsseldorf weltweit einmalige industrielle Verfahren und Produkte wie die nahtlosen Stahlrohre und das hängende Gasglühlicht entwickelt. „Dank der Gießereien und ihres wirtschaftlichen Umfelds entwickelte sich Düsseldorf von der verschlafenen Provinzstadt zur Boomtown mit internationalen Kontakten“, schreibt Rita Krieger-Kemper. „Will eine Stadt, die so stolz ist auf ihre internationalen wirtschaftlichen Beziehungen nun die Wurzeln dieser internationalen Bedeutung und Beziehungen kappen, um einige Zehntelprozent ihres Gasverbrauchs zu sparen? Das sollten wir nicht tun!“

Was die Gegner der Gaslaternen sagen

In den Debatten der vergangenen Jahre hatten die Verfechter der Gaslaternen eine große Mehrheit der Düsseldorfer Bevölkerung hinter sich. Den emotionalen Argumenten schlossen sich viele an. Mein Eindruck durch die Lesermails und die Kommentare im Internet ist, dass sich dieses Stimmungsbild verschoben hat. Es scheint mehr Bürger:innen zu geben, die Energiesparen angesichts der drohenden Engpässe so wichtig finden, dass sie ihre Meinung zumindest in Teilen revidieren.

So stellen zum Beispiel Leser:innen die Zahl der zu erhaltenden Leuchten infrage. Der Stadtrat hatte 2020 beschlossen, dass von den heute noch mehr als 14.000 Laternen rund 10.000 bleiben sollen. Es sei nichts dagegen einzuwenden, eine kleine Zahl zum Beispiel in der Altstadt zu bewahren und dort ein historisches Ambiente zu schaffen. Aber die hohe Zahl sei ein zu großer „Energiefresser“. Aus Unterlagen der Stadt geht hervor, dass eine Gaslaterne im Durchschnitt rund 4300 Kilowattstunden Energie verbraucht. Das sei Umweltverschmutzung – und zwar aus rein nostalgischen Gründen, schrieb ein Leser.

Ein weiterer Punkt der Gegner: Sie sagen, Gaslaternen machten wenig Licht und leisteten deshalb kaum einen Beitrag zur Sicherheit in der Stadt. Diejenigen, die in ihrer Nachbarschaft einen Wechsel von der einen zur anderen Beleuchtungsform erlebt haben, berichten von einem markanten und für sie wichtigen Unterschied. „LEDs verbrauchen kaum Energie und sind einfach die moderne und funktionale Weise, die Straße zu beleuchten“. In diesem Zusammenhang ergänzte ein weiterer Leser, dass man den Spar-Effekt sogar noch vergrößern könne, weil LED-Licht „sogar schaltbar für starkes Abdimmen während der späten Nachtstunden“ sei.


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