Ein Königreich in Düsseldorf
Vor Saal E.122 im Düsseldorfer Landgericht sind zwei improvisierte Eingänge aufgebaut. An dem für Zuhörer steht ein Justizbeamter und liest sich noch schnell die Vorschriften durch. Auf dem Gang sucht der Anwalt des Angeklagten seinen Mandanten. Ein paar Journalisten sind gekommen, eine Wissenschaftlerin ist auch da. Dimitri M., der wegen Verunglimpfens des Staates und seiner Symbole, Beleidigung und versuchter Erpressung angeklagt ist, fehlt jedoch. Damit er zum zweiten Termin erscheint, erlässt der Richter einen Haftbefehl.
Es ist acht Jahre her, dass M. erstmals überregionale Bekanntheit erlangte. Damals koordinierte er von seiner Düsseldorfer Wohnung aus Spendensammlungen für die russische Nationale Befreiungsbewegung (NOD). Die „Zeit“ berichtete darüber. Die NOD ist Putin-treu. Der Kern ihrer Ideologie ist die Annahme, dass Russland seit dem Ende der Sowjetunion kein souveräner Staat mehr ist. Es ist das, was in Deutschland Reichsbürger über das Deutsche Reich glauben. M. wurde so zum Bindeglied zwischen den Bewegungen. Später engagierte er sich bei den Republikanern und war für Online-Portale der Reichsbürger-Szene aktiv. In einem seiner Beiträge dort forderte er „als Vertreter der sowjetischen Militäradministration“ die sofortige Abschaltung bundesdeutscher Institutionen. Das brachte ihm die Anklage in Düsseldorf ein.
M. ist nur ein Beispiel für die wachsende Reichsbürgerszene in Düsseldorf. Eine Szene, die ideologisch weit zersplittert ist, allerdings in einem einig: in ihrer Ablehnung des herrschenden Systems. Eine Szene, die im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen an vielen Stellen auftaucht. Eine Szene, für die sich Düsseldorf als „Hotspot“ im mittleren und nördlichen Teil Westdeutschlands entwickelt hat, wie die Kulturhistorikerin Corinna Kaiser sagt. Die Düsseldorferin forscht seit vielen Jahren zu Antisemitismus und zu Reichsbürgern. Mit den Warnungen vor deren Ideologie bleibt sie in der Stadt jedoch meist ungehört.
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