Fußlahm auf weißen Sneakern
An ihrer Beziehungskiste mit den Grünen hat die CDU Düsseldorf schwer zu tragen und steckt in einem Dilemma: Einerseits muss sie mit dem Partner das tägliche Geschäft wuppen, andererseits weiß sie auch, dass sie mit jedem gemeinsamen Erfolg den Gegner von morgen päppelt. Morgen – das ist noch über zwei Jahre hin, nämlich bei der nächsten Kommunalwahl 2025. An diesem Tag könnte die Frage nicht mehr lauten „Schwarz mit Grün?“ (oder umgekehrt), sondern „Grün gegen Schwarz?“. Die letzten Wahlen auf allen Ebenen haben fast jedes Mal stärkere werdende Grüne hervorgebracht, und das wird sich vermutlich bis 2025 nicht ändern. Obwohl (womöglich weil) sie sich in Düsseldorf immer mehr schwarz einfärben, da sie sich nach dem – noch – größeren Partner richten müssen. Oder wollen. Mein Kollege Christian Herrendorf hat hier seine Analyse dazu präsentiert.
Besonders schwach ist die Union – man kann fast schon sagen: traditionsgemäß – bei den Wählern unter 30. Nur ein Beispiel: Bei der NRW-Landtagswahl im Mai wählten lediglich 11,4 Prozent dieser Gruppe CDU, aber 27 Prozent die Grünen. Also muss man beim Jungvolk punkten. Aber kann man das? Falls ja – wie?
Sollte die CDU auf die Idee kommen, auf die Junge Union als Zugpferd zu setzen, wäre das naiv. Was sich in dieser Organisation oder sonst beim Nachwuchs tummelt, dürfte kaum einen der Grünen-Fans (oder solche anderer Parteien) geschweige denn noch schwankende Erstwähler anlocken. Zwar hat man keinen menschgewordenen Youngster-Schreck wie den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor aus Mecklenburg-Vorpommern („Der älteste 29-Jährige Deutschlands!“) in den Reihen. Aber es gibt Anwärter auf den Job – siehe zum Beispiel Benedict Stieber. Der sehr verbindliche, offenbar fleißige Sohn des CDU-Ratsherren Andreas-Paul Stieber entspricht exakt dem Typ des karrierebewussten Nachwuchs-Christdemokraten. Jüngst hat er sein Jura-Studium abgeschlossen. In der Bezirksvertretung der nördlichen Stadtteile führt er die CDU-Fraktion. 2014 wurde er stadtweit bekannt, weil er im Wahlkampf für den damaligen Oberbürgermeister Dirk Elbers anonym auf einem Plakat posierte, um die Nähe des OB zur Jugend zu dokumentieren. Der 30-Jährige entspricht dem, was man bisweilen – augenzwinkernd – Schwiegermuttertraum nennt: Hornbrille, gern Anzug mit Weste, aber ohne Krawatte. Ach ja – und Mitglied der „Gesellschaft Reserve“, bei der Frauen nicht zugelassen sind. Was bei Stieber zumindest in einem Punkt kurios wirkt: Auf seinem Facebook-Account unter der Rubrik „Interessiert an“ steht lapidar „Frauen“. Für die Umschreibung seiner Interessen wirkt das doch sehr rudimentär.
Apropos Social Media: Natürlich rudern die jungen Schwarzen dort durch alle Kanäle – aber wenig inspiriert oder inspirierend. Dass man ausgerechnet dort um die Queen trauert – so what. Auch ein Info-Besuch auf dem Flughafen wird beworben, aber sonst nichts, was die Betrachter:in wirklich interessieren, nachdenklich machen oder pro JU stimmen könnte. Allerdings auch nicht contra – was in diesem Kontext eher kein Kompliment ist.
Dass Karriereplanung eine Rolle spielt, ist unübersehbar. Der Kreisvorsitzende der hiesigen Jungen Union, Ulrich Wensel, folgt offenbar dem – oft erfolgreichen – Konzept „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“. Zumindest sitzt er dafür an der richtigen Stelle: Als Beruf gibt er an: „Büroleiter und persönlicher Referent des Sprechers der CDU-Landtagsfraktion für Arbeit, Gesundheit und Soziales“. Darüber stehen 16 Ämter, die er in den verschiedensten Gremien der CDU ausübt. Die Aufzählung dieser Pöstchen hat was von einer Trophäensammlung. Womit klar ist, worauf er zielt: Bald vom subalternen Mitarbeiter nahe der Macht zum besser bezahlten Mandat zu gelangen. Dass er das dazu nötige Netzwerk bereits aufbaut, dürfte Teil dieser Strategie sein. Als Vorbild käme Düsseldorfs CDU-Chef Thomas Jarzombek in Frage, der es so ohne nennenswerte berufliche Erfahrungen vom Wahlkampfhelfer Joachim Erwins Ende der 1990er Jahre bis in den Bundestag geschafft hat.
Auch andere des – von Männern dominierten – Vorstandes entsprechen dem bürgerlich-akademischen Klischee: Der Vize Marc Dratwa (31) informiert auf der JU-Homepage, Jura-Student und Kaufmann zu sein. Zudem lässt er uns wissen, was er bereits alles für die Union getan hat oder tut, und teilt seine Abiturnote 2009 „nach Vorversetzung“ mit: Durchschnitt 0,9. Gewiss beeindruckend! Aber es sagt leider nichts über die in der Politik nötigen Kompetenzen.
Zwei andere – Constantin Bintz und Marcel Mallon – sind Historiker und teilen sonst wenig mit. Selbst der Versuch, mit Kleidung Botschaften zu vermitteln, scheitert, wie der Blick auf die zahlreichen Fotos zeigt: Das in diesen Kreisen beliebte offene weiße Hemd ohne Krawatte zu Jeans, Jackett und – Gipfel der Lässigkeit – weißen Sneakern wird offenbar für ein juveniles Merkmal gehalten. Dabei ist es heute längst seniorentauglich sowie gängiges Outfit mancher DAX-Vorstände. Der Ur-Vater aller Grünen, Joschka Fischer, trug Ähnliches bereits im Dezember 1985 bei seiner legendären Vereidigung als Minister im hessischen Landtag. Das wurde damals – ernsthaft – als Tabubruch gewertet. Ist aber über 40 Jahre her. Dass die JU das weiße Schuhwerk immer noch für ein jugendlichen Elan versprühendes Outfit hält, zeigte sie im letzten Bundestagswahlkampf, als sie hoffnungsfroh-opportunistisch Spitzenkandidat Armin Laschet ein Paar davon schenkte. In welche Fettnäpfe er damit trat und wie er am Ende scheiterte, ist bekannt.
Aber immer schon löblich/üblich beim schwarzen Nachwuchs: der Einsatz im Wahlkampf. Da geht ohne die Jungen nichts, wissen auch die Altvorderen der Union. Man verteilt Flyer, hilft an den Info-Ständen, klebt Plakate, trägt T-Shirts mit dem Gesicht des Kandidaten/der Kandidatin, übernimmt Fahrdienste beim Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Daher mag auch keiner die Jugend direkt angehen – denn für solche Tätigkeiten braucht man sie ohne Zweifel.
Das Thema „skeptischer Blick auf den Nachwuchs“ ist übrigens nicht auf Düsseldorf beschränkt, sondern eines der Gesamt-CDU, wie der Spiegel kürzlich hier berichtete und die Stimmung in der Partei so beschrieb: „Die JU sei immer noch ein Verein aus ‚Segelschuhjungs‘, beschreibt es eine Christdemokratin: sehr konservativ, etwas piefig, eine Art politische Studentenverbindung, in der vor allem BWLer und Juristen ihren Platz finden. Die breite Masse erreiche man so kaum. Einige in der CDU stellen sich mittlerweile die Frage: Ist die Nachwuchsorganisation womöglich sogar hinderlich, wenn es darum geht, junge Leute anzusprechen? Dabei hätte es die Union nötig. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr erreichten CDU und CSU bei den 18- bis 24-Jährigen zehn Prozent der Stimmen. Eine CDU-interne Wahlanalyse fällte danach ein vernichtendes Urteil: Was aus der Jungen Union zu hören und zu sehen ist, wirkt hier eher abschreckend.“