Gezerre ums Fotoinstitut

Um was geht es?Die offizielle Bezeichnung ist &bdquo;Bundesinstitut für Fotografie“. Hinter diesem eher sperrigen Begriff verbirgt sich die an sich logische Idee, dem Genre Fotokunst endlich eine Art Hauptquartier, eine Heimat oder realen Bezugspunkt zu geben. Ein wie auch immer gestaltetes Bauwerk, das Platz bietet für Archive, Sammlungen, Techniken. Das aber auch diese Art von Kunst erforscht, präsentiert, ihre Anfänge dokumentiert und weitere Entwicklung begleitet. Eine Kombination aus Museum und Forschungshaus. Wieso Düsseldorf?Der anfangs mit Skepsis und Verwunderung gesehene Aufstieg der Fotokunst wäre ohne die Düsseldorfer Akademie nicht vorstellbar. Fotografen wie Hilla und Bernd Becher mit ihren – im landläufigen Sinne – nicht schönen, aber in ihrer kühlen Ästhetik einmaligen Bildern schufen die Grundlagen. Es wuchsen Talente heran wie Thomas Struth und Thomas Ruff und der inzwischen weltweit gefragte Andreas Gursky, dessen Werke heute zu sechs- und siebenstelligen Beträgen gehandelt werden. Außerdem kam aus Düsseldorf die Idee zu einem Fotoinstitut – lange bevor andere Standorte erwähnt wurden. Und Düsseldorf bekommt starken Rückhalt aus Köln, wo die SK-Stiftung Kultur mit ihrer beachtlichen Sammlung erklärt hat, die Landeshauptstadt unterstützen zu wollen. Wieso Essen?Das Museum Folkwang hat ebenfalls eine große Sammlung und kann auf lange Erfahrungen mit der Fotokunst hinweisen. Es würde das Institut auf das Gelände des bereits prominenten und erfolgreichen Kulturpunkts &bdquo;Zeche Zollverein“ bauen. Außerdem braucht die Stadt am westlichen Rand des insgesamt immer noch strukturschwachen Ruhrgebiets eine Attraktion jenseits von moderner Kunst, Musik, Kohle-, Stahl- und Industriegeschichte. Wer streitet? In Konkurrenz zueinander stehen die beiden Oberbürgermeister Stephan Keller (Düsseldorf) und Thomas Kufen (Essen) – beides CDU-Männer. Beteiligt ist außerdem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (ebenfalls CDU) und die Kultur- und Medienbeauftragte der Bundesregierung, Monika Grütters. Sie ist die wichtigste Figur in diesem Spiel, denn am Ende entscheidet die Bundesregierung über den Standort. Und sie hat bereits mehrfach klar gemacht, dass sie dem Standort Essen den Vorzug gibt. Warum ist Monika Grütters für Essen?Dazu gibt es keine klaren Aussagen. Angeblich wirkt das Konzept der Stadt überzeugender, allerdings hat sich Grütters auch beraten lassen von Personen, die von vorneherein Essen bevorzugten. Womöglich sieht sie, aus Berliner Sicht, ein wichtiges Ziel von bundesweiter Kulturpolitik darin, schwache Regionen mit neuen Attraktionen zu stärken. Möglich wäre aber auch, dass Grütters mit dem im Herbst 2020 abgewählten SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel persönlich nicht klarkam – und zwar nicht nur aus parteipolitischen Gründen. Geisel hat lange die Verhandlungen zum Fotoinstitut geführt. Sein Nachfolger Stephan Keller hat dieses Problem sozusagen geerbt.Ist die Entscheidung damit gefallen?Nein. Die Hoffnung, noch vor der Wahl zu einem Entscheid zu kommen, ist spätestens in den vergangenen Tagen begraben worden. Denn ein in Berlin anberaumtes Gespräch, an dem unter anderem Stephan Keller, Fotograf Andreas Gursky und Monika Grütters teilnehmen sollten, wurde von den Düsseldorfern am Freitag abgesagt. Der Grund: Die anderen Gesprächsteilnehmer waren durchweg Essen-Befürworter, die Düsseldorfer Delegation sah daher keinen Sinn in einer Diskussion, weil sie nicht ergebnisoffen schien. Keller hatte Grütters kurzfristig um eine Verschiebung in neuer Besetzung und mit nach allen Seiten offener Agenda vorgeschlagen, was sie aber ablehnte.Wie geht es weiter?Das hängt auch vom Ausgang der Bundestagswahl ab. Sollte CDU-Kandidat Armin Laschet Kanzler werden, gibt es Hinweise darauf, dass Grütters ihr Amt trotz des CDU-Erfolges nicht behalten würde. Laschet ist bei Düsseldorf im Wort: Er hatte sich für die (oder seine) Landeshauptstadt stark gemacht und außerdem dafür gesorgt, dass NRW das Projekt mit rund 40 Millionen Euro unterstützen würde. Düsseldorfer SPD-Politiker wie der Landtagsabgeordnete Markus Herbert Weske und der Bundestagsabgeordnete Andreas Rimkus werfen Laschet dennoch Untätigkeit vor. Rimkus: &bdquo;Obwohl wir uns im Bundestag eindeutig für Düsseldorf als Standort für das Fotoinstitut entschieden haben, eiert die CDU – und ganz vorne Herr Laschet.“ Verliert Laschet aber die Wahl, ist alles offen. Wie ein Kanzler Olaf Scholz (SPD) oder eine Kanzlerin Annalena Baerbock (Grüne) in Sachen Kulturpolitik entscheiden würden, kann niemand vorhersagen. Grütters wäre dann ebenfalls nicht mehr im Amt. Tatsache ist jedoch, dass im Bundeshaushalt 42 Millionen bereitstehen, und zwar nur für einen Bau des Instituts in Düsseldorf. Grütters Bemühungen, das Geld nach Essen umzuleiten, haben nicht funktioniert. Ob das bereitgestellte Geld auch noch zur Verfügung steht, wenn eine neue Regierung ins Amt kommt, ist ebenfalls nicht geklärt. Haushaltrechtlich kann das Geld ins neue Jahr geschoben werden, ansonsten muss es noch 2021 ausgegeben werden. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass man das Institut nach Berlin holt, heißt es aus Regierungskreisen in der Hauptstadt. Welche Vorbehalte gibt es gegen Düsseldorf?Die liegen eher auf einer nicht-sachlichen, sondern – so der Eindruck – emotionalen Ebene. Die Landeshauptstadt ist nach dieser Ansicht ohnehin gut mit Kultur ausgestattet, die Nachbarschaft soll auch mal etwas bekommen, in diesem Fall Essen. Aus einer Anfrage zum Thema Fotoinstitut von drei Grünen-Bundestagsabgeordneten an die Bundesregierung geht, wenn auch sprachlich sehr verschwurbelt, hervor, dass auch dieses Trio Essen bevorzug. Was daran liegen kann, dass einer der drei, Kai Gehring, für die Krupp-Stadt im Bundestag sitzt. Auffallend ist besonders ein Detail in dieser Anfrage: Es wird explizit gefragt, was die Bundesregierung denn zu tun gedenke, um zu verhindern, dass ein Fotoinstitut durch eine einzelne Schule besonders geprägt werde. Das zielt eindeutig auf die Bechers und ihre Zöglinge, vor allem auf Gursky. Dem Star unter den Fotokünstlern werfen nämlich manche vor, sich mit dem Institut in Düsseldorf selbst ein Denkmal setzen zu wollen. Gursky hat für das Institut 2019 tatsächlich einen eigenen Verein (&bdquo;Verein zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts“) gegründet und wirft seinen Einfluss in die Waagschale, um Düsseldorf als Standort zu bekommen. Der Verein argumentierte seinerzeit, renommierte Kollegen bevorzugten Düsseldorf, darunter weltberühmte Fotokünstler wie Wolfgang Tillmanns, Cindy Sherman, Jeff Wall und Thomas Ruff. Auch Hans-Peter Feldmann, Louise Lawler und Jörg Sasse sprechen sich demnach für Düsseldorf aus. Wäre eine Kompromiss-Lösung denkbar?Ja. Düsseldorf hat angeboten, mit Essen zu kooperieren. Nicht zuletzt, weil man die dortige Kompetenz schätzt und in der Bündelung der Kräfte Vorteile sähe. Das jedoch immer unter dem Aspekt, federführend zu sein. Anders gesagt: Düsseldorf mit der Nebenstelle Essen. Wo würde das Institut in Düsseldorf platziert?Es würde Teil des Ehrenhof-Ensembles. Dort gibt es, an der Ecke Inselstraße, ein in den Hofgarten ragendes Areal, das die Stadt dem Institut gratis zur Verfügung stellt. Es läge dann neben Tonhalle, Kunstpalast und NRW-Forum, würde gleichsam zu einer Erweiterung des Kulturkonzentrats. Wie hoch schätzt man die Gesamtkosten?Die einzig bisher publizierte Zahl lag bei 120 Millionen Euro, bei einer Bauzeit von mehreren Jahren. Wer die Differenz zu den schon bereitstehenden 80 Millionen finanziern würde, ist nicht klar. Wie verhalten sich die Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten?In vielen Dingen uneins, haben sie bei diesem Thema an einem Strang gezogen. Sylvia Pantel (CDU), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Thomas Jarzombek (CDU) und Andreas Rimkus (SPD) haben gemeinsam einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben, in dem sie sich für den Standort Düsseldorf aussprachen. Das Schreiben hatte nicht den erwünschten Erfolg. Denn die Kanzlerin gab es weiter an die zuständige Kulturstaatsministerin – Monika Grütters. Nimmt Angela Merkel Einfluss?Offenbar nicht. Aber es gibt Unterstellungen, sie sei durch ihren Stiefsohn Adrian Sauer (geboren 1976) beeinflusst. 1997 bis 2003 studierte Adrian Sauer Fotografie und Buchkunst in Leipzig, wo er immer noch lebt und arbeitet. Er hat sich über die Jahre intensiv mit der Kunstform Fotografie beschäftigt und vor allem die digitalen Möglichkeiten ausgelotet und weiterentwickelt. Sein Vater ist der Chemiker Joachim Sauer, Ehemann der deutschen Bundeskanzlerin. Sauer wird eine Affinität zum Standort des bundesdeutschen Fotoinstituts in Essen unterstellt. Wie werden Fotos zu Kunst? Wir haben die promovierte Kunsthistorikerin Dorothee Achenbach gebeten, uns diese Frage zu beantworten. Sie erklärt es so:Ab wann genau das im 19. Jahrhundert in vielen Schritten entwickelte Verfahren zum Festhalten der realen Welt als eine eigenständige Kunstform angesehen wurde, ist nicht eindeutig festgelegt. Vielleicht kann man den Ritterschlag 1938 ansetzen, als das New Yorker MoMA dem Fotografen Walker Evans eine Einzelausstellung widmete. Fotografie als Kunstform unterscheidet sich von herkömmlichen Fotos, die heute dank Smartphone und Social Media täglich milliardenfach produziert und veröffentlicht werden, durch die künstlerische Intention. Fotokünstler*innen beherrschen nicht nur das technische Handwerk, sie haben in aller Regel auch eine Ausbildung an einer Kunstakademie absolviert. Die Anzahl der Abzüge ist durch die Künstler*innen streng limitiert und das Motiv darf nicht beliebig reproduziert werden. Auf dem Kunstmarkt herrschen für Kunstfotografien dieselben Regeln wie für Malerei und Bildhauerei, sie werden in Galerien vertreten und in Museen gezeigt. Diese Art der Fotografie ist nicht zweckgebunden, wie zum Beispiel die Werbe- oder Modefotografie. Auch wenn diese durchaus äußerst künstlerisch und museumswürdig sein kann, dient sie doch einem kommerziellen Zweck. Fotokünstler*innen folgen einem...

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Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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