Gut, dass Compliance in Düsseldorf wieder in Mode kommt
Anfragen aus aktuellem Anlass, normale Anfragen und Anträge – gleich ein halbes Dutzend Tagesordnungspunkte des Düsseldorfer Stadtrats am 17. November behandelte die Vergabe von Freikarten an Politiker:innen und die Kontrolle solcher Vorgänge. Compliance ist in Düsseldorf wieder in Mode. Dabei kommt es zu einer ganzen Reihe bitterer Erkenntnisse, aber auch zu einer guten: Es ist relativ leicht, etwas zu verbessern.
In Compliance-Fragen sind Wellen des Interesses offenbar normal. Vor einer Reihe von Jahren gab es auf nationaler und lokaler Ebene Fälle, in denen Entscheidungsträger:innen regelmäßig zu großen Essen und programm-reichen Ausflügen eingeladen wurden. Weil dies aufstieß, wurde dann viel über Compliance gesprochen. Jurist:innen fertigten umfangreiche Regelwerke und danach gab es vorwiegend einfache Mittagessen und Besprechungen vor Ort statt in der Ferne.
Das alles gilt inzwischen schon eine Weile, doch nun hat ein Fall in Düsseldorf gezeigt, dass die Kontrollen nicht wirkten. Ein Mitglied des Stadtrats, das auch im Aufsichtsrat der städtischen Veranstaltungstochter D.Live saß, soll zahlreiche Freikarten für Fortuna- und DEG-Spiele sowie Konzerte geordert und verteilt haben. Inzwischen hat die Person ihr Aufsichtsratsmandat niedergelegt. Meine Kollege Hans Onkelbach hat die politische Dimension des Falls in seinem Artikel „Schlechte Karten“ erläutert.
Hier geht es nun um die Kontroll-Instrumente, deren Schwächen und mögliche Lösungen, mit denen die Kartenkrise dann auch etwas Gutes hätte:
Korruptionsbekämpfungsgesetz
In Paragraph 7 dieses Landesgesetzes steht, dass Mitglieder des Stadtrates verschiedene Angaben machen müssen, die veröffentlicht werden: Beruf, Mitgliedschaften in Aufsichtsräten, besondere Posten in Vereinen und ähnliches.
Der aktuelle Fall zeigte auf skurrile Weise, wie schlecht diese Pflicht in der Praxis umgesetzt wird: Offenbar wollten viele Politiker:innen wissen, wer denn die beschuldigte Person sein könnte. Deshalb riefen sie im Internet die Tabelle auf, in der alle Aufsichtsräte drinstehen sollten. Tatsächlich stand aber gerade einmal bei zwei Mitgliedern des Stadtrates ihre Tätigkeit für D.Live.
In der Folge wurden noch jede Menge weitere Probleme bekannt: Menschen, die schon gar nicht mehr im Rat saßen, tauchten trotzdem in der Liste auf, während andere nicht einmal einen Eintrag in der Spalte „Beruf“ haben. Die Tabelle bezieht sich noch auf einen Paragraphen im Gesetz, den es gar nicht mehr gibt. Politiker:innen machten Angaben, die nicht eingetragen wurden. Und die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat der Stadtsparkasse wurde in der Spalte für börsennotierte Unternehmen angegeben.
Eine Lösung hat der Stadtrat nun einstimmig beschlossen. Das Rathaus erinnert künftig einmal im Jahr per Mail daran, die Angaben in der Tabelle zu überprüfen und zu ergänzen. Alle Ratsmitglieder sind verpflichtet, wichtige Änderungen auch im Laufe eines Jahres umgehend zu melden. Das wollen sie nun auch wirklich tun. Genau deshalb habe ich in die Überschrift geschrieben, dass es gut ist, dass Compliance gerade wieder in Mode ist.
Der Düsseldorfer Kodex
Die Stadt hat sich Grundregeln gegeben, damit in ihren Unternehmen verantwortungsvoll und transparent gearbeitet wird. Diese Regeln sind gerade aktualisiert worden. Sie hätten den Fall mit den vielen Eintrittskarten nicht verhindert, aber sie geben Anhaltspunkte, die helfen. So steht darin, was die Aufgabe von Aufsichtsratsmitgliedern ist: die Kontrolle der Geschäftsführung. Sponsorensuche mit Hilfe von Freikarten wird dort nicht genannt. Folglich sollte dies auch kein Schwerpunkt in der Arbeit eines Aufsichtsratsmitglieds sein.
In der neuen Fassung ist der Kodex zudem um einen wichtigen Punkt gewachsen. Als Teil der Geschäftsberichte sollen künftig die Angaben der Aufsichtsratsmitglieder erscheinen, die sie auch für die Tabelle der Stadt machen. Das erhöht den Druck, die Angaben in der Tabelle zu pflegen.
Compliance-Regel der städtischen Töchter
Der Düsseldorfer Kodex war die Basis, auf der sich die städtischen Unternehmen Compliance-Regeln gegeben haben. Diese variieren von Tochter zu Tochter, sind aber in den Grundzügen gleich. Ich nehme hier beispielhaft die Compliance-Regeln von D.Live, weil sie mit dem aktuellen Fall verbunden sind.
Das D.Live-Papier umfasst 24 Seiten. Vergünstigungen werden darin in drei Kategorien eingeteilt. Bei geringen Werten sind sie grundsätzlich gestattet, es sei denn, sie häufen sich in untypischer Weise. Bei mittleren Werten braucht es eine Genehmigung der Geschäftsführung. Zuwendungen von höherem Wert sind verboten. Zudem ist geregelt, wie oft pro Jahr Aufsichtsratsmitglieder pro Halle Freikarten erhalten.
Nach dem aktuellen Fall werden die Regeln, die auf dem Stand von September 2019 sind, vermutlich aktualisiert und um weitere Varianten ergänzt, die man nun kennengelernt hat. Grundsätzlich sind die Regeln aber umfassend. Entscheidend ist, wie kontrolliert wird, ob sie eingehalten werden, und wie Verstöße sanktioniert werden. Die Kontrolle hat im Kartenkrisenfall nicht funktioniert, es scheint, als habe es keinen Gesamtüberblick darüber geben, wie viele Tickets das ehemalige Aufsichtsratsmitglied bestellt hat.
Kartenvergabe im Rathaus
Die Stadt erhält Kontingente für die Heimspiele von Fortuna (40 Tickets) und der DEG (20 Tickets). Die werden entsprechend der Sitzverteilung im Rat (nach dem Hare-Niemeyer-Prinzip) an die Fraktionen und die ehrenamtlichen Bürgermeister:innen weitergegeben. Nicht abgerufene Freikarten bekommen die Fortuna und die DEG zurück.
Die Menge der Freikarten ist so begrenzt, dass größerer Missbrauch kaum möglich ist, zumal die Fraktionen angeben, dass sie dokumentieren, wer die Karten bekommt. Dennoch lässt sich die Frage stellen, ob es überhaupt Tickets für Politiker:innen geben sollte. Eine Fraktion hat diese Frage für sich wie folgt beantwortet: Die Linke verzichtet grundsätzlich auf Freikarten.