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In der CDU gärt der Streit – auch wegen Bäckermeister Josef Hinkel

Es geht um den Seiteneinsteiger als Erster Bürgermeister, aber auch um den Vorsitzenden Thomas Jarzombek. Der wird zwar demnächst aller Voraussicht nach wiedergewählt, aber vor allem, weil man keinen anderen Kandidaten hat.
Veröffentlicht am 3. August 2021
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Ein Bild, mit dem einige in der CDU hadern: Der Erste Bürgermeister Josef Hinkel vertritt Oberbürgermeister Stephan Keller, hier bei einer Ratssitzung. Foto: Andreas Endermann

Vor zwei Wochen haben wir hier getitelt „Die CDU und ihr Problem namens Zukunft“. Aus den Reaktionen auf dieses Stück vom Kollegen Christian Herrendorf ist uns klar geworden, dass es bei der CDU nicht nur ein künftiges, sondern auch ein höchst aktuelles Problem gibt. Es hat nicht einen Namen, sondern mehrere. Nach außen ist allerdings Ruhe, denn man wartet auf die Wahl am 26. September. Vom Ergebnis hängt ab, wie schnell die unterschiedlichen Leute aus der Deckung kommen. Die Messlatte liegt für die Union in Düsseldorf bei 30,4 Prozent – ihr Ergebnis der Bundestagswahl 2017. 

Wer sind die Personen, um die es geht? 
Es sind mehrere. Ich beschreibe hier, welche Rolle der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der CDU Düsseldorf, Thomas Jarzombek, der Erste Bürgermeister Josef Hinkel, die CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel und das CDU-Urgestein Friedrich Conzen spielen oder gespielt haben. 

Josef Hinkel: Ein Polit-Neuling, vor der letzten Wahl wie Kai aus der Kiste für den Kommunalwahlbezirk Altstadt aufgestellt und gewählt: Josef Hinkel (62). Der Bäckermeister ist in Düsseldorf sehr bekannt, selbst im Umland ist er populär aufgrund seiner beiden Bäckereien an der Mittelstraße und der Hohe Straße. Er war 2008 Karnevalsprinz, danach bis 2014 Präsident des „Comitee Düsseldorfer Carneval“ und ist bekanntermaßen das, was der Rheinländer eine Rampensau nennt. Dass er jedoch binnen kürzester Zeit nicht nur in den Rat gewählt, sondern auch noch umgehend Erster Bürgermeister wurde, passt in der Partei einigen Altgedienten gar nicht. Sie fühlen sich nach langer Ochsentour ungerecht behandelt und übergangen, daher warten sie auf die nächste Gelegenheit, den Neuling vorzuführen.

Ratsmitglieder wie Andreas-Paul Stieber und ein paar andere gelten als diejenigen, die verstimmt sind. Besonders Stieber dürfte die Wahl Hinkels verärgert haben: Es galt als ausgemacht, dass er, Stieber, Erster Bürgermeister werden würde. Selbst in den anderen Parteien gibt es einige, die ihm zutrauen, dafür das richtige Format zu haben, allerdings ist er in der eigenen Fraktion umstritten. Nun ist es Josef Hinkel.

Wie es dazu kam, ist ein Stück lokaler Parteipolitik der hintersinnigen Art. Hinkel trat an im Wahlkreis, den über viele Jahre das CDU-Urgestein Friedrich Conzen zuverlässig für seine Partei betreute. Vor der Kommunalwahl im Herbst 2020 jedoch gab es in der CDU-Führung offenbar die Meinung, Conzen werde aufgrund seines Alters nicht mehr antreten, und man sagte den Wahlkreis Stefan Golißa zu, einem Parteimitglied aus dem Norden der Stadt. Das jedoch kam bei Conzen nicht gut an, weil man ihn nicht einmal gefragt und er sich noch nicht zu seiner politischen Zukunft geäußert hatte. Also sagte er Golißa im direkten Gespräch, es werde nichts mit dessen Kandidatur, und hielt Ausschau nach einem anderen Kandidaten. Den fand er in Josef Hinkel. Conzen ist heute mehr denn je davon überzeugt, den richtigen Mann nach vorn geschoben zu haben. Hinkel sei ein Kind der Altstadt, lebe und arbeite dort, wisse also, was im Viertel passiere und notwendig sei. Seinen Kandidaten erfolgreich platziert zu haben, kommentiert ein parteiinterner Kritiker so: „1:0 für Conzen.“

Als er es dann noch schaffte, den neuen Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) von Hinkel als Erster Bürgermeister zu überzeugen, sei auch das ein Sieg des Ex-Ratsherrn Conzen gewesen. Kommentar: „2:0 für Conzen!“ Dieser Kritiker weiter: Keller habe das arglos abgenickt, weil er gesehen hat, wie Hinkel sehr engagiert (und mit viel Geld) Wahlkampf u.a. auf dem Carlsplatz gemacht hat. Außerdem habe Keller erkannt, wie gut er sich mit Hinkel ergänzt: Hier Keller, der korrekte Verwaltungsmensch, dort Hinkel als talentierter Menschenfänger, gut auf jeder Bühne mit jedem Mikro und vor allem fähig, aus dem Stegreif packende Reden zu halten. Auch CDU-Ratsherr Andreas Hartnigk, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, verteidigt die Wahl Hinkels. Der bringe genau die richtigen Fähigkeiten mit. Er sei zwar politisch unerfahren, aber werde mit den Aufgaben wachsen. 

Thomas Jarzombek: Er ist Vorsitzender der CDU Düsseldorf und sitzt seit 2009 im Bundestag. Im Herbst, bei der nächsten Tagung der Partei, dürfte er wiedergewählt werden. Aber nur „weil wir keinen anderen haben“, sagt ein langjähriges Ratsmitglied, er sei „nur noch ein Übergangskandidat“. Die Partei brauche in Düsseldorf dringend eine komplette Erneuerung an der Spitze. Und zwar mit Personen, deren Lebensmittelpunkt Düsseldorf ist, und nicht – wie bei Jarzombek – Berlin.

Zudem wünscht man sich einen von der Politik unabhängigen Kandidaten. Jarzombek ist Berufspolitiker, dass er – wie er selbst sagt – ein erfolgreiches IT-Unternehmen führt, wird in der Union bezweifelt. Man fragt sich, was aus ihm geworden wäre, wenn er bei der letzten Wahl nicht wieder in den Bundestag hätte einziehen können. Dem 48-Jährigen werfen führende Düsseldorfer CDU-Leute zudem vor, vor allem sein eigenes Fortkommen und seinen Job in Berlin im Auge zu haben und nicht die Interessen Düsseldorfs zu vertreten. „Selbst wenn man ihm zu konkreten Problemen hier Mails schreibt, bekommt man nicht mal eine Antwort“, kritisiert einer, dessen Urteil über Jarzombek wenig schmeichelhaft ist: „Thomas Jarzombek? Von dem halte ich gar nichts!“

Das sagt nicht irgendeiner, sondern mehrere der führenden CDU-Leute der Stadt, allerdings jeweils in unterschiedlichen Formulierungen. Dass Jarzombek als Digital-Experte auftritt, überzeugt sie nicht – und sie fragen, wieso wohl innerhalb der Union in Berlin die bayerische Politikerin Dorothee Bär (44, CSU) an Jarzombek vorbeigezogen und zur Beauftragten der Bundesregierung für Digitalisierung ernannt worden ist. Das hat ja Gründe, sagt einer und stellt fest, dass Jarzombek zudem auf den falschen Minister gesetzt hat – nämlich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der seinem Protegé am Ende nicht zum begehrten Posten eines Staatssekretärs habe verhelfen können.

Sylvia Pantel: Die 60-Jährige sitzt seit 2013 im Bundestag, ist in Düsseldorf gut vernetzt, hat die Frauenunion hinter sich. Sie steht jedoch in der partei-internen Kritik wegen etlicher Meinungsäußerungen in ihren Social-Media-Kanälen, die ihr in Unionskreisen als rechtslastig vorgeworfen werden. Außerdem sieht man ihre Nähe zum Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen kritisch und die zur Werte-Union. Mit Jarzombek verbindet sie eine tiefe Feindschaft. Worauf genau die beruht, konnte keiner der Befragten exakt sagen – womöglich persönliche Antipathie, Konkurrenzdenken, Angst um den Rückhalt in Düsseldorf für den Job in Berlin. Auch Pantel wird unterstellt, vor allem an ihre politische Karriere zu denken, dies jedoch anders als Jarzombek mit mehr Engagement in der Heimatstadt. Aber sie sei nicht die junge, moderne CDU, heißt es. 

Fazit: Unter der Decke gärt es, nicht nur wegen Bäckermeister Josef Hinkel. Bis zur Wahl, so ein stillschweigendes Abkommen, hält man sich ruhig. Aber danach, vor allem bei einem für die CDU unerfreulichen Ergebnis, wird einiges auf den Tisch kommen, zumal es in der Düsseldorfer Union erhebliche Unruhe wegen der Grüko gibt. Um die Frage also, wie man mit den Grünen auf Dauer kooperieren will. Dass deren Fraktions-Chef Norbert Czerwinski in der letzten Sitzung des Rates vor den Ferien einen Antrag einbrachte, nach dem jede Kapazitätserweiterung des Flughafens zu unterbinden sei, wurde – auch wenn der Antrag keine Mehrheit fand – bei der CDU aufmerksam zur Kenntnis genommen. Diese Episode zeigte: Der Umgang mit dem Flughafen kann ein Grund für den Bruch dieser politischen Vernunftehe sein.  


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