Lass das mal den Hinkel machen

Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) verbringt zwar viel Zeit am Schreibtisch, aber er wird auch sehr oft draußen erwartet. Jubiläen, Feste, neue Immobilienprojekte, Straßenbauten, Gedenkfeiern, Tagungen, Messen: Zu all diesen Ereignissen lädt man die Stadtspitze ein. Da kommt übers Jahr einiges zusammen, und es ist unmöglich, dass Keller alles selbst wahrnimmt. Deshalb hat er Hilfe: Drei ehrenamtliche Bürgermeister stehen ihm zur Seite. Anders als die Nummer eins im Rathaus (die auch Verwaltungschef ist) haben sie ausschließlich repräsentative Aufgaben. Als Vertreter der größten Fraktion im Rat, der CDU, ist Josef Hinkel der Erste Bürgermeister. Für die Grünen hat Clara Gerlach dieses Amt übernommen, und Klaudia Zepuntke vertritt die SPD. Soweit die Theorie. In der Realität jedoch scheint eine auffällig hohe Zahl von Terminen, die Keller nicht machen kann oder will, von Josef Hinkel übernommen zu werden. Das städtische Presseamt versendet jede Woche eine Mitteilung mit dem Titel "Terminhinweise zu Veranstaltungen mit städtischer Beteiligung". Darin ist nach Angaben der Behörde eine Auswahl von externen Veranstaltungen aufgeführt, die Repräsentantinnen und Repräsentanten des Ratshauses besuchen. Wir haben diese Meldungen seit Jahresbeginn ausgewertet und geschaut, wer wie oft darin genannt wird. Das Ergebnis (Stichtag: 15. August 2022):Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU): 142 MalBürgermeister Josef Hinkel (CDU): 28 MalBürgermeisterin Clara Gerlach (Grüne): 2 MalBürgermeisterin Klaudia Zepuntke (SPD): 7 Mal. Sie hat zudem zwei Termine übernommen, bei denen die Stadt Menschen zum Geburtstag gratuliert, die 100 Jahre oder älter sind. Die übrigen dieser Termine haben Mitglieder des Stadtrats übernommen. Eine unterschiedliche Verteilung ist normal, sagen Insider. Aber ein derartiges Ungleichgewicht sei ungewöhnlich, da sei jemand (Hinkel) offenbar besonders fleißig. Oder gibt es andere Motive? Wer den Polit-Neuling Hinkel kennt (er ist erst seit der Kommunalwahl 2020 politisch aktiv), weiß, dass ihm der große Auftritt als Ersatz für Keller Spaß macht. Auch wenn er sich nach wie vor schwertut, die richtige Kommunikation – verbal wie körperlich – zu finden. Großes Engagement als Motiv sozusagen. Meine Eindrücke dazu habe ich vor einigen Wochen hier geschildert. Denkbar ist jedoch auch, dass die beiden Christdemokraten beschlossen haben, schlicht möglichst viel Präsenz zu zeigen und damit quasi wie in einem Dauerwahlkampfmodus zu sein. Anders formuliert: Man gibt den beiden Bürgermeisterinnen bewusst wenig Gelegenheit, sich und ihre Parteien zu präsentieren, also Punkte für spätere Wahlkämpfe zu sammeln. Da Gerlach und Zepuntke mögliche Kandidatinnen für die Oberbürgermeister-Wahl 2025 sind, also potentielle Konkurrentinnen, erscheint diese Strategie umso wahrscheinlicher. Eine offizielle Regelung, wie die Außenauftritte der Bürgermeister verteilt werden, gibt es nicht. Den Ablauf muss man sich ungefähr so vorstellen: Das Büro des Oberbürgermeisters, in dem die Einladungen auflaufen, sichtet sie, und Keller entscheidet, was er selbst machen muss, will, kann und sollte. Das ist ein wohl durchdachter Prozess, und Keller ist da nachweislich emsig. Was übrig bleibt, geht an das Büro des Ersten Bürgermeisters, landet also auf Hinkels Schreibtisch. Und der sagt offenbar auffällig oft: Ja, ich will. Was sicher auch mit seiner persönlichen Situation zusammenhängt. Der Mann hat schlicht Zeit, weil er seine Bäckerei an die nächste Generation übergeben und auch sonst den Ablauf im Unternehmen gut geregelt hat, dort also abkömmlich ist. Ganz klar: Der Job des Bürgermeisters ist seine neue Hauptaufgabe. Also nutzt er die Chance, sich zu profilieren und das zu tun, was er liebt: sich vor möglichst vielen Leuten zu zeigen. Die anderen müssen sich mit dem Rest begnügen. Das war in früheren Zeiten etwas anders geregelt. Die ehrenamtlichen Bürgermeister unter den Stadtchefs Thomas Geisel (SPD) und Dirk Elbers (CDU) beispielsweise verteilten die Aufgaben nach Themenfeldern: Kultur, Soziales, Brauchtum – je nach Kompetenz und Neigung machte jede/jeder das, was ihr/ihm lag und was sie/er konnte. Ein Ungleichgewicht wie beim jetzigen Trio gab es jedenfalls nicht. Beschwert hat sich allerdings von den beiden Bürgermeisterinnen bisher niemand, aber in ihren Parteien wird aufmerksam registriert, wer sich gerade am häufigsten die öffentlichen Auftritte sichert. Die genannten Zahlen bedeuten natürlich nicht, dass die Bürgermeisterinnen in den ersten siebeneinhalb Monaten dieses Jahres nur zwei beziehungsweise neun Termine wahrgenommen haben. Beide werden auch von anderen eingeladen oder organisieren Termine und Gesprächskreise selbst. So ist Clara Gerlach seit vielen Jahren sehr gut in der Düsseldorfer Kultur vernetzt und gilt als eine der größten Fürsprecherinnen der Szene im Rathaus. Sie hat zum Beispiel im vergangenen Herbst öffentlich wahrnehmbar gegen Sparpläne im städtischen Kultur-Etat gekämpft. Außerdem bemüht sich die Grüne spürbar darum, ihr Spektrum zu erweitern, und lädt zu Runden über andere Themen ein, etwa zu Sicherheits- oder Wirtschaftsfragen. Klaudia Zepuntke engagiert sich vor allem in sozialen Fragen. Als Gemeindeschwester der evangelische Emmaus-Gemeinde ist sie bei Terminen der Wohlfahrtsverbände und im kirchlichen Umfeld unterwegs. Weitere VierNull-Geschichten über die Bürgermeisterinnen Clara Gerlach: Eine Kandidatin für die OB-Kandidatur der Grünen Die Hoffnungsträgerin für die SPD in Düsseldorf

Lass das mal den Hinkel machen

Lass das mal den Hinkel machen

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