OB-Kandidatur der SPD: Weiblich und jung – oder Fabian Zachel

Das Rennen lief schon, bevor es eröffnet war. Der frühere Oberbürgermeister Thomas Geisel erklärte in einem Interview mit der „NRZ“ im vergangenen Sommer wenig verklausuliert, dass er 2025 gerne wieder für die SPD ins Rennen gehen würde. Die Parteispitze reagierte reichlich reserviert. Die Vorsitzende Zanda Martens schrieb den Vorsitzenden der Ortsverbände, sie mögen Wahlkampfauftritte in ihren Runden abwehren, und erklärte öffentlich, man werde in Ruhe nach passenden Kandidatinnen und Kandidaten Ausschau halten.
Seitdem ist einiges passiert: Thomas Geisel ist zum Bündnis Sahra Wagenknecht gewechselt und kandidiert fürs Europaparlament. Oberbürgermeister Stephan Keller hat erklärt, dass er wieder für die CDU antreten möchte. Und bei den Grünen läuft vieles auf Bürgermeisterin Clara Gerlach als Herausforderin hinaus.
Bei der SPD stehen immerhin Kriterien fest, die mit der Kandidatur verbunden sein sollen: Man sucht einen möglichst klaren Kontrast zum Amtsinhaber. Idealerweise tritt daher eine Frau für die Genossen an, idealerweise eine, die jünger ist oder wirkt als Stephan Keller. Passend zu diesen Eigenschaften sind die Namen von drei Sozialdemokratinnen zu hören – und der eines Mannes für den Fall, dass die Kandidatinnen nicht können, wollen oder sollen.
Cornelia Wilkens
In Düsseldorf weitgehend unbekannt und doch auf der Internetseite der hiesigen SPD zu finden: Cornelia Wilkens, Dezernentin aus Münster, steht kommentarlos in der Rubrik Personen auf www.spd-duesseldorf.de. Das sagt noch nichts über eine OB-Kandidatur, zeigt aber auf jeden Fall, dass man sich kennt.
In Münster gibt es eine Redaktion, die so arbeitet wie VierNull. Sie heißt RUMS. Wir haben gemeinsam mit den Kollegen zur möglichen Bewerberin recherchiert. Cornelia Wilkens leitet in der westfälischen Großstadt ein gewaltiges Ressort mit zahlreichen Ämtern. Sie ist zuständig für Soziales, Integration, Gesundheit und Kultur. Dezernentin ist sie seit 2015, im vergangenen Jahr wählte der Stadtrat sie für acht weitere Jahre.
Cornelia Wilkens könnte Interesse daran haben, Münster zu verlassen. Sie ist fachlich anerkannt, gilt aber als ausgeprägte Freundin der Kontrolle. Ihre Wiederwahl kam vorrangig aufgrund einer Vereinbarung der Ratsfraktionen zustande, weniger aus Überzeugung.
Für die Düsseldorfer SPD erscheint die Diplom-Verwaltungswissenschaftlerin in vielerlei Hinsicht als ideale Kandidatin: Weiblich, mit Mitte 40 jünger als Stephan Keller (54), zudem bringt sie viel Erfahrung in der Leitung einer großen Verwaltungseinheit mit. Fraglich ist allerdings, ob sie eine sichere Position bis zum Ende des Jahrzehnts für das aus SPD-Sicht wenig hoffnungsvolle OB-Rennen in Düsseldorf aufgeben möchte.
Den Wahlkampf könnte Cornelia Wilkens noch gut schaffen. Stephan Keller war Stadtdirektor von Köln, als er 2020 antrat. Vor der Sommerpause kombinierte er Wahlkampftermine mit seinen Amtsgeschäften, in den letzten Wochen vor dem Wahltag konzentrierte er sich dann auf Düsseldorf.
Aber was macht Cornelia Wilkens, wenn sie verliert? Für solche Fälle bieten Parteien gerne gute andere Posten als Entschädigung an. Die SPD hat im Land aber aktuell keinen Einfluss, um Jobs in Ministerien oder an vergleichbaren Stellen zu vergeben. Auf kommunaler Ebene sieht es ähnlich aus. Die SPD hat in Düsseldorf zwar das Vorschlagsrecht für das Dezernat Soziales, Schule, Familie und Sport. Das aber leitet Burkhard Hintzsche, und der ist bis Ende 2027 gewählt.
Sandra Scheeres
Der zweite überraschende Name, den man aus SPD-Kreisen hört, ist der der früheren Bildungssenatorin von Berlin. Sandra Scheeres war in drei Kabinetten des Stadtstaates für das Thema verantwortlich. Auch sie bringt also die passende Erfahrung für die Führungsaufgabe in einer Großstadt mit.
Und sie kennt Düsseldorf noch besser als Cornelia Wilkens. Sie ist hier zur Welt gekommen, hat hier Pädagogik studiert und saß hier zwischen 1999 und 2000 sogar einmal kurz für die SPD im Stadtrat. Der Beruf brachte sie dann nach Berlin, dort zog sie 2006 per Direktmandat ins Abgeordnetenhaus ein und wurde 2011 Senatorin.
Das Amt behielt sie gut zehn Jahre und gab es 2021 offiziell aus freien Stücken auf. Sie wolle den Platz frei machen für eine neue Vertreter:in, schrieb sie damals in einem Brief an die Genossen. Das bedeute aber nicht, dass sie sich nicht weiter für die Partei engagieren werde.
Das wäre auch in Düsseldorf möglich. Im Unterschied zu Cornelia Wilkens riskiert sie weniger, hat aber gemessen an den Kriterien der Partei einen leichten Nachteil: Sie wurde 1970 und damit im selben Jahr wie Stephan Keller geboren.
Sabrina Proschmann
Für die OB-Wahl 2030 hat die Düsseldorf SPD schon die ideale Kandidatin. Sabrina Proschmann ist 2020 in den Stadtrat eingezogen, hat sich dort sofort profiliert und ist seit 14 Monaten Co-Vorsitzende der Fraktion. Sie ist die Expertin für das wichtigste Thema der SPD, bezahlbares Wohnen, erwies sich als starke Verhandlerin in den Gesprächen mit dem Oberbürgermeister über Wohnbauprogramm und Oper, und hielt im Dezember die beste Haushaltsrede, die der Rat seit langem erlebt hat.
Das einzige Argument gegen die promovierte Historikerin: Sie könnte als zu jung empfunden werden. Sie ist 31 und wäre in der heißen Phase des Wahlkampfs 33. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie einige Kraft darauf verwenden müsste, zu erklären, warum sie nicht zu jung dafür ist, eine Verwaltung mit rund 12.000 Mitarbeitenden zu führen. Nach fünf weiteren Jahren an der Spitze der Fraktion, vielleicht sogar mit einer Beteiligung der SPD an einem Mehrheits-Bündnis im Rat, sähe das anders aus.
Die SPD könnte allerdings nach dem Katarina-Barley-Prinzip agieren. Die frühere Familien- und Justizministerin war vor fünf Jahren in einen aussichtsfreien Europawahlkampf gezogen und hatte sich dort höchst respektabel geschlagen. Nun, fünf Jahre später, ist sie bekannte Spitzenvertreterin ihrer Partei und wie selbstverständlich neben dem Kanzler auf den Wahlplakaten zu sehen.
Auf Düsseldorf übertragen meint das: Sabrina Proschmann tritt 2025 in dem relativ sicheren Wissen an, Stephan Keller nicht schlagen zu können. Sie wird dadurch bekannter und stärkt ihren Ruf anschließend als alleinige Fraktionsvorsitzende. 2030 würde sie dank alledem mit Voraussetzungen starten, die sie nicht hätte, wenn jetzt jemand anderes antritt.
Fabian Zachel
Sollten die genannten Kandidatinnen alle nicht in Betracht kommen, hat die SPD noch eine weitere Option. An Willen und Überzeugung vom eigenen Können mangelt es Fabian Zachel nicht. Er wäre bereit und er weiß, dass 2025 seine beste Chance bietet.
Auf den Fall der Fälle hat sich der gebürtige Düsseldorfer auf verschiedene Weise vorbereitet. Er ist Vorstandsvorsitzender des Vereins „Zukunft durch Industrie“ geworden und besetzt damit zwei wichtige Themen: Wirtschaft im Allgemeinen und Arbeitspolitik in den für die SPD wichtigen Industrie-Branchen. Sowohl in seinem Job beim Düsseldorfer Flughafen als auch über „Zukunft durch Industrie“ besitzt Fabian Zachel ein Netzwerk, in dem sich viele große und/oder wichtige Unternehmen befinden. Das können nicht viele Sozialdemokrat:innen von sich behaupten.
Das zweite Feld, in dem der 39-Jährige sehr rege ist, sind die Sozialen Netzwerke. Seine Profile weisen 1100 bis 3600 Follower aus. Für seine Beiträge scheint sich Fabian Zachel NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zum Vorbild genommen zu haben. Der versorgt sich mit viel Sympathie, indem er immer wieder als junger Vater auftritt. Fabian Zachel präsentiert sich ähnlich, allerdings mit einer Inbrunst gegen die Hendrik Wüst beinah subtil agiert.
Die genannten Follower-Zahlen deutete es an: Fabian Zachel kennt viele Menschen in der Stadt. Er ist im Karneval unterwegs und zählt nicht zu den Menschen, die eine Runde in einer Kneipe als erste verlassen. Das ist einerseits eine Stärke, weil er jenseits der klassischen SPD-Zielgruppen Wähler:innen für sich begeistern könnte.
Andererseits erscheint er im Vergleich mit allen anderen Bewerber:innen als politisches Leichtgewicht. Er hat zwei Jahre als Referent des Oberbürgermeisters in der Verwaltung gearbeitet und dabei vorübergehend das Projekt Tour de France geleitet. Er ist treues Parteimitglied und im Ortsverein engagiert, gehörte aber nie dem Stadtrat an.
Ein Argument gibt es in diesem Kontext aber noch: Im Wahlkampf für Thomas Geisel hat Fabian Zachel unmittelbar erlebt, wie man als vermeintlich chancenloser Kandidat ein Rennen gewinnen kann.
Fazit
Die SPD ist mindestens auf dem Papier in einer überraschend komfortablen Situation. Sie hat gleich mehrere mögliche OB-Kandidat:innen, für die jeweils vieles spricht. Entscheidend ist aus unserer Sicht, mit welcher Haltung die Partei in den Wahlkampf geht. Wenn sie annimmt, gegen Stephan Keller chancenlos zu sein, wird sie vermutlich niemanden von außen holen. Dann kommt es darauf an, ob sie mit Sabrina Proschmann die Katarina-Barley-Strategie verfolgen möchte.
Weitere VierNull-Geschichten zum Thema
Die SPD in Düsseldorf wird roter
Thomas Geisel will mit aller Macht OB-Kandidat der SPD werden
Geisel beim BSW: Schlecht für die SPD, gut für die Grünen