Carlsplatz im Visier der Juristen

Die Streitigkeiten auf dem Markt sind nicht beigelegt und haben das Potenzial, die Lage dort grundsätzlich zu verändern. Der frühere Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) meint, die Stadt müsste ihren Vertrag mit den Händlern neu gestalten.
Veröffentlicht am 8. Dezember 2021
Carlsplatz
Düsseldorfs beliebtester Markt: der Carlsplatz. In den Kulissen rumort es - und das seit vielen Jahren. Foto: Andreas Endermann

Eine offenbar belesene Händlerin des Carlsplatzes schilderte mir die Lage auf dem Markt jetzt mit einem literarischen Vergleich: Es sei wie in George Orwells „Farm der Tiere“. Eine an sich gute Idee wird von einigen wenigen zum eigenen Vorteil missbraucht. Zur Erinnerung: In dem Roman-Klassiker übernehmen die Tiere die Leitung einer Farm als Kollektiv aus Gleichberechtigten. Aber bald reißen die Schweine die Macht an sich und terrorisieren die anderen mithilfe von Hunden, die sie herangezüchtet und scharf gemacht haben. Der Roman war eine überdeutliche Allegorie auf so genannte sozialistische Staaten und wurde dort auch prompt verboten. Die Botschaft „Alle sind gleich, aber einige sind gleicher“ wollte man nicht hören. 

Die Parallelen zum Carlsplatz sind durchaus gegeben. Ende der 1990er Jahre überließ die Stadt das Areal der Gemeinschaft der Händler, sozusagen unter dem Motto „besser privat regeln als staatlich“. Seitdem entwickelte sich dort eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Nur ein Teil der Händler ist Mitglied im maßgeblichen Verein, der mit einer eigens dafür gegründeten GmbH das Objekt managt. Wer in den inneren Zirkel will, muss Wohlverhalten zeigen. Wer kritisiert oder eigene Meinungen entwickelt, gilt als Querulant und fliegt raus. Mobbing ist, das berichteten über die Jahre mehrere Zeugen, an der Tagesordnung. Die Zahl der gekommenen und wieder verschwundenen Geschäftsführer ist auffällig. 

Derzeit gibt es neue Konflikte. Thomas Geisel, früherer Oberbürgermeister, ist Anwalt und vertritt einen umstrittenen Gastronomen (Trattoria Enzo) gegen den Carlsplatz-Verein. Der verweigert dem Wirt eine Vertragsverlängerung, auf die der eine Option hat. Der Verein verweigert mit fragwürdiger Begründung, wie Geisel findet. In Wahrheit wolle man den Mann loswerden. 

Außerdem gibt es häufig Kritik am veränderten Konzept des Markts. Der wird nach und nach zur Fressmeile: Es gibt immer mehr gastronomische Betriebe, aber ohne das in dieser Branche übliche Regelwerk. Vor allem fehlen Toiletten, Händler beschweren sich über Wildpinkler, der Brandschutz wird nicht ernst genommen. Soweit die Beschreibung des Ist-Zustands. 

Um eine Veränderung zu erreichen, müsste der Pachtvertrag der Stadt mit der Carlsplatz-Gesellschaft neu gestaltet werden. Die Vereinbarung läuft 2023 aus, die Verlängerung muss also 2022 verhandelt und auf den Weg gebracht werden. Die Händler haben allerdings eine Option auf eine zehnjährige Verlängerung. Ob sie die ohne weiteres ziehen können, muss juristisch geklärt werden. Dass sie das gern täten, ist gewiss. 

Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten: Die Stadt verlängert den Vertrag oder sie übernimmt den Markt, wenn juristisch möglich, wieder in Eigenregie. Thomas Geisel hält Letzteres offenbar für die beste Lösung. 

Sollte die Stadt den Vertrag verlängern, dann unter neuen Bedingungen. Das heißt: Es wird akzeptiert, dass aus dem reinen Verkaufsplatz inzwischen ein gastronomisch geprägtes Areal geworden ist, das ja auch von vielen geschätzt wird. Dann jedoch sind auch entsprechende Regeln bei der Hygiene und beim Brandschutz einzuhalten. Jedenfalls war Ende der 1990er Jahre, als man den Platz in die Regie der Händler gab, die Nutzung in der heutigen Form noch nicht abzusehen. Das heißt, die Vertragsgrundlage hat sich geändert: Heute ist üblich, was damals nicht Gegenstand der Vereinbarung war. 

Außerdem muss die Stadt offenlegen, was sie für die Nutzung des Platzes an Pacht einnimmt. Angeblich ist der Betrag vergleichsweise gering. Mit anderen Worten: Einer Gruppe von privaten Nutzern wird es ermöglicht, auf städtischem Grund gegen geringes Entgelt gute Geschäfte zu machen. Ob das mit den Pflichten einer Kommune zum optimalen Wirtschaften vereinbar ist, wird bezweifelt.


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