Opposition in Düsseldorf – so geht es (nicht)

Im Düsseldorfer Stadtrat hat sich nach der Wahl im vergangenen Jahr viel verändert. Ein neuer Oberbürgermeister leitet die Sitzungen, zwei neue Kooperationspartner (CDU und Grüne) haben sich zusammengeschlossen, neue Ratsfraktionen und -gruppen sind zu den bisherigen dazugekommen. Gleich geblieben ist das Prinzip, nach dem Entscheidungen fallen. Die Ratsmehrheit, nun also die Grüko, bestimmt, welche Vorhaben durchkommen und welche nicht. Folglich lohnt sich ein Blick auf die Strategien, mit denen die Oppositionsfraktionen und -gruppen versuchen, zu politischen Erfolgen zu gelangen. Phantomschmerz (SPD/Volt) Die Sozialdemokrat*innen haben in der vergangenen Legislaturperiode doppelt mitregiert, einerseits in der Person des damaligen Oberbürgermeisters Thomas Geisel, anderseits als Teil der Ampel-Kooperation mit den Grünen und der FDP. Bei der Kommunalwahl 2020 verlor die SPD diese Möglichkeit und ein Drittel ihrer Sitze im Rat. Sie war deshalb zunächst vor allem damit beschäftigt, eine neue Rolle zu finden. Das erste halbe Jahr der neuen Legislaturperiode war von einem schmerzhaften Prozess auf der Suche nach neuer Orientierung geprägt. Die Sozialdemokrat*innen haben mit den beiden Ratsmitgliedern der europa-freundlichen Volt-Gruppe eine gemeinsame Fraktion gebildet. Das hat sie zwei Stimmen stärker gemacht, ihr aber bisher keine erkennbaren Vorteile bei den Abstimmungen beschert. Noch deutlicher wird die Orientierungssuche bei den Protagonisten der vorherigen Legislaturperiode. Der SPD/Volt-Fraktionsvorsitzende Markus Raub hat in der Haushaltssitzung im Februar zahlreiche Vorschläge präsentiert. Die damit verbundenen Anträge hat die Grüko allesamt abgelehnt. Dennoch verkündete Raub am Ende der Sitzung zur Verwunderung vieler, die SPD werde dem Haushalt zustimmen, als ginge es darum, loyal – wie früher – zu Kooperationspartnern zu stehen. Ähnliche Rollenfindungsschwierigkeiten zeigt der frühere Vorsitzende des Verkehrsausschusses, SPD-Ratsherr Martin Volkenrath. Als einfaches Mitglied des Gremiums verbraucht er viel Zeit für Redebeiträge, die vor allem das Ziel zu haben scheinen, seinen Nachfolgern zu sagen, dass sie es nicht so gut machen wie er früher. Hoffnungen wecken die neuen sozialdemokratischen Akteure: die neue Co-Vorsitzende der Fraktion Marina Spillner, die neuen Ratsmitglieder Sabrina Proschmann und Hakim El Ghazali – sie alle haben in den vergangenen Wochen gezeigt, dass sie sich in die Verfahren und Rituale eingefunden haben, nun neue Akzente setzen und sich nicht mehr mit der Vergangenheit beschäftigen. Plötzlich frei (FDP) Die Liberalen hatten die größte Umstellung zu verkraften. Sie waren seit 1999 ununterbrochen an der Ratsmehrheit beteiligt und sind dies trotz eines sehr guten Wahlergebnisses nun nicht mehr. In der neuen Rolle fühlt sich die FDP aber offenbar wohl. Da sie keinem Partner verpflichtet ist (in der Vergangenheit war sie mal mit CDU oder SPD und Grünen verbandelt), agiert sie nun frei von allen Zwängen: Der Fraktionsvorsitzende Manfred Neuenhaus erklärte im Februar, dass er auf eine Haushaltsrede verzichtet, wenn diese nur als Video im Internet zu sehen und nicht mit einer Debatte verbunden ist. Ratsfrau Monika Lehmhaus positionierte sich in der allgemeinen Euphorie über eine Drohnenshow, die das Silvesterfeuerwerk in Düsseldorf ersetzen soll, gegen dieses Vorhaben. Die Zahl der Anfragen und Anträge ist im Vergleich mit anderen Fraktionen gemäßigt, die FDP scheint keinerlei unnötigen Geltungsdrang zu verspüren. Ihre bisherigen Schwerpunkte sind Verkehr, Wirtschaft, Sport – und Freiheit. Alte Frische (Linke) Die Linke hat mit großem Abstand die meisten Anfragen und Anträge im Stadtrat und den Ausschüssen gestellt. Das ist insofern erstaunlich, als die Anträge fast alle abgelehnt werden. Der mutmaßlich größte Erfolg war der einzige fremde Haushaltsantrag, den die Grüko nicht abgelehnt hat. Die Linke hat in Ergänzung zu einem Antrag von CDU und Grünen für einen Abenteuerspielplatz gefordert, dieser solle auch barrierefrei und inklusiv gestaltet werden. In den zahlreichen Anfragen und Anträgen werden folgende Schwerpunkte sichtbar: Die Linke positioniert sich ähnlich wie die SPD für das Thema bezahlbarer Wohnraum, das die Ratsmehrheit bisher eher stiefmütterlich behandelt. Flächendeckendes Tempo 30 und Hilfe für Sozialschwache (insbesondere im Corona-Kontext) sind weitere Themen, die die Linke regelmäßig einbringt. Angeführt wird die Fraktion dabei von Julia Marmulla, die zwar neu im Rat ist und der man die Aufregung bei ihren Redebeiträgen noch anmerkt, die aber mutig und unbeeindruckt von den üblichen Verunsicherungs-Versuchen der erfahrenen Ratsmitglieder die Ziele der Fraktion vertritt. Mehr als Mono (Die Partei/Klimaliste) Neben der gerade erwähnten Julia Marmulla fällt unter den neuen Ratsmitgliedern vor allem einer auf: Lukas Fix. Er ist der einzige Vertreter der Klimaliste und hat gemeinsam mit den beiden Ratsleuten von Die Partei eine Fraktion gebildet. Diese Fraktion hat angesichts ihrer geringen Größe und bisherigen Erfahrung erstaunlich viele Anfragen und Anträge eingebracht. Lukas Fix ist dabei Stimme und Gesicht der Fraktion. Er präsentiert die Anliegen angenehm frei von aller Show, knapp und fachlich fundiert. Dabei ist die Fraktion nicht monothematisch ausgerichtet, neben dem Klimaschutz ist sie zum Beispiel auch bei der Digitalisierung sehr rege. Bisher scheitert sie mit alledem noch wie die anderen Oppositionsfraktionen an der Ratsmehrheit. Die Grünen lehnen dabei Anträge ab, die ihnen inhaltlich sehr nahe sind. Es wird aber spannend zu sehen sein, wie lange sie dies noch argumentativ verteidigt kriegen. Vor allem dagegen (AfD) Die drei Vertreter*innen der AfD im Stadtrat agieren ähnlich die ihre Parteikolleg*innen auf Landes- und Bundesebene. Sie wollen den Gegner*innen der Corona-Maßnahmen signalisieren, dass sie eine politische Heimat für sie sein könnten. Deshalb stellen sie Anfragen zum Thema oder tragen im Stadtrat die Maske unter der Nase. Dagegen ist die AfD so ziemlich in jeder Abstimmung (es sei denn es geht um eigene Anträge), besonders vernehmbar ist dies bei den Themen Klimaschutz, Vielfalt und Migration/Integration. In der Stadtrat-Sitzung Ende April stellte die Fraktion gleich ein Dutzend Anfragen und Anträge, darunter waren der Vorschlag für eine &bdquo;Abschiebe-Initiative“ am Düsseldorfer Flughafen und für die Streichung von Zuschüssen für den Kreis der Düsseldorfer Muslime. ADHS für Erwachsene (Tierschutz/Freie Wähler) Allein zum Haushalt hat die Ratsgruppe Tierschutz/Freie Wähler 70 Anträge gestellt (zum Vergleich: CDU und Grünen haben 45 gemeinsame Anträge gestellt, die Linken 34, SPD/Volt 32). Auch sonst ist die Gruppe reichlich auf den Tagesordnungen vertreten, sehr gerne etwa bei Anfragen aus aktuellem Anlass. Die Mitglieder lesen offenbar viel, denn so wie sie sich mit den Anfragen auf aktuelle Medienberichte beziehen, so finden sie auch in der Geschäftsordnung des Rates immer wieder Normen, die ihnen gefallen. Die Ratsgruppe hat beispielsweise bei der Besetzung der Ratsausschüsse zu Beginn der Legislaturperiode für jeden einzelnen Ausschuss geheime Abstimmung beantragt und die Ratssitzung damit um mehrere Stunden verlängert. Ein höheres Ziel oder ein tieferer Sinn sind hinter den Aktionen schwer zu erkennen. Es geht bisweilen um Tierschutz – und immer um Aufmerksamkeit. Weiterführender Link Aufzeichnung der Ratssitzung vom 29. April

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