Rheinmetall sprengt die Grüko
Der Stadtrat entscheidet am 10. März über einen Antrag zu Sponsoren des Düsseldorfer Sports. Die Kooperationspartner CDU und Grünen werden voraussichtlich nicht gleich abstimmen – und die Grünen könnten für ihr Ansinnen eine Mehrheit bekommen. Wenn sich SPD, Linke, Die Partei/Klima und das Ratsmitglied von Volt dem Antrag anschließen, käme damit eine Mehrheit von 47 Stimmen zusammen. Der Rat hat 91 Mitglieder, mindestens 46 ergeben eine Mehrheit. Die CDU könnte also selbst mit FDP, AfD, Tierschutz/Freie Wähler und der Stimme des Oberbürgermeisters maximal 44 Stimmen erreichen.
Unterschiedliche Voten von Schwarz und Grün hat es in dieser Legislaturperiode vereinzelt schon gegeben, aber nicht verbunden mit einer so deutlichen Debatte. Man könnte sagen: Rheinmetall sprengt die Grüko. Wichtige Fragen und Antworten dazu im Überblick:
Was ist der Anlass für den Grünen-Antrag und die Debatte?
Die städtische Tochter D.Sports hat am 11. Februar eine Mitteilung zu einem neuen Sponsor des Düsseldorfer Sports veröffentlicht. Die Firma Rheinmetall werde künftig den Handball-Erstligisten Bergischer HC unterstützen, ebenso die Capitol Bascats (Erste Damen-Basketball-Bundesliga), die Nachwuchsarbeit des HC Düsseldorf (Handball) und neue Trendsportarten. Rheinmetall sei künftig „Official Partner“ der Sportstadt Düsseldorf.
In der Mitteilung nennen die Vertreter:innen von D.Sports Rheinmetall ein Traditionsunternehmen, das in unterschiedlichen Märkten aktiv sei. Unter anderem sei es ein „Systemhaus für Sicherheitstechnologie“. Auf der Homepage von Rheinmetall sieht man, was mit diesem Begriff gemeint ist. Das Unternehmen produziert und verkauft militärische Fahrzeuge, Waffen und Munition, Flugabwehrsysteme. Der Bereich „Defence“ von Rheinmetall hat 2020 einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro verzeichnet.
Wie haben die Grünen darauf reagiert?
Mona Neubaur, Spitzenkandidatin für die Landtagswahl aus Düsseldorf, und Stefan Engstfeld, Mitglied des Landtags und hiesiger Parteichef, haben sich frühzeitig gegen das Rheinmetall-Sponsoring gewendet. Die Ratsfraktion der Grünen hat mit dem erwähnten Antrag nachgelegt. Die Stadt solle den Sponsoring-Vertrag mit Rheinmetall rückgängig machen oder schnellstmöglich beenden, heißt es darin. Sollte dies bei Sportler:innen zu existentiellen Probleme führen, solle D.Sports oder die Stadt einspringen.
Im Entwurf des Antrags steht zudem, die Verwaltung solle eine Richtlinie erarbeiten, wer für ein Sponsoring nicht in Betracht komme. Die Grünen verweisen dabei auf die „Anlagenrichtlinie“, die aktuell diskutiert wird. Darin steht, in welche Unternehmen die Stadt Düsseldorf investieren könnte und in welche nicht. Analog könnte dies auch fürs Sponsoring gelten. Ausgeschlossen wären danach Unternehmen,
• bei denen eklatante Bestechungs- oder Korruptionsfälle in den vergangenen fünf Jahren nachgewiesen wurden,
• die an der Entwicklung, der Herstellung oder dem Vertrieb von Rüstungsgütern und Waffen beteiligt sind,
• die Pflanzen oder Saatgut genetisch verändern,
• die Tierversuche durchführen, ohne dass dafür eine gesetzliche Notwendigkeit besteht,
• die Produkte herstellen, die die Menschenwürde verletzen oder die unter Unterstützung oder Tolerierung menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit produziert werden,
• die […] Teile ihres Konzernumsatzes aus den Geschäftsfeldern Tabak, Alkohol, Pornographie, Glücksspiel, Atomkraft, Erdöl, Kohle oder Schiefergasgewinnung (so genanntes Fracking) erwirtschaften.
Wie positioniert sich die CDU?
Die vier christdemokratischen Landtagsabgeordneten (Angela Erwin, Olaf Lehne, Marco Schmitz und Peter Preuß) haben die Grünen am Donnerstag mit einer deftigen Stellungnahme kritisiert. Sie fürchten einen „unabsehbaren Schaden für die Sportstadt und den Wirtschaftsstandort“. Allein in den ersten vier Sätzen stehen die Worte „Verbotspartei“, „Moralpartei“ und „grüne Kontrollwut“. Am Ende der Mitteilung heißt es: „Wir erwarten von den Grünen die Rückkehr in die Wirklichkeit und eine aktive Beteiligung an Lösungen zur Finanzierung der Vereine.“
Drei Monate vor der Landtagswahl sind die CDU-Parlamentarier offensichtlich im Wahlkampfmodus und üben sich nicht unnötig in Rücksichtnahme auf den Kooperationspartner im Stadtrat. Die dort sitzenden Christdemokraten agieren vorsichtiger. Der Fraktionsvorsitzende Rolf Tups liefert ein Musterbeispiel für Diplomatie durch Eigentlich-nichts-sagen. „Aus meiner Sicht ist dieses Thema vielschichtig, und man darf es sich damit nicht zu einfach machen“, zitiert ihn die „Rheinische Post“. Rolf Tups weist wie andere Mitglieder seiner Fraktion darauf hin, dass Rheinmetall in Düsseldorf viel Gewerbesteuer zahle.
Was sieht der schwarz-grüne Kooperationsvertrag für solche Fälle vor?
CDU und Grüne haben mögliche Konfliktfälle in ihrer Vereinbarung geregelt. Auf Seite 88 des Kooperationsvertrags steht, die Partner strebten in allen Punkten im Rat und in den Ausschüssen eine gemeinsame Abstimmung an. Dazu hat man Strukturen entwickelt, also regelmäßige Treffen mit Fraktionsspitzen und Oberbürgermeister sowie mindestens zwei Mal auch mit den Parteispitzen. Wenn eine Fraktion einen eigenen Antrag stellen möchte, soll sie diesen „in angemessenem zeitlichem Vorlauf“ zuerst dem Kooperationspartner vorschlagen. Dann berate man und entwickle möglichst eine gemeinsame Initiative.
Das Verfahren haben die Grünen in diesem Fall eingehalten. Sie haben den Entwurf des erwähnten Antrags als erstes der CDU-Fraktion geschickt. Diese muss nun beraten, wie sie entscheidet.
Welche politischen Folgen hat das Ganze?
Das Thema hat die Grüko gesprengt. Die Partner werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gleich abstimmen. Der größtmögliche Kompromiss wäre eine Enthaltung der CDU, aber selbst diese gilt im Moment als unwahrscheinlich.
Der damit verbundene Riss ist kein neuer Riss, sondern einer, der schon immer vorhanden war und nur jetzt wieder sichtbar wird. Die Grünen haben zwei Ur-Themen: den Umweltschutz und die Friedenspolitik. Beides waren Gegenpositionen zur CDU. Beim Umweltschutz haben sich die beiden in den vergangenen Jahren über den Klimaschutz angenähert. Beim anderen Thema aber besteht der Konflikt zwischen der Wirtschaftspartei und der Friedenspartei fort.
Die schwarz-grüne Kooperation in Düsseldorf hat bisher überwiegend vertrauensvoll und loyal zusammengearbeitet. Damit dürfte sie die jetzige Krise überstehen – auch weil die CDU keine echte Partner-Alternative hat und viel dafür tun wird, weiter eine Ratsmehrheit für Oberbürgermeister Stephan Keller zu wahren.
Aber das Ganze wird Narben hinterlassen. Und davon sollten sich beide Seiten nicht zu viele einhandeln. Sonst könnten sich die Grünen an das mögliche Abstimmungsergebnis zur Sponsorenfrage erinnern und daran, dass es für sie sehr wohl alternative Partner im Stadtrat gibt.
Weiterer Artikel zu diesem Thema