Schaumgebremst – ein Wahlabend wie noch nie

Am Wahlabend ist man gerne unter sich. Die Parteifreunde kommen zusammen, es gibt Bier und salzige Brezeln, Mandatsträger schauen vorbei. Wenn die Wahllokale schließen, guckt man gemeinsam auf die Hochrechnung, um danach zu jubeln oder sich in tiefer Verzweiflung Trost zu spenden. Die Stimmung am Wahlabend im Düsseldorfer Rathaus ist eine völlig andere. Bei der CDU, im Sitzungssaal des Rates versammelt, ist man in einer diffusen, schwer zu beschreibenden Mal-gucken-was-kommt-Haltung. Bis zuletzt hat man gehofft, auf die treuen Wähler setzen zu können, die in der letzten Sekunde dann doch ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle machen, nämlich bei der Union. Das ist offenbar nicht passiert. Und offenbar haben es einige doch geahnt, dass es dieses Mal anders kommen könnte. Nur ein paar wenige Unions-Anhänger sitzen und stehen im Ratssaal, und als die Prognose mit wenig erfreulichen Fakten auf dem Bildschirm aufploppt, ist die Reaktion eher mau. Keine Enttäuschung, kein Beifall, nichts. Warum auch, wofür auch? Die drohende Hängepartie, das Kopf-an-Kopf-Rennen wird da grausam deutlich präsentiert. Achselzucken, ratlose Blicke. Eine Wahl wie keine andere. Als die CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel gegen kurz nach 18 Uhr auftaucht, weiß sie noch nicht, dass sie am Ende des Abends ihr Mandat verloren haben wird. Womöglich ahnt sie es, denn die ersten Zahlen aus den Düsseldorfer Wahlbezirken sehen nicht gut aus für sie. Bei der SPD sieht man zwar mit Wonne den knappen Vorsprung der Roten vor den Schwarzen, aber die Zahlen sind auch nicht gerade der Anlass für die pure Freude. Als es in ARD und ZDF unterschiedliche Hochrechnungen gibt, rennen die Genossen im Saal von einem Bildschirm zum anderen, weil dort die besseren Werte präsentiert werden. Endlich mal Grund zum Jubeln für die geschundenen Sozialdemokraten, denen noch die Häme im Nacken hängt, als sie seinerzeit mit desaströsen Umfragewerten überhaupt den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz aufstellten. Dass der jetzt vor seinem Herausforderer liegt, ist Balsam für die rote Seele, für die es schon lange keine guten Neuigkeiten mehr gab. Da klammert man sich auch an winzige Stellen hinter dem Komma. Andreas Rimkus gibt da noch mit ernster Miene Statements ab. Später wird sich seine Miene aufhellen, denn er lässt seine CDU-Gegenkandidatin Sylvia Pantel hinter sich und gewinnt den Wahlkreis Düsseldorf-Süd direkt. Eine der wenigen Sensationen dieses Abends. Andreas Rimkus erklärt, wie es ihm an diesem Abend geht - wenig später wird er erfahren, dass er den Wahlkreis Düsseldorf-Süd gewonnen hat. Foto: Andreas Endermann Nebenan, bei der Linken, ist die Stimmung noch schwerer beschreibbar – nämlich nicht vorhanden. Sie haben den eher kleinen Raum der Rats-Cafeteria für sich gebucht, und da herrscht schon kurz nach 18 Uhr gähnende Leere. Angesichts der desaströsen Zahlen kein Wunder: Fünf Prozent werden ihnen prognostiziert. Da ist man nahe an 4,9 und dem Ende im Bundestag. Also verzieht man sich lieber und leckt im kleinen Kreis wo auch immer die Wunden. Da fühlen sich die Grünen völlig anders. Sie haben im Ehrenhof zum gemeinsamen Genießen der – trotz Absturz aus traumhaften Höhen früherer Umfragen immer noch – guten Zahlen geladen, einige hundert Gäste sind dabei und hören dem Grünen-Landtagsabgeordneten Stefan Engstfeld zu. Aufmerksam wird registriert, wie zu vorgerückter Stunde die örtlichen CDU-Granden Oberbürgermeister Stephan Keller und sein Erster Bürgermeister Josef Hinkel auftauchen, um dem Partner in der kommunalen Grüko ihre Aufwartung zu machen und für weiter gute Stimmung im Bündnis zu sorgen. Grün-schwarzes Treffen am Wahlabend: Die Bürgermeisterin der Grünen, Clara Gerlach (links), kann entspannt mit CDU-Oberbürgermeister Stephan Keller über das Wahlergebnis sprechen. Die Grünen haben gut abgeschnitten, er stand nicht zur Wahl. Dabei: CDU-Bürgermeister Josef Hinkel (rechts) und die Amtsleiterin Miriam Koch (hinten). Foto: Andreas Endermann Solche Gäste kann die FDP an diesem Abend nicht begrüßen. Die Liberalen haben das KIT (Kunst im Tunnel) unterhalb der Kniebrücke zum wahlabendlichen Hauptquartier gemacht, und dort begießen sie sehr entspannt ihren bundesweiten Erfolg – im offenbar nicht so schlechten Bewusstsein, Königsmacher zu sein bei dem, was da nun kommt. Die FDP-Kandidaten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Christoph Schork sind dabei, und beide haben – obwohl als Direktkandidaten ohne Chance – zweistellige Ergebnisse geholt. Das hebt die Stimmung gewaltig, und daher fordert Schork denn auch, künftig auf keinen Fall mehr der &bdquo;unbekannte Kandidat“ genannt zu werden. Eine Prognose, für wen die Liberalen sich am Ende entscheiden werden, geben beide nicht ab. Nur so viel: Die Regierungsbildung werde lange dauern, meint Strack-Zimmermann. Dass sie dabei eine zentrale Rolle spielen wird, erwähnt sie nicht. Weiß eh jeder. Ab morgen gehen die Gespräche los, offiziell. In den Kulissen wird längst verhandelt. Checken die Lage: Die FDP-Kandidaten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Christoph Schork. Foto: Andreas Endermann

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