Schwarz-Grün in NRW: Das wird schwieriger als im Düsseldorfer Stadtrat

Wenn man Zweifel äußert, ob Schwarz und Grün politisch zusammenpassen, klingt das, als würde man Klischees aus früheren Jahren aufwärmen, Vorurteile über konservative Wirtschaftsversteher und umweltbewusste Weltverbesserer. Natürlich sind CDU und die Grünen heute andere Parteien, und es gibt inzwischen auch zahlreiche Beispiel für sehr gut funktionierende Bündnisse der beiden, zum Beispiel im Düsseldorfer Stadtrat. Dennoch möchte ich hier Zweifel äußern, dass die schwarz-grüne Koalition in NRW gut durch die nächsten fünf Jahre kommt und ein weiteres positives Beispiel in der Reihe wird. Mitte der Nuller Jahre habe ich meine Magisterarbeit über schwarz-grüne Bündnisse geschrieben und seitdem die Entwicklung solcher Koalitionen und Kooperationen beobachtet. Daraus haben sich vier Kriterien ergeben, die ausschlaggebend dafür sind, ob ein Bündnis hält: Persönliche Beziehungen. Ein gemeinsames Projekt. Gemeinsame Oppositionserfahrungen. Der Mangel an Alternativen. Zentraler Punkt meiner Analyse sind die persönlichen Beziehungen. Bevor ich dazu komme, möchte ich kurz erörtern, ob unter den drei anderen Kriterien solche zu finden sind, die positiv für die Stabilität von Schwarz-Grün in NRW wirken. Ein gemeinsames Projekt Der Koalitionsvertrag von NRW hat 146 Seiten. Man muss aber nicht weit blättern oder scrollen, um das mögliche zentrale Projekt des Bündnisses zu finden. &bdquo;Wir wollen Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas machen“, steht bereits auf Seite 2. Dieses Ziel ist sicher groß und ambitioniert genug, um zwei Partner zu einen. Allerdings sind die weiteren Ausführungen dazu eher Musterbeispiele der Konfliktvermeidung. Knackpunkte bleiben unausgesprochen oder ungelöst. CDU und Grüne werden später darüber streiten – und Kompromisse sind nicht selbstverständlich. Je nachdem, wie gravierend die Folgen des Ukrainekriegs für Deutschland und NRW noch werden oder ob Corona noch weitere heftige Konsequenzen hat, könnte die Bewältigung der Krise oder Krisen die beiden Seiten zusammenschweißen und Ersatz für das gemeinsame Projekt sein. Gemeinsame Oppositionserfahrungen Es gibt Städte, in denen die SPD lange allein regiert hat und CDU und Grüne gemeinsam in der Opposition saßen. In solchen Städten gab es oft schon ein gutes Fundament, wenn Schwarz-Grün die sozialdemokratische Vorherrschaft beendete. Ein solcher Pluspunkt fehlt auf Landesebene aber. Einer von beiden war in den vergangenen 27 Jahren immer an der Regierung beteiligt und meist auf eine Weise, die die jeweils andere Seite kritisiert und attackiert hat. Der Mangel an Alternativen Dieser Punkt wirkt zumindest leicht stabilisierend. Andere Konstellationen sind zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich. Die CDU könnte auch mit der SPD regieren, das ist allerdings kaum vorstellbar nach den schlechten Erfahrungen mit großen Koalitionen der vergangenen Jahre. Die Grünen haben die Option, sich mit SPD und FDP zusammenzuschließen. Das könnte mit Blick auf die Ampelkoalition in Berlin irgendwann angesagt sein, der Aufwand wäre aber dennoch beträchtlich. Zwischenfazit Die gemeinsame Bewältigung einer großen Krise oder ein ernstgemeinter gemeinsamer Kampf fürs Klima könnten CDU und Grüne verbinden. Außerdem haben beide keine naheliegenden Koalitions-Alternativen. Das sind zwei leichte Pro-Argumente für die Koalition, für wahre Belastbarkeit braucht das Bündnis aber mehr. Daher kommt es entscheidend auf das nächste Kriterium an: Persönliche Beziehungen Oberste Führungsebene: Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Stellvertreterin Mona Neubaur kommen offenbar gut miteinander aus. Sie sind in ähnlichem Alter, duzen einander und behandeln einander respektvoll. Mona Neubaur erscheint im direkten Vergleich rhetorisch und partei-intern stärker. Hendrik Wüst wirkt zugleich nicht so, als würde ihn das so stören, dass es dadurch zu Verwerfungen kommt. Deshalb ist dies ein Pluspunkt für die Koalition. Kabinett: Hier bahnt sich ein Aufeinandertreffen zweier Kulturen an. Im Kabinett sind voraussichtlich Christdemokraten vertreten, die Politik noch nach alter Schule machen und davon in diesem Leben auch nicht mehr abweichen, etwa Innenminister Herbert Reul und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Beide sind nicht für Kompromissfähigkeit berühmt, beide sind – anders als die Grünen-Minister:innen – vor dem Zeitalter wertschätzenden Verhaltens groß geworden.Erschwerend hinzu kommt, dass unter den CDU-Minister:innen auch Menschen vertreten sind, die gegen den jetzigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst gearbeitet haben. Ina Scharrenbach hat einiges dafür getan, selbst Ministerpräsidentin zu werden. Vertrauenserweckend erscheint sie daher zum Teil nicht einmal für die eigenen Leute, geschweige denn für den Koalitionspartner, wie Mitglieder der FDP aus der vorherigen Legislaturperiode anschaulich berichten. Hendrik Wüst könnte sie im Kabinett behalten haben, um die Gegnerin möglichst nah zu wissen. Für die Koalition bedeutet diese Strategie aber ein beachtliches Risiko. Fraktion: Oberbergischer Kreis, Märkischer Kreis, Rhein-Sieg-Kreis, Rhein-Erft-Kreis, Hochsauerlandkreis, Ostwestfalen. Bonn, Köln, Düsseldorf, Münster, Essen, Bielefeld. Aus den erstgenannten Regionen stammen viele der CDU-Mitglieder des Landtags, aus den aufgeführten Großstädten stammen zahlreiche Grüne, die nun im Parlament sitzen. Die Fraktionen unterscheiden sich gravierend. Sie sind auf komplett verschiedene Weisen politisch sozialisiert worden, haben daher ein anderes Problembewusstsein und andere Prioritäten.Unterschiede in Hochburgen und damit verbunden in thematischen Schwerpunkten zeigen sich bei Schwarz-Grün auch im Kleinen, also in den Städten, in denen sie zusammen regieren. In Düsseldorf zum Beispiel sind die Grünen im Zentrum stark und die CDU in den Stadtteilen am Rand. Das aber lässt sich noch überwinden, weil beide Lösungen für die Herausforderungen einer Großstadt suchen. Einen solchen gemeinsamen Bezugsrahmen gibt es für die Abgeordneten in einem so großen Land wie NRW kaum. Deshalb wird es entscheidend darauf ankommen, ob CDU und Grüne diese natürlichen Gräben überwinden. Fazit Der Titel meiner Magisterarbeit lautete &bdquo;Man wird sich grüner“. Damit wollte ich zum einen die Annäherung auf menschlicher Ebene beschreiben, zugleich aber auch die Entwicklung der CDU in Richtung der Grünen. Beides zusammen ermöglicht stabile Bündnisse, noch leichter wird es, wenn man gemeinsame Oppositionserfahrungen hat oder es keine Koalitions-Alternativen gibt. In NRW sind die beiden Voraussetzungen auf der ersten Ebene erfüllt. Hendrik Wüst und Mona Neubaur kommen gut miteinander aus und haben ein gemeinsames Ziel, die Klimaneutralität. Ob sich aber die Minister:innen und die Fraktionen ähnlich annähern können, ist aufgrund der gewaltigen Unterschiede fraglich. Weitere Geschichten Ein Porträt von Mona Neuabur Eine Analyse der schwarz-grünen Kooperation im Düsseldorfer Stadtrat Schlussfolgerungen zum Ergebnis der Landtagswahl am 15. Mai

Schwarz-Grün in NRW: Das wird schwieriger als im Düsseldorfer Stadtrat

Schwarz-Grün in NRW: Das wird schwieriger als im Düsseldorfer Stadtrat

Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

Kraftwerk, „Autobahn“ und die Welt von 1974

Oberbürgermeister trifft seinen Stimm-Zwilling

Zwei Düsseldorfer Zahnärzte und ihr Lehrling aus Vietnam