SPD spaltet die Grüko in Düsseldorf
Wie die meisten Beziehungskrisen fing diese harmlos an, eskalierte dann für alle Beteiligten überraschend und führte schließlich zu übertriebenen Liebesbeweisen und guten Gründen für Eifersüchteleien. CDU und Grüne haben 2020 eine Kooperation für den Düsseldorfer Stadtrat geschlossen und lange gut miteinander regiert. 2023 aber kommen sie nicht mehr aus einer Phase von Zweifeln, Vorwürfen und Meinungsverschiedenheiten heraus.
Die beiden Parteien haben sich vor knapp drei Jahren für eine Kooperation und nicht für eine Koalition entschieden. Das heißt: Sie legten für ausgewählte Themen gemeinsame Ziele fest und vereinbarten, bei neu auftauchenden Fragen als Erstes zusammen eine Lösung zu suchen. Beide gestanden einander aber auch zu, mal unterschiedlicher Auffassung zu bleiben.
Der schwarz-grüne Kooperationsvertrag ist rund 90 Seiten lang. Das beeindruckte zunächst, weil beide mehr als genug gemeinsame Aufgaben für die Legislaturperiode zu haben schienen. Nun aber gewinnt man mehr und mehr einen anderen Eindruck: Die beiden haben damals viele Anliegen aufgelistet, aber wenig gemeinsame Interessen.
Ich will es mit der Metaphorik nicht übertreiben, dennoch gibt es passend zur Beziehungskrise jemanden, der flirtet – und zwar mit beiden Seiten. Die Düsseldorfer SPD hat ihre eigene Krise und die Selbstzweifel nach der verlorenen Kommunalwahl 2020 überwunden. Sie agiert so selbstbewusst wie jemand, der sich im Winter ein Sixpack antrainiert hat und jetzt bei jeder Gelegenheit das Hemd auszieht.
Für den Alltag im Düsseldorfer Rathaus bedeutet das: Wenn die Grüko uneins wirkt, begibt sich die SPD an die Seite eines Beteiligten und verhilft diesem zu einer Mehrheit im Rat. Ich möchte das an vier Beispielen erklären:
Die neue Oper
Bis zum Mai dieses Jahres war alles weitgehend gut zwischen den Kooperationspartner:innen. Sie stimmten mal bei verkaufsoffenen Sonntagen oder dem Privatjet-Terminal des Flughafens unterschiedlich ab, aber das waren keine zentralen Fragen. Dann aber kündigten die Grünen an, aufgrund der aktuellen Lage im Moment keinen Neubau der Oper beschließen zu wollen. Damit flog bildlich gesprochen plötzlich Geschirr. Oberbürgermeister Stephan Keller erwies sich dabei als leidenschaftlicher Werfer, weil er den Grünen wiederholt Populismus unterstellte, also dass ihre Argumente nicht wahr seien.
Die SPD bot dem OB und der CDU ihre Stimmen an und verhandelte zugleich einen aus ihrer Sicht guten Preis, das Wohnbau-Programm. So kam es zu einer Abstimmung, bei der ein Teil der Kooperation gewann und sich im Rat selbst applaudierte – und ein Teil, der grüne, verlor.
Wohnen
Dass die Sozialdemokrat:innen ein Programm für 8000 neue Wohnungen bis zum Jahr 2030 beim Oberbürgermeister durchdrückten, musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass das die Grüko spaltet. Tut es aber. Die SPD wird hier nun so stark eingebunden, wie es üblicherweise nur bei Mitgliedern einer Ratsmehrheit der Fall ist. Schwarz-Grün dagegen kommuniziert bei diesem Thema nicht mehr offen, sondern nur noch in Unterton und Subtext.
Das zeigte sich im September bei der Abstimmung über das „Düsseldorfer Baulandmodell“, das die Verwaltung einbrachte. SPD und Grüne änderten mit ihren Anträgen die Vorlage so, dass die CDU nicht mehr mitstimmte, andere Fraktionen im Rat aber schon. Deshalb verloren diesmal die Christdemokrat:innen, während die Grünen sich durchsetzten. Nur eine Fraktion war immer auf der Siegerseite: die SPD.
Die Genossen genossen das – aber nicht schweigend. Die Abstimmungen hätten gezeigt, „wie essenziell es war, dass die SPD bei diesem Thema wieder mitspricht. Denn CDU und Grüne sind sich chronisch uneins“, schrieben sie in einer Pressemitteilung.
Radleitrouten
Man kann nicht sagen, dass die SPD beim Spalten der Grüko besonders subtil vorgeht, aber sie wählt die Momente mit Feingefühl. Der Stadtrat diskutiert jetzt im Herbst vor allem über den städtischen Haushalt. Um den steht es nicht gut. Der Oberbürgermeister möchte dennoch weiter investieren und erst 2025 darüber sprechen, welche Positionen man streichen könnte. Zu den sehr wenigen Sparvorschlägen, die er jetzt schon gemacht hat, zählt ein Lieblingsprojekt der Grünen: die Radleitrouten.
So bezeichnet man im Rathaus die Strecken, auf denen es einen durchgehenden Radweg gibt und an Kreuzungen und Abbiegungen dafür gesorgt wird, dass die Radfahrer:innen schnell weiterkommen. Die erste dieser Leitrouten ist beschlossen, sie führt vom Norden der Stadt bis zum Südring. Die zweite Route wird vorbereitet, sie soll vom Linksrheinischen bis nach Gerresheim reichen. Die Grünen möchten zügig weitermachen und vier weitere Strecken planen. Die Mittel dafür hat Stephan Keller aber eben aus dem Etat für die Jahre 2024 und 2025 herausgenommen.
Auftritt SPD: Die Fraktion hat einen Haushaltsantrag formuliert, mit dem sie das Geld für die Planung der Radleitrouten drei bis sechs fordert. Die Grünen können gar nicht anders, als dafür zu sein, die CDU muss ihrem Oberbürgermeister folgen.
Umbau des Konrad-Adenauer-Platzes
Ich hatte am Anfang von übertriebenen Liebesbeweisen geschrieben. Die gab es, als die Grüko ihr Parkraumkonzept auf den Weg brachte. Da erklärten offenkundige Freunde der Individualmotorisierung aus der CDU plötzlich, warum es richtig und gut sei, höhere Gebühren für Parkplätze und Bewohnerparkausweise zu nehmen.
Dieselben Ratsleute klingen in einer aktuellen Debatte allerdings anders. Es geht um den Umbau des Platzes vor dem Hauptbahnhof. Den diskutiert die Stadt seit Jahrzehnten, den hat die Rathausspitze lange mit der Deutschen Bahn verhandelt. Nun liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, den die CDU gut findet und die Grünen nicht. Deren Kritik: zu viele Parkplätze für Autos, zu wenig Fortschritte für den Radverkehr, zu viele Bäume, die gefällt werden müssen.
Die Unterschiede werden inzwischen nur noch marginal wertschätzend erörtert. Im Verkehrsausschuss sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Andreas Auler, die Grünen wollten die Menschen „gängeln“. Es ist nicht so, dass die Grünen mit diesem Vorwurf nicht vertraut wären, aber vom eigenen Partner hatten sie ihn noch nicht gehört. Und die Christdemokrat:innen legten mit einer Pressemitteilung nach. Darin ist von einem „Riesenfortschritt nach Jahren des Stillstands“ die Rede, Kritiker:innen des Riesenfortschritts wirft Andreas Auler vor, sie sagten „ganz bewusst die Unwahrheit“.
Die SPD scheint in dieser Debatte bisher den Grünen nahe zu sein und den Vorschlag abzulehnen. Aber selbst, wenn sie noch ihr Faible für staatstragendes Abstimmen wiederentdeckt: Sie wird wieder an der Seite eines Grüko-Teils sein und gegen den anderen.
Fazit
Für die SPD im Düsseldorfer Stadtrat war 2023 ein erfolgreiches Jahr. Sie hat ihre Inhalte mit Machtpolitik verbunden, für eine Oppositionsfraktion erstaunlich viel erreicht und dem schwarz-grünen Bündnis wenig Gelegenheit zur erfolgreichen Paartherapie gelassen.
Man kann deshalb darüber spekulieren, ob es im Rat noch einen Wechsel gibt. Möglich ist nur einer: CDU und SPD hätten zusammen eine Stimme mehr als erforderlich, Grüne und SPD bräuchten weitere Fraktionen, um eine Mehrheit zu haben. Das ließe sich schon kaum organisieren, wenn man viel Zeit hätte, weniger als zwei Jahre vor der Kommunalwahl sind aber ganz sicher zu wenig.
Die Grünen wissen, dass sie 2024 und 2025 ihre Ziele nur erreichen, wenn sie in der Kooperation mit der CDU bleiben. Die Christdemokrat:innen werden sich nicht ohne weiteres auf die riskante Mini-Mehrheit eines schwarz-roten Bündnisses einlassen. Trotz der wirkungsvollen Sticheleien der SPD lautet meine Prognose daher: Wenn die Grüko den Doppel-Haushalt im Dezember verabschiedet bekommt, bleibt sie zusammen, bis die Wahl sie scheidet.
Weitere VierNull-Geschichten zum Thema
Die Mehrheit im Stadtrat in Düsseldorf: die Grüko