Stephan Keller – der Abräumer
Ohne Konkurrenz ist das Leben einfacher. Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller hat die Jahre seit seiner Wahl 2020 ohne große politische Herausforder:innen verbracht. Zwar hat der grüne Kooperationspartner seiner CDU gelegentlich eigene Wege eingeschlagen oder die sozialdemokratische Opposition mal Forderungen durchgesetzt. Ganz grundsätzlich konnte der Rathauschef aber nach einem einfachen Grundsatz agieren: Vermeidet er Fehler, wie sie die Vorgänger Dirk Elbers (CDU) und Thomas Geisel (SPD) gemacht haben, ist sein Amt sicher.
Nun verändert sich die Situation – und mit ihr der Oberbürgermeister. Die SPD hat ihren OB-Kandidaten bereits benannt, die FDP zieht am 2. November nach, die Grünen am 6. November. Stephan Keller bekommt Konkurrenz, und es reicht nicht mehr, nur keine Fehler zu machen. Seine neue Strategie scheint nun zu sein, Probleme so zu beseitigen, dass sie gar nicht erst sichtbar werden. Die folgenden drei Beispiele zeigen, wie dieser Ansatz funktioniert:
Fortuna-Büdchen
Am Vormittag des 8. Oktober meldeten die Betreiber des Kiosks am Rheinufer, dass sie zum Jahresende raus müssen. Bei Facebook brach umgehend eine Welle der Sympathiebekundungen los und Kritik an wem auch immer, der das zu verantworten hat. Es kursierten Gerüchte, die Stadt habe das Büdchen verpachtet und nun den Vertrag gekündigt.
Stephan Keller lernte zur selben Zeit ein Berufsrisiko kennen: Dienstreisen. Er befand sich auf der Immobilien Expo Real in München und präsentierte dort neue Projekte für Düsseldorf. Da ließ es sich schlecht auf eine unerwartete Lage reagieren. Zumindest nicht persönlich. Zur Mittagszeit tauchten deshalb die Leiterin des OB-Büros und der Stadtsprecher am Fortuna-Büdchen auf. Sie versuchten herauszufinden, wem was gehört und wer wem gekündigt hat. Für ihren Chef verbreiteten sie anschließend ein Zitat: „Der Hilferuf der Betreiber hat mich erreicht und ich werde alles tun, um dieses Kult-Kiosk zu erhalten.“
Der Oberbürgermeister war damit der erste, der auf den Fall reagierte. Die SPD veröffentlichte erst am späten Nachmittag eine Solidaritätsvideo im Internet. Bevor andere sich als Kümmerer präsentierten und der Rathauschef eventuell desinteressiert erschien, räumte Stephan Keller das Thema ab.
Das Signal saß und fand eine ebenso eindrucksvolle wie skurrile Bestätigung. Nicht mal einen Tag später stand fest, dass die Stadt lediglich Eigentümerin des Grundstücks ist. Das Büdchen gehört einer Privatperson, die es bisher an die Betreiber verpachtet hat und dies nun nicht fortsetzen möchte. Ein ganz normaler privatrechtlicher Vorgang, an dem Außenstehende nichts ändern können. Der Oberbürgermeister wollte „alles tun“, in Wahrheit kann er nichts machen. Aber das war schon nicht mehr wichtig, weil der Fall vom Tisch war.
Cecilienallee
In der Stadt sollen große durchgehende Radwege entstehen, so genannte Leitrouten. Eine davon führt grob von der Arena bis zum Südring – und deshalb über die Cecilienallee. Dieser Abschnitt ist Teil eines Förderprogramms. Das heißt, es gibt Zuschüsse für den Bau des Radwegs. Deshalb hatte die Stadt im Verkehrsausschuss bereits einen Plan veröffentlicht, in dem man sehen kann, dass diese Strecke dort entsteht, wo im Moment Parkplätze sind.
Die Anwohner:innen sind entsprechend unruhig, bekommen aber auf ihre Frage, ob es denn wirklich so kommt, keine Antwort. Angesichts der sehr guten Wohnlage am Rheinpark kann man davon ausgehen, dass CDU-Wähler:innen betroffen sind. Die Antwort auf meine Anfrage aus dem Rathaus lautete passenderweise: „Die Stadtverwaltung arbeitet derzeit an der Erstellung der Planung, in der die verschiedenen Nutzungsansprüche berücksichtigt werden.“
Vom bereits veröffentlichten Plan war keine Rede mehr. Vielmehr bekommt man den Verdacht, dass die erwähnte Erstellung nun so lange dauern könnte, bis die Kommunalwahl vorüber ist. Wenn man das Tempo in der Verkehrsplanung beobachtet, wäre das nicht einmal ungewöhnlich.
Stephan Keller hat dabei noch einen Vorteil: Andere Kandidat:innen können sein Vorgehen an dieser Stelle kaum gewinnbringend kritisieren. Denn im Zweifel ziehen sie sich nur den Zorn der Anwohner:innen zu, die die Parkplätze behalten möchten.
Gerresheimer Unterführung
Über den jüngsten Fall haben wir am 22. Oktober hier bei VierNull berichtet. Dabei steckt der Oberbürgermeister in einer noch kniffligeren Lage. Vor gut zwei Jahren verkündete er in seiner Haushaltsrede, die Stadt müsse sparen, deshalb könne der für den S-Bahnhof in Gerresheim geplante und 40 Millionen Euro teure Tunnel nicht gebaut werden. Das war angesichts der finanziellen Lage nachvollziehbar. Der politische Kompromiss lautete damals, dass man eine günstigere Lösung sucht, um die Trennung der Stadtteil-Hälften zu überwinden.
Nun hat die Verkehrsverwaltung zwei Lösungen vorgestellt, die ursprüngliche Unterführung und eine Fußgänger-Rad-Brücke. Die Vertreterinnen und Vertreter des Stadtteils sind klar für den Tunnel, die Politiker:innen im Rathaus werden ihnen voraussichtlich folgen. Stimmen sie im November für die Röhre, würde deren Planung beginnen – und das würde ganz sicher über die Wahltermine im September 2025 hinaus dauern.
Stephan Keller räumt auf andere Weise ab. Er schweigt und widerspricht sich nicht selbst. Er überlässt die Entscheidungen den Politiker:innen und hat damit weder Position bezogen noch Verantwortung übernommen. Er kann in Ruhe in den Wahlkampf gehen und wird sich mit dem Gerresheimer Thema erst später wieder beschäftigen müssen.
Fazit
In der Politik können sich Themen schnell verselbständigen und sind dann nicht mehr einzuholen. Die Verantwortlichen hecheln dann nur noch hinterher. Der Sturm „Ela“ war für Oberbürgermeister Dirk Elbers ein solcher Fall, der Pop-up-Radweg am Rhein oder das Video mit Rapper Farid Bang waren es für Thomas Geisel.
Stephan Keller weiß dies und ist darauf eingestellt. Er versucht, solche Themen frühzeitig zu identifizieren. Entweder kann er sie dann in Verwaltungsvorgängen vorerst verschwinden lassen oder sofort reagieren.
Bisher hat das gut funktioniert. Das hohe Tempo birgt aber weitere Risiken. Das Beispiel Fortuna-Büdchen war zwar mit einem positiven Signal des Oberbürgermeisters verbunden, zeigte aber auch, wie zügig man inhaltlich daneben liegen kann.
Es kommt für den Oberbürgermeister daher in den nächsten Monaten wesentlich darauf an, dass er gut beraten wird. Bisher hat er die passenden Leute dafür in seinem Umfeld versammelt und gehalten. Es ist in seiner bisherigen Amtszeit nicht einsam um ihn geworden – auch das war ein Fehler, den seine Vorgänger höchst lehrreich begangen haben.