Thomas Geisel entspannte auf der Luxus-Yacht eines Baulöwen

Düsseldorfs früherer OB tritt zur Europawahl für das Bündnis Sahra Wagenknecht an. Das gibt sich als Anwalt wenig betuchter Menschen. Ob der Ex-Rathaus-Chef das glaubhaft vertreten kann? Während seiner Amtszeit und danach pflegte er engen Kontakt zu Investoren wie Uwe Reppegather.
Veröffentlicht am 20. Februar 2024
Uwe Reppegather und Thomas Geisel
Bei einer Party 2015 im Münchener Club P1: Uwe Reppegather (links) und Thomas Geisel. Foto: Frank Boxler

Dass er gut auskam mit den beiden – inzwischen in Teilen insolventen – Baulöwen René Benko und Uwe Reppegather, hat Thomas Geisel gern erwähnt. Oft berichtete er von seinen Gesprächen mit René oder Uwe (er duzt beide) und pflegte die Beziehung auch außerhalb der Dienstzeit. Verbürgt sind Abendessen mit Reppegather im feinen Hafen-Restaurant Lido. Dort zu zweit, zu viert oder mit noch mehr Menschen zu essen ist teuer, kann schnell 1000 und mehr Euro kosten.

Planungsdezernentin Cornelia Zuschke, ebenfalls mindestens einmal zu einem solchen Dinner eingeladen, zog es vor, lediglich ein Mineralwasser zu trinken und dann zu gehen. Damit hielt sie sich an die strengen Compliance-Regeln, die es Beamten verbietet, Geschenke jedweder Form anzunehmen. Die Grenze dafür liegt laut Beamtengesetz bei 25 Euro, und ein solches Abendessen sprengt sie allemal.

Auch außerhalb von Düsseldorf gab es privates Beisammensein zwischen Geisel und dem Chef der Centrum-Gruppe. Während der Münchener Immobilien-Messe ExpoReal pflegte Reppegather ins P1 einzuladen – ein exklusiver Club, in dem er zum Beispiel 2015 seinen Geburtstag feierte. Einer der Gäste: Thomas Geisel. Unser Foto zeigt, dass Düsseldorfs damaliger OB sich wohlfühlte.

Geisel schätzt seine damalige Beziehung zu Reppegather als „freundschaftlich“, wie er mir jetzt erklärte. Diese Freundschaft hielt auch, nachdem Geisel 2020 abgewählt wurde. Wenige Monate später, im Sommer 2021 lud Reppegather ihn ein, auf seiner Yacht „Dolphin“ zu entspannen. Die lag damals vor Ibiza. Der ehemalige Rathauschef nahm die Einladung an – zwei Tage lang habe er dort mit seiner Frau entspannt, sagt Geisel.

Auf der Yacht gewesen zu sein, sieht Geisel gelassen. Ein Verstoß gegen Compliance-Regeln erkennt er nicht. Er sei ja nicht mehr im Amt gewesen, und es habe keinerlei Gefälligkeiten für Reppegather gegeben. Diese Einschätzung ist, juristisch gesehen, korrekt. Geisel weist zudem darauf hin, dass er seinerzeit dafür gesorgt habe, dass Reppegather beim Kauf des Grundstücks am Kö-Bogen 70 Millionen Euro zahlen musste – viel mehr, als die Stadt ursprünglich gefordert hatte. Auch das ist richtig.

Legal – aber auch legitim?
Ich habe einen Anwalt zu dem Fall befragt. Er ist Strafrechtler und Experte für Compliance-Regeln. Sein Statement: „Ein Oberbürgermeister unterliegt als Amtsträger den Korruptionsvorschriften. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt verliert man die Eignung als Täter. Allerdings gilt das nicht für Handlungen, die ihren Ursprung in der Zeit als Amtsträger haben. Luxuriöse Urlaube, die schon vor dem Ausscheiden aus dem Amt versprochen, gefordert oder in Aussicht gestellt wurden, würden rechtlich als Vorteilsnahme § 331 StGB gewertet. Zur Bestechung würde eine solche Sachlage, wenn die betreffende Person aufgrund der Versprechungen, Forderungen oder Inaussichtstellung eine Diensthandlung unter Verletzung der Dienstpflichten begangen hat. Mit anderen Worten:  es kommt darauf an. Der Sachverhalt entscheidet.“

Dass es irgendwelche Versprechungen zur Amtszeit Geisels gab, dafür gibt es keinerlei Anzeichen. Sein Handeln ist also legal. Aber ist es legitim? Denn er hat schnell nach seinem Ausscheiden aus dem Amt klargemacht, weiter in der Politik aktiv sein zu wollen. Auch als nochmaliger Oberbürgermeister Düsseldorfs. Zuletzt hat sich das bestätigt, als er versuchte, wieder für die SPD ins Rennen zu gehen. Als er dann vor wenigen Wochen bekannt gab, die SPD zu verlassen und zur neuen Partei Sahra Wagenknechts zu wechseln, löste diese Nachricht einen Mix aus Erstaunen, Empörung und Häme aus.

SPD lehnte Geisel ab
Bei den Sozialdemokraten hatte man ihn einerseits nicht wieder als OB-Kandidat aufstellen wollen. Andererseits nahm man ihm aber übel, erst wenige Wochen zuvor beteuert zu haben, er werde immer Sozialdemokrat bleiben. Zuvor hatte er mit einigen Getreuen versucht, einen basisdemokratischen Mitgliederentscheid für den SPD-OB-Kandidaten der nächsten Kommunalwahl durchzusetzen. Klar, wer das sein sollte – Thomas Geisel. Aber auch das misslang. Also ging er von Bord und heuerte bei Wagenknecht an. Sie kennt er nach eigenen Angaben seit Jahren. Im Düsseldorfer Rosenmontagszug brachte ihm das einen eigens für ihn gebauten Wagen mit dem Schriftzug „Sahras Neuer Wagenknecht“.

Mottowagen Sahras Neuer Wagenknecht
So sieht Wagenbauer Jacques Tilly die neue Rolle von Thomas Geisel: Er trägt die Schleppe seiner Parteichefin Sahra Wagenknecht. Foto: Ricarda Hinz

Die künftige Rolle beim BSW
Aber welche Rolle soll er in der neuen Partei spielen? Er tritt jetzt für die Europawahl an und wird, da es keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, mit großer Wahrscheinlichkeit genug Stimmen bekommen, um ins EU-Parlament einzuziehen. Damit ist er, vor allem finanziell, abgesichert. Er bekommt als Abgeordneter knapp 10.000 Euro pro Monat, plus eine Pauschale von 338 Euro pro Tag Anwesenheit in Straßburg oder Brüssel. Hinzu kommen 4778 Euro monatlich für so genannte Sach-Ausgaben. Beschäftigt er Mitarbeiter, kann er dafür pro Monat rund 26.000 Euro einkalkulieren, die allerdings nicht an ihn, sondern an die Leute direkt gezahlt werden. Vor allem der letztere Posten ist wichtig: Geisel hat künftig Personal zur Verfügung, das er für seine politische Arbeit einsetzen kann.

Meine Prognose: Gut abgesichert in der EU, wird er bei der Kommunalwahl 2025 in Düsseldorf als OB-Kandidat für das Bündnis Sahra Wagenknecht antreten. Damit würde er seiner neuen Chefin Aufmerksamkeit und Stimmen sichern. Dass er gewinnt, selbst in allen nur denkbaren Kooperationen mit anderen Parteien, ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Das sieht er auch so.

Darauf angesprochen, reagierte er lachend mit einem abgewandelten Walter-Ulbricht-Spruch: „Niemand hat die Absicht, in Düsseldorf als OB-Kandidat anzutreten.“ Ulbricht hat damals bekanntlich gelogen, als er sagte „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.“

Geisel hält sich das auf jeden Fall offen und erklärt, er wisse ja nicht, was bis dahin noch alles passiert.

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