Warum die Düsseldorfer SPD die Grünen nicht mehr mag

Ärger ist wie Rache ein Gericht, das man am besten kalt serviert. Das hat die SPD im Düsseldorfer Stadtbezirk 3 (südliche Innenstadt) offenbar beherzigt. Die Sozialdemokraten haben dort die Kooperation mit den Grünen gekündigt und dazu eine eineinhalbseitige Mitteilung veröffentlicht. In aller Ruhe führen die Vertreter der Partei darin auf, welche Gründe sie zu diesem Schritt bewegt haben – ruhig, sachlich, umfassend. Wer die Mitteilung als Außenstehender liest, wundert sich nicht über die Entscheidung, sondern höchstens darüber, dass die SPD es bis zur Mitte der Legislaturperiode ausgehalten hat. Die Bezirksvertretung 3 ist nur eine von insgesamt zehn in Düsseldorf, dennoch hat das Ende der Kooperation dort eine Bedeutung, die über die südliche Innenstadt hinausgeht. Es war das letzte rein rot-grüne Bündnis auf einer Ebene in Düsseldorf und signalisiert, dass sich diese einst beinah natürliche Partnerschaft stark verändert hat. Wo früher mal große Schnittmengen und gemeinsame Ziele waren, ist heute von fehlender Kommunikation, unzureichender Transparenz und verspieltem Vertrauen die Rede. Die Grünen hätten bei verschiedenen Themen lieber wie im Stadtrat mit der CDU gestimmt als mit dem Partner im Bezirk, heißt es in der sozialdemokratischen Mitteilung zum Ende der Kooperation. In Düsseldorf ist das eine Zäsur. Von 1994 bis 1999 gab es eine rot-grüne Mehrheit im Stadtrat, danach war man lange gemeinsam in der Opposition gegen die Koalition von CDU und FDP, schließlich kehrte man zusammen in der Ampel-Kooperation 2014 an die Macht zurück. Nachdem die Grünen nach der Kommunalwahl 2020 im Stadtrat aber ein schwarz-grünes Bündnis starteten (Grüko), verschlechterte sich das Verhältnis. Die jetzt gekündigte Partnerschaft im Stadtbezirk ist dabei nur das eindeutigste Signal. Für diesen Bruch gibt es mehrere Gründe, einer davon lautet sogar, dass es politisch klug von der SPD ist, sich klar abzugrenzen. Zunächst stelle ich aber die Punkte vor, die bei den Grünen liegen: Machtgebaren Es gehört (leider) zum Alltag des Stadtrats, dass fast ausschließlich Vorschläge eine Mehrheit bekommen, die von CDU und Grünen stammen, während die Anträge der Oppositionsfraktionen in aller Regel scheitern. Das kann man der Grüko vorwerfen, man darf aber nicht zugleich davon ausgehen, dass die SPD es anders machen würde, wenn sie Teil der Mehrheit wäre. Wenn man dieses Schema-Denken nicht überwindet, bleibt es immerhin noch eine Frage, wie man das der Opposition kommuniziert. Bei der CDU ist die Ablehnung so offensichtlich, dass die SPD ihr das nicht mal übelnimmt. Die Grünen haben dagegen den Hang, ihre Nein-Stimme zu rechtfertigen und besitzen drei Satzbausteine, die sie dafür beliebig einsetzen. Sie lauten: &bdquo;Machen wir schon“, &bdquo;Haben wir schon“ und &bdquo;Brauchen wir nicht“. Für den Rest von Dunkelrot in den Gesichtern der SPD sorgt dann noch eine leicht besserwisserische Note im Vortrag. Die Steigerung dieses Verhaltens erlebt man, wenn die Nähe der Grünen zur Rathausspitze zum Tragen kommt. Als Teil der Mehrheit haben sie viel Zugang zu den Informationen und Entscheidungen des Oberbürgermeisters und der Dezernent:innen. Offenbar führen diese Gespräche auch zu viel Verständnis für das Handeln der Beteiligten, denn in den politischen Gremien erläutern die Grünen mit einer gewissen Vorliebe deren Handeln. Deshalb gibt es inzwischen Sozialdemokraten, die über Grüne-Ratsleute sagen, sie seien die &bdquo;Pressesprecher der Verwaltung“. Unterschiedliche Schwerpunkte Als der Stadtrat im Dezember den Düsseldorfer Haushalt diskutiert und beschlossen hat, stimmten die Politiker:innen über mehr als 100 Anträge ab. Deshalb fiel ein Punkt dabei nicht besonders auf. Er ist aber ein sehr gutes Beispiel für den Riss zwischen SPD und Grünen. Der Jugendhilfeausschuss hatte auf Antrag der SPD entschieden, die Mittel für Einzelfallhilfen durch die Stadtbezirksteams um 30.000 auf 100.000 Euro anzuheben. Das fand im Ausschuss eine Mehrheit, weil dort neben den Fraktionen auch die Wohlfahrtsverbände abstimmen. Es gab zehn Ja-Stimmen und fünf Nein-Stimmen der Grüko, der erhöhte Betrag kam deshalb auf die Liste der Vorschläge für den Haushalt. Die Grünen kündigten allerdings schon im Ausschuss an, dass man das ja im Stadtrat wieder zurücknehmen könne und machten dann ernst. Ein Affront für die Sozialdemokraten, die das Streichen von 30.000 Euro für ein soziales Thema als reine Machtdemonstration verstanden. Neben politischen Wunden verursachte diese Abstimmung noch etwas Zweites: die Erkenntnis, dass Rot und Grün kaum noch gemeinsame Themen haben. In den Neunzigern wurden die beiden noch durch gemeinsame Feindbilder zusammengeschweißt und die Vorstellung, sozial und ökologisch Stadt und Republik erneuern zu können. Mittlerweile aber haben sie sich auseinandergelebt. Für die Grünen zählen Klima, Kultur, Gesellschaft, Stadtentwicklung und sogar eher Wirtschaft als Soziales. Umgekehrt kehrt die SPD langsam zu ihren Kernthemen zurück, etwa zur Sozial- und Wohnungspolitik. Andere Wurzeln Das erscheint verwunderlich, wenn man Rot-Grün jahrzehntelang als natürliche Partner empfunden hat. Das verwundert weitaus weniger, wenn man sich mit den Wurzeln der Parteien und ihrer Mitglieder beschäftigt. Ein wesentlicher Teil der Grünen hat bürgerliche Wurzeln – anders als die SPD. Ich möchte es metaphorisch nicht übertreiben, probiere es aber dennoch mit einem Vergleich: Jugendliche und junge Erwachsene lehnen vieles an ihrem Elternhaus ab und rebellieren gegen so ziemlich alles, was damit verbunden ist. Wenn sie dann älter sind, Mitte 30 oder Anfang 40, sind sie deutlich häufiger und oft auch gerne wieder im Elternhaus zu Besuch und übernehmen dann auch erstaunlich viele Muster. Die Grünen sind jetzt etwas älter als 40 Jahre. Diejenigen, die die Partei gegründet haben, stammten aus bürgerlichen Kreisen und lehnten diese ab. Mit Anfang/Mitte 40 kommen sie nun in das Alter, in dem sie mehr mit ihren Wurzeln anfangen können. Deshalb gelingen an so vielen Stellen und auf so vielen Ebenen die Bündnisse mit der CDU. Umgekehrt findet man mit denjenigen, mit denen man in der rebellischen Phase mal für soziale Veränderungen gekämpft hat, immer weniger inhaltliche Gemeinsamkeiten. Rollentausch Verschiedene Schwerpunkte und unterschiedliche Wurzeln könnten der SPD noch egal sein, wenn sie immer noch die größere Partei der beiden wäre. Das hat sich aber an vielen Stellen geändert, unter anderem im Düsseldorfer Stadtrat. Dort haben die Grünen sechs Sitze mehr als die Sozialdemokraten. Der größere Partner in einem Bündnis hat oft den Vorteil, vom Image des kleineren Partners etwas abzubekommen. Die CDU gewann durch den Partner FDP noch mehr wirtschaftspolitisches Ansehen, die SPD konnte über die Grünen den Umweltschutz als ihr Thema mitverkaufen. Wenn man die Rollen aber tauscht, wird man plötzlich selbst zur Dekoration. Die Grünen machen dank des Partners SPD einen stärkeren sozialen Eindruck – ohne dass dies zwangsläufig etwas mit ihrer Politik zu tun haben muss. Als kleinere Partei hilft es der SPD aber nicht mehr, dass ihr Partner stark im Umweltschutz ist. Die SPD hat länger gebraucht, um anzuerkennen, dass sie inzwischen kleiner ist als die Grünen. Dort, wo sie es tut, ist eine klare Abgrenzung auch politisch klug. Macht-Gebote Wähler:innen, die Mitte-Links wählen, geben inzwischen im Zweifel eher den Grünen ihre Stimme. Es hilft der SPD deshalb nicht, wenn sie auch mit Klimaschutz oder anderen Grünen-Themen wirbt. Sie hat nun den stärkeren Profilierungs-Bedarf. Dem kann sie gerecht werden, indem sie wie eine echte Opposition agiert. Das hat sie im Stadtrat bisher zu wenig getan, weil sie damit beschäftigt war, sich nach der Niederlage bei der Kommunalwahl 2020 neu zu sortieren und zu orientieren. Das kann sie künftig aber vor allem mit sozialen Themen anders machen. Interessanter Nebeneffekt: In einem Rechts-Links-Schema zur Parteienlandschaft tauschen SPD und Grüne die Plätze. Die Grünen sind näher an der Mitte als die SPD, die nach links rückt. Fazit In der Ratssitzung im März haben Grüne und SPD gemeinsam mit anderen einen Antrag gegen die CDU durchgebracht. Das hätte einen zu Gedankenspielen über andere Bündnisse verleiten können. Die Kündigung der Kooperation in einem Stadtbezirk und die Aussagen der SPD machen aber etwas klar: Es wird in dieser Legislaturperiode keine andere Mehrheit im Stadtrat geben – mindestens keine, an der auch die Grünen beteiligt sind. 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