Warum ich die SPD vermisse (Teil 3): Die Zukunft
Der personelle Neustart der Düsseldorfer SPD sieht jung aus. Ein nicht unwichtiges Detail in einer Zeit der verkürzten Wahrnehmung und mächtiger Bilder auf allen Nachrichtenportalen. Es braucht eine schnelle, klare Botschaft. Und die lautet: Die Sozialdemokraten haben den Generationswechsel vollzogen. Annika Maus ist 34, ihr Kollege Oliver Schreiber vier Jahre älter. Damit ist sie dem Juso-Alter noch nicht und er nur knapp entwachsen. Nun steht das Duo an der Spitze eines Unterbezirks (so heißt der Stadtverband bei den Genossen) aus rund 2700 Frauen und Männern.
Wie wichtig Kommunikation ist, also die Fähigkeit, Botschaften nicht nur zu transportieren, sondern auch ankommen zu lassen, haben die beiden in den letzten Jahren bitter gelernt. Erfolgreiche Projekte – zum Beispiel ein umfangreiches Schulsanierungsprogramm – unter dem SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel wurden zu wenig oder gar nicht als SPD-Politik wahrgenommen. „Dabei haben wir den Oberbürgermeister auf x Grundsteine klopfen lassen“, sagt Schreiber und resümiert damit den Versuch jener Zeit, Eltern zu zeigen, wie sehr sich die Sozialdemokraten um die Zukunft ihrer Kinder kümmern.
Dabei war dieses „Sich-kümmern“ einst das Merkmal der SPD, sichtbares Zeichen für eine Partei, der es wichtig war, ihren Wählern eine bessere Zukunft versprechen zu können und das auch einzuhalten. Schreiber selbst ist ein gutes Beispiel dafür – seine Ausbildung war ihm nur möglich, weil sozialdemokratische Politik schon in den 1960er Jahre dafür die Basis geschaffen hatte. Bei Annika Maus ist es genauso: „Ohne Bafög hätte ich nie studieren können,“ sagt sie. Schreiber arbeitet heute im Bauministerium, Maus in der Stadtverwaltung.
Beide sind also das, was man als Bildungsaufsteiger bezeichnet. Von ihnen gibt es Millionen in Deutschland, und diese Frauen und Männer haben vermutlich einst die Partei gewählt, die ihnen diese Chance ermöglicht hat.
Aber heute? Heute sagt Schreiber einen Satz wie „Bildungsaufstieg muss wieder möglich sein“. Denn er weiß, dass dieser Aufstieg hin zu einem guten Job mit eigenem Häuschen oder bezahlbarer Wohnung, einem Urlaub und soliden Bildungschancen für die Kinder nicht mehr leicht ist. Inzwischen, das hat das neue Führungs-Duo erkannt, geht es nicht mehr nur um ein bisschen Wohlstand, sondern um eine sehr konkrete Abstiegsangst vieler Menschen. Und, so paradox es klingt, auch daran ist in den Augen der beiden Düsseldorfer eine SPD-Politik schuld, die mit Agenda 2010 und Riester-Rente verbunden ist. Wem auch immer sie nutzte – die SPD habe sie Wähler gekostet und unter die 20-Prozent-Grenze gedrückt. Schreiber: „Irgendwann haben die Menschen gemerkt, dass sie nachher weniger Geld haben, wenn sie SPD wählen.“
Wie sie das ändern können in einer immer noch sehr wohlhabenden Stadt wie Düsseldorf, das haben die beiden als vordringende Aufgabe ihrer selbst und ihrer Partei erkannt. Düsseldorfs Wirtschaftskraft müsse auch jenen zugutekommen, die einst die Stammklientel der SPD waren, fordern sie. Natürlich könne eine Stadt sich eine Oper leisten, aber man müsse dann auch vergleichbare Summen für andere Projekte ausgeben, solche, die denen etwas bringen, die Hilfe brauchen. Bei der Oper spreche man über einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Im Bieterverfahren für das Gelände der Gerresheimer Glashütte habe die Stadt dagegen schon bei viel geringeren Summen nicht mehr mitgeboten, obwohl es da die Chance gegeben hätte, mit Hilfe eines solches Investments bezahlbare Wohnungen zu errichten. Schließlich sei eines klar: „Die Stadt muss viel mehr selbst bauen.“ Außerdem stünden die genannten Beträge für den Neubau in einem merkwürdigen Kontrast zu gleichzeitigen Überlegungen, bei der Rheinbahn zu sparen.
Beim Projekt Oper sind die beiden für ein völlig neues Konzept, das sich an kulturellen Bedürfnissen einer größeren und vielfältigeren Gruppe orientiert als jener, deren Vertreter abends in einen Saal kommen und sich ein paar Stunden Musik und Gesang anhören.
Viele Themen also, und ein weiter Weg für die neue, junge Doppelspitze der SPD. Beide sind übrigens nicht in der Ratsfraktion, pflegen aber engen Kontakt zu den Ratsfrauen und -herren ihrer Partei. Auch dort ist der Neuanfang noch nicht in Routine übergegangen. Ein guter Teil der geschrumpften Gruppe im Rat ist neu, und der Übergang nach den Jahren als Partei des Oberbürgermeisters in die Opposition ist noch nicht abgeschlossen, sagt Schreiber: „Wir finden im Moment zu wenig Aufmerksamkeit.“ Was auch, wie die beiden zugeben, daran liegt, dass es bei der SPD Düsseldorf keine Frau oder keinen Mann gibt, die/der nach außen als das Gesicht der Partei wahrgenommen wird.
Annika Maus und Oliver Schreiber wollen auch das ändern.
Weiterführende Links
Die ersten beiden Teile der Betrachtung „Warum ich die SPD vermisse“ finden Sie hier und hier.
VierNull-Autor Christian Herrendorf hat sich in einer Analyse mit der Opposition im Düsseldorfer Stadtrat beschäftigt, auch mit der SPD. Sein Artikel ist hier zu lesen.