Warum man die Max-Stern-Ausstellung besser erneut abgesagt hätte

Warum wurde die Ausstellung vor knapp vier Jahren abgesagt? Um die Vorgeschichte zu verstehen, muss man zunächst die wesentlichen Akteure kennen. Da sind auf der einen Seite die Stadt Düsseldorf und das Stadtmuseum, auf der anderen das Max Stern Art Restitution Project (MSARP) in Kanada. Max Stern, der 1987 starb, hatte keine Kinder, er bedachte deshalb drei Universitäten. Diese gründeten 2002 das MSARP – mit dem Zweck, die mindestens 262 Werke zu finden und zurückzufordern, die der Kunsthändler vor seiner Flucht aus Nazi-Deutschland verkaufen oder wegen der Flucht zurücklassen musste. Ein solches Werk war ein Selbstporträt Wilhelm von Schadows. Das MSARP forderte die Rückgabe, die Stadt prüfte die Angaben und der Rat entschied schließlich positiv. Im April 2014 wurde das Bild zurückgegeben. So entstand eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Düsseldorf und dem MSARP, deshalb plante man gemeinsam eine Ausstellung über Max Stern für 2018. Diese sagte die Stadt allerdings Ende 2017 ab. Der Grund: Das MSARP hatte die wissenschaftliche Arbeit weitgehend alleine erledigt, die Düsseldorfer Seite sich kaum eingebracht oder einbringen können. An dieser Stelle sei noch einmal an den Zweck des MSARP erinnert. Es möchte Werke aus den Besitz Max Sterns finden und zurückfordern. Das ist ein völlig berechtigter Zweck. Aber eine gemeinsame Ausstellung zu diesem Thema braucht weitere Positionen und Erkenntnisse anderer Wissenschaftler, um ein umfassendes Bild zu geben. Diese gab es nicht, und diese war in der verbleibenden Zeit bis zur geplanten Eröffnung von Düsseldorfer Seite nicht mehr zu erarbeiten. Deshalb sagte die Stadt die Ausstellung ab – kommunizierte in der Folge aber maximal ungeschickt. Was ist damals schiefgelaufen? Düsseldorf (an erster Stelle das Stadtmuseum) hatte der Entwicklung lange zugesehen und nicht eingegriffen. Das wollte man offenbar nicht gerne in der Öffentlichkeit thematisieren, zumindest gab die Stadt die Absage zunächst nicht bekannt. Zum Thema wurde sie erst einen Monat später, als der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf sie ansprach und der Stadt vorwarf, sie wolle so die Rückgabe von Kunstwerken verhindern. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses und viele weitere internationale Beobachter:innen schlossen sich der Kritik an. Die Stadt setzte ihre mindestens ungeschickte Kommunikation fort, indem sie darauf verwies, die Absage erfolge aufgrund laufender Restitutionsverfahren, was die Kritiker als Bestätigung ihrer Vorwürfe ansahen. Später sprach die Stadt dann davon, die Ausstellung sei nicht ausgewogen gewesen. Das wiederum sah das MSARP als Kränkung an. Oberbürgermeister Stephan Keller entschuldigte sich dafür nun und sagte, die Betroffenen hätten dies als Affront wahrnehmen müssen. Im Dezember 2017 nahm die Stadt schließlich die Absage zurück, kündigte eine Aufarbeitung und spätere Eröffnung der Ausstellung an. Was hat sich seitdem geändert? Auf Düsseldorfer Seite wurde viel nachgeholt, was bis 2017 nicht getan wurde. So habe man zum Beispiel erst jetzt einen vollständigen Überblick über die Werke, die Max Stern oder sein Vater Julius für die Galerie der Familie erworben hatten, sagte die Provenienzforscherin der Stadt, Jasmin Hartmann. Nach aktuellem Forschungsstand sind in den städtischen Sammlungen 36 Gemälde und 208 Papierarbeiten – von letzteren wusste man 2017 noch gar nichts. Dieter Vorsteher, Kurator der jetzigen Ausstellung, sagte, man habe inzwischen auch deutlich mehr Details zur Familiengeschichte erfahren. Zudem haben die Forscher im Stadtarchiv sowie im Landesarchiv in Duisburg Dokumente über Max Stern gefunden. Geändert hat sich auch die Haltung des MSARP. Aufgrund des beschriebenen Affronts haben die Kandier jede weitere Zusammenarbeit mit Düsseldorf abgelehnt – und offensichtlich auch andere von dieser Haltung überzeugt, etwa das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München. Die Kanadier und die Münchner nahmen 2019 nicht an dem Symposium teil, das die Düsseldorfer veranstalteten, um das Thema aufzuarbeiten und die Ausstellung damit vorzubereiten. Folglich gab es auch keine Leihgaben für die Ausstellung. Was ist nun in der Ausstellung zu sehen? Die Schau erzählt zunächst die Geschichte der Familie Stern und dann das Leben Max Sterns: seine Ausbildung, seine Arbeit als Kunsthändler, die Entrechtung und Beraubung im Dritten Reich, die Flucht und sein neues Leben in Kanada. Dort erhielt er unter anderem den Order of Canada, die höchste Auszeichnung für Privatpersonen des Landes. Zwischen den Schautafeln hängen einige Gemälde (Leihgaben aus dem Kunstpalast, aus Köln, Weinsberg und Detroit), viele Fotos der Familie und aus der kanadischen Zeit Sterns. Zu Beginn der Schau gibt es einen Pressespiegel zu der Absage und den Reaktionen, den Schlusspunkt bildet eine Medienstation zum Thema Provenienzforschung. Was ist in der Ausstellung gelungen? Die detaillierte Darstellung des Lebens von Max Stern veranschaulicht auf das bitterste, wie Menschen, die geachtete Mitglieder der Gesellschaft waren, von den Nazis ausgegrenzt und ihrer Existenz beraubt wurden. Erstaunlich im positiven Sinne ist zudem die Offenheit, mit der die Ausstellung die Fehler von 2017 thematisiert. Am Eingang der Ausstellung sind zahlreiche Artikel in Mappen zusammengestellt, die das Geschehen wenig schmeichelhaft für die Stadt dokumentieren, an der Wand daneben stehen Zitate aus der Zeit, das Wort &bdquo;Beschämend“ fällt dabei schnell ins Auge. Der Katalog beginnt mit den Worten &bdquo;Die Ausstellung (…) hat eine schwierige Vorgeschichte“´. Auch das Thema Provenienzforschung wird in der Schau sehr gut dargestellt. Neben den meisten Gemälden hängen Tafeln, auf denen der aktuelle Stand der Forschung dokumentiert ist, also der Weg, den das jeweilige Bild nahm, nachdem es der Galerie Stern oder seinen Inhabern gehört hatte. An der erwähnten Medienstation können Besucher:innen auf spielerische Weise exzellent nachvollziehen, wie die Forscher arbeiten. Am Beispiel des Gemäldes &bdquo;Sonnenuntergang an der Nordsee“ gehen die Nutzer:innen Schritt für Schritt die Quellen durch, etwa die Rückseite des Bildes oder Auktionskataloge. An einer Medienstation spielen die Besucher:innen der Max-Stern-Ausstellung den Fall eines Gemäldes durch und lernen so, wie Provenienzforschung funktioniert. Foto: Landeshauptstadt Düsseldorf/Lars Heidrich Was fehlt der Ausstellung? Die Lücken der Schau sind nicht sicht-, aber fühlbar. Da ist zunächst ihr geringer Umfang. Die Ausstellung erstreckt sich lediglich über eine Hälfte der oberen Etage des Stadtmuseums. Station für Station wird klarer, dass man selbst für diese Fläche das Material ziemlich strecken musste, um sie zu füllen. Die Familiengeschichte wird sehr detailliert präsentiert, in einem Raum hängen nur gerahmte Fotografien, die Max Stern bei seiner Arbeit als Galerist zeigen und deren Erkenntniswert sehr überschaubar ist. Und so löblich die Präsentation der Provenienzforschung auch ist, die Ausstellungsmacher brauchten sie auch dringend, um den Raum zu füllen. Kurz gesagt: Es fehlt die andere Hälfte. Das, was das MSARP 2018 von seiner Seite und für seine Seite zeigen wollte, ist nicht da. Viele wesentliche Gemälde sind nicht zu sehen. Nicht einmal das erwähnte Selbstbildnis von Schadow ist Teil der Schau, sondern befindet sich in der Dauerausstellung des Stadtmuseums. Stern hat seine Lebenserinnerungen auf Tonbändern festgehalten. Das Stadtmuseum hat aber keine Rechte, die Dokumente abzuspielen, es gibt lediglich Auszüge einer Abschrift. Die Ausstellung ist deshalb genauso unvollständig, wie sie es 2018 zu werden drohte. Damals hätte die Düsseldorfer Position gefehlt, diesmal ist es die kanadische. Warum hat die Stadt die Ausstellung dennoch eröffnet? Es gibt zwei Gründe: Der offene Umgang mit den Fehlern und die Entschuldigung des Oberbürgermeisters sind Gesten, mit denen die Stadt hofft, einen neuen Dialog mit dem MSARP beginnen zu können. Düsseldorf macht einen klaren und demütigen Schritt auf die Kanadier zu. Zugleich war die Sorge, eine zweite Absage könnte als erneutes Scheitern gesehen und ähnlich wie 2017 international kritisiert werden. Das ergibt ein Dilemma: Düsseldorf kann und konnte mit der Ausstellung nicht gewinnen. Die Absage der Kanadier war nicht zu heilen, die Folgen sind offensichtlich. Das Stadtmuseum zeigt nun halb Ausstellung, halb Lücke. Was wäre ein möglicher anderer Weg gewesen? Ganz schlicht: Erst die Versöhnung, dann eine Ausstellung mit zwei Hälften. Weiterführende Informationen Die Ausstellung "Entrechtet und beraubt. Der Kunsthändler Max Stern" kann am 2. und 3. September eintrittsfrei besucht werden. Die Schau im Stadtmuseum an der Berger Allee 2 läuft bis zum 30. Januar. Sie ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Katalog zur Ausstellung umfasst 244 Seiten, erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König und kostet 24,90 Euro.

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