fbpx

Wer den Düsseldorfer Stadtrat in Zukunft prägt

In der hiesigen Politik zeichnet sich ein Generationenwechsel ab. Noch bestimmen diejenigen, die schon lange im höchsten Gremium sitzen, aber die neuen Führungskräfte werden erkennbar. Ich stelle fünf von ihnen vor.
Veröffentlicht am 4. Januar 2024
Zukunft des Stadtrats
VierNull-Fotochef Andreas Endermann hat die Politikerinnen und Politiker in einer Montage zusammengefasst (von links): Sabrina Proschmann, Sigrid Lehmann, Christian Rütz, Mirja Cordes und Mirko Rohloff.

An einem mangelt es dem Düsseldorfer Stadtrat nicht: Erfahrung. Die Vorsitzenden der Fraktionen von CDU, Grünen, SPD und FDP bringen es zusammen auf 100 Jahre im Stadtrat und mehr als 40 Jahre an der Spitze ihrer Gruppierungen. Das ändert sich nun aber. Dieses und nächstes Jahr werden voraussichtlich sämtliche dieser Führungsposten neu besetzt und andere Politiker:innen die Arbeit und die Diskussionen prägen.

Bereits in den vergangenen Monaten haben Vertreter:innen der Fraktionen erkennbar eine größere Rolle gespielt, die nicht Vorsitzende sind, und sind deshalb Kandidat:innen für die Führungsaufgaben in der Düsseldorfer Politik. Dazu zählen die folgenden fünf:

Christian Rütz (CDU)

Wer bei den Düsseldorfer Christdemokrat:innen etwas werden möchte, muss ein Kunststück vollbringen. Sie oder er muss deutlich machen, dass man sich für eine Führungsaufgabe interessiert und sich für geeignet hält, darf diese Ambition aber nicht zu forsch vortragen. Ratsherr Andreas Hartnigk kann dazu eine längere Geschichte erzählen. Er sah 2014 schon wie der sichere Vorsitzende der Fraktion aus, tat dies aber in einem Interview mit der „Rheinischen Post“ vor der internen Wahl allzu deutlich kund – und wurde nur zweiter Sieger.

Christian Rütz scheint die Lektion gelernt zu haben. Er kam damals als 32-Jähriger in den Stadtrat und wurde bald bekannt für seine Liebe zum Detail. Der Jurist verfasste seitenlange Abhandlungen über einzelne Verkehrsschilder und hielt die dazu passenden Reden in den Fachausschüssen. Zudem offenbarte er keinen Mangel an Selbstbewusstsein. Vor der Bundestagswahl 2021 etwa plädierte er so laut für Markus Söder als Kanzlerkandidaten der Union (und gegen Armin Laschet), dass das „heute-journal“ über ihn berichtete.

Das alles hätte ihn zu einer sicheren Randfigur gemacht. Aber seit dem Auftritt in den Hauptnachrichten ist Christian Rütz deutlich ruhiger geworden. In der Kooperation mit den Grünen gilt er als einer der verlässlichen und vernünftigen Partner. Der 45-Jährige ist Experte für Verkehrspolitik und Vorsitzender des Ausschusses, der sich auch um Stadtökologie kümmert. In der CDU gelten beide Themen zwar nicht als machtpolitisch herausragend, aber gerade in einer Großstadt verhelfen sie einem zu einer Hausmacht.

Dass Christian Rütz sein Verhalten verändert hat und ein Kandidat für die Nachfolge des Fraktionsvorsitzenden Rolf Tups sein kann, hat sich im Frühjahr 2023 gezeigt. Da wählte die Fraktion alle Posten in der Fraktion neu, unter anderem die Beisitzer. Das ist bei den Christdemokrat:innen traditionell der Moment, in dem sie heimlich ihre Meinung zu einzelnen Mitgliedern äußern und sie mit relativ wenigen Stimmen wählen oder gar in eine Stichwahl schicken. Christian Rütz holte bei dagegen das beste Ergebnis: 19 von 24 Stimmen.

Mirja Cordes (Grüne)
Die 45-Jährige ist die Erfinderin der hanseatischen Leidenschaft. Das klingt wie ein Widerspruch, weil norddeutsche Vernunft und äußerlich erkennbare Begeisterung eigentlich schwer in einer Person zu vereinen sind. Mirja Cordes aber schafft das. Am besten sieht man das beim Thema Verkehrswende. Wie sehr sie dafür brennt, zeigte sie, als der zuständige Ausschuss die erste große Radroute quer durch die Stadt beschloss. Mirja Cordes freute sich so über diesen Fortschritt, dass sie in ihrer Rede sagte, wenn diese Strecke Wirklichkeit werde, würde sie sie sogar nach dem Oberbürgermeister oder dem Verkehrsdezernenten benennen.  

Dass dennoch Hamburg als Geburtsort in ihrem Personalausweis steht, belegt die Grüne spätestens, wenn es um den „autofreien Sonntag“ geht. Im Stadtrat frischen dann viele Redner:innen den Mythos auf, die bisher einzige Ausgabe eines autofreien Sonntags in Düsseldorf sei ein Erfolg gewesen. Und Mirja Cordes wird nicht müde, immer wieder zu betonen, dass er das nicht war und anders konzipiert werden müsse, bevor es zur Neuauflage kommt.

Das heißt: Leidenschaft für ihr Thema – unbedingt. Aber eben nicht um ihrer selbst willen und nicht blind. Die Positionen von Mirja Cordes erscheinen durchdacht und deshalb glaubwürdig. Das respektieren auch weite Teile der anderen Fraktionen und ist einer der Gründe, warum Mirja Cordes für einen der beiden Fraktionsvorsitze in Betracht kommt. Teile der heute führenden Grünen haben zu viel Freude an Macht und am kategorischen Ablehnen der Vorschläge anderer. Das hat beispielsweise große Teile der SPD weit von den Grünen entfernt. Mirja Cordes könnte in dieser Hinsicht einiges heilen.

Und sie steht wie keine andere Person bei den Grünen für das Schlüsselthema Verkehrswende. Der Klimaschutz ist so breiter Konsens im Stadtrat, dass die Grünen dort kaum zusätzlich punkten können. Aber die Frage nach mehr Radwegen, mehr Bahnen und Bussen ist eine, bei der man erwartet, dass die Grünen für Fortschritt sorgen. Sie werden bei der Kommunalwahl 2025 keine gute Bilanz dazu vorlegen. Aber Mirja Cordes wird eine der Repräsentant:innen sein, der man glaubt, dass sie darüber verärgerter ist als die meisten Pendler:innen. Und dass viel geschehen muss, bevor sie nochmal eine Radstrecke nach leitenden Verwaltungsangestellten benennen würde.

Sabrina Proschmann (SPD)
Die Sozialdemokrat:innen im Düsseldorfer Stadtrat haben als erste den Wechsel vollzogen. Sie wählten im März 2023 Sabrina Proschmann zur Co-Vorsitzenden an die Seite des langjährigen Fraktionschefs Markus Raub. Und mindestens Oberbürgermeister Stephan Keller und die Wohnungspolitiker:innen der Grünen hätten sich gewünscht, die SPD hätte sich mehr Zeit gelassen. Sabrina Proschmann bewies schon kurz nach Dienstantritt inhaltliche Stärke. Unter ihrer Federführung entstand ein Programm für bezahlbaren Wohnraum, das sie dann erfolgreich beim Oberbürgermeister durchverhandelte, als dieser die Ja-Stimmen der SPD für die neue Oper brauchte.

Nach diesem starken ersten Auftritt ist die promovierte Historikerin noch weiter gewachsen. Die Pressekonferenz zum Wohnprogramm hatte Markus Raub noch geleitet und gelegentlich eine Hand auf den Unterarm gelegt bekommen. Die Pressekonferenz zum Haushalt führte dann schon Sabrina Proschmann – ohne dass freundliche Physis erforderlich wurde. Die Rede, die die 31-Jährige dann im Plenum hielt, war die beste, die dort seit Jahren zu hören war. Ein Beispiel dafür war der letzte Satz: „Und genauso unvermittelt wie viele Radwege in dieser Stadt endet hier meine Rede“, sagte sie.

Sabrina Proschmann wird über die nächsten Jahre das Gesicht der Düsseldorfer SPD-Fraktion sein. Sie steht für die sozialen Themen, zudem vertritt sie die Sozialdemokrat:innen im wichtigen Ordnungs- und Verkehrsausschuss. So stark wie sie sich in ihrem ersten Jahr als Vorsitzende präsentierte, wird es eine spannende Frage sein, ob die SPD ab 2025 weiter eine Doppelspitze braucht.

Mirko Rohloff (FDP)
Die Düsseldorfer Liberalen befinden sich in einem Umbruch, der wahrscheinlich auch einen Einbruch mit sich bringt. In den vergangenen beiden Jahrzehnten hatten sie das Glück, gleich zwei für die Kommunalpolitik weit überdurchschnittlich talentierte Repräsentant:innen zu haben: Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Manfred Neuenhaus. Beide versorgten Partei und Fraktion mit viel Aufmerksamkeit, starken Wahlergebnissen und strategisch klug erarbeiteten Erfolgen in den Gremien. Die frühere Bürgermeisterin hat sich Anfang 2023 bereits aus dem Rat zurückgezogen und wird im Frühjahr dieses Jahres nicht mehr für den hiesigen Parteivorsitz kandidieren. Manfred Neuenhaus wird seine Ämter in der Fraktion bis 2025 zur Verfügung stellen.

Die Düsseldorfer FDP braucht also mindestens zwei neue Führungspersonen. In der Fraktion scheint Mirko Rohloff gute Chancen zu haben, dies zu sein. Wenn man ihn mit einer Farbe beschreiben müsste, würde man vermutlich einen Ton zwischen Mausgrau, Steingrau und Betongrau wählen. Aber er hat seine Fraktion fleißig vertreten – in wichtigen Ausschüssen (Bauen, Planen, Finanzen) ebenso wie in einer ganzen Reihe von Aufsichtsräten, und zwar meist solchen, die mit geringen Bezügen versehen waren. Vor wenigen Wochen hat Mirko Rohloff dann erstmals die Haushaltsrede für die Liberalen halten dürfen.

Nach dem erwähnten Beitrag von Sabrina Proschmann konnte er nur noch Platz zwei belegen, den hat er aber auch tatsächlich geschafft. Er hat gezeigt, dass er Opposition kann, im Zweifel lieber mal über das Ziel hinausschießt, um Aufmerksamkeit für eine Position zu bekommen, als brav ordentliche Argumente vorträgt.

Der Ratsherr erschien wie die Schwiegersohn-Variante von Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Er weiß, wie wichtig Lautstärke ist und dass Zwischenrufe der Attackierten das Gesagte veredeln. Mirko Rohloff wirkt stabil – und das dürfte die wichtigste Eigenschaft sein, wenn die FDP 2025 ihre zuletzt starken Wahlergebnisse nicht wiederholen kann und unter Umständen erneut nicht Teil der Ratsmehrheit wird.

Sigrid Lehmann (Linke)
Wenn man zu viert im Stadtrat sitzt, prägen natürlicherweise alle Beteiligten das Bild der Fraktion. Dennoch wird Sigrid Lehmann bei der Linken in den nächsten Jahren voraussichtlich eine herausgehobene Position einnehmen. Julia Marmulla ist mutiger, aber zu ungestüm, Anja Vorspel unterhaltsamer, aber bisweilen zu unreflektiert, Helmut Born kämpferischer, aber zu sehr nach altem Muster. Sigrid Lehmann ist die zweitbeste Rednerin und die vernünftigste Vertreterin ihrer Fraktion.  

Die Linke hat es im Stadtrat und in den Fachausschüssen nicht leicht. Bei ihren Anträgen heben die Mitglieder der großen Fraktionen meistens schon den Arm für Nein, bevor sie den Vorschlag gelesen haben. Die Vertreter:innen der Fraktion tragen ihre Reden deshalb meist mit einer Mischung aus Poltern und resignativer Ironie vor – und können nur scheitern. Sigrid Lehmann spricht ruhiger, konzentriert sich auf Argumente und hat hörbar ihre Hoffnung noch nicht aufgegeben, wenn sie dafür wirbt, dem Antrag zuzustimmen.

Ein Grund für diese andere Haltung mag der Umstand sein, dass Sigrid Lehmann erst im Laufe dieser Legislaturperiode in den Rat nachgerückt ist. Sie scheint aber auch ihrer Natur zu entsprechen. Und darin liegt eine Chance: Die Mehrheit im Stadtrat verändert ihr Bild von den Fraktionen nur langsam. Die Linke wird von vielen immer noch wahrgenommen, als würden die früheren Klassenkämpfer:innen dort bestimmend sein. Die noch neue Ratsfrau setzt dagegen als Mitglied des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs und der Baumschutzgruppe Düsseldorf andere Schwerpunkte, als man erwarten würde.

Es wird noch eine Reihe von Sigrid-Lehmann-Reden brauchen, bis alle gemerkt haben, dass sich etwas entscheidend verändert hat. Aber für die Zeit nach der Kommunalwahl 2025 kann dies relevant werden. Wenn die Linke dann noch relevant, also in Fraktionsstärke im Rat vertreten ist.


Lust auf weitere Geschichten?