Wie die Chancen für das Bündnis Sahra Wagenknecht in Düsseldorf stehen

Die geplante Partei wird voraussichtlich 2024 und 2025 bei Wahlen hier antreten. Dabei kann sie insbesondere im Süden der Stadt auf größere Zustimmung hoffen – und auf die Vergangenheit setzen.
Veröffentlicht am 22. November 2023
Sahra Wagenknecht in Düsseldorf
Sahra Wagenknecht bei einer DGB-Demo 2014 in Düsseldorf. Damals war sie gerade als Abgeordnete für den Süden der Stadt in den Bundestag eingezogen.

Sahra Wagenknecht und Düsseldorf haben bereits eine Geschichte, nun kündigt sich für die nächsten beiden Jahre die Fortsetzung an. Aus dem Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ wird voraussichtlich Anfang 2024 eine Partei. Diese möchte im kommenden Jahr bei der Europawahl sowie den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern antreten. Bei normaler Entwicklung würde 2025 die Bundestagswahl folgen.

Darüber hinaus erscheint es möglich, dass die Partei bis dahin so gewachsen ist, dass sie in Großstädten wie Düsseldorf auch bei der Kommunalwahl 2025 antritt. Menschen, die daran interessiert wären, für sie ins Rennen zu gehen, werden sich in dieser Stadt sicher finden lassen.

Demnach wird die neue Partei in Düsseldorf mindestens zwei Mal (Europa- und Bundestagswahl), eventuell drei Mal auf dem Wahlzettel stehen. Ich habe deshalb unter drei verschiedenen Gesichtspunkten die Chancen des Bündnis Sahra Wagenknecht in der NRW-Landeshauptstadt untersucht:

1. Wechselwähler
So wenig, wie es bisher eine Partei gibt, so wenig gibt es ein Programm. Die Internetseite des Vereins, die vorrangig zum Spendensammeln dient, enthält aber einige Hinweise. Danach wird das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht in ein Rechts-Links-Spektrum der Parteien passen. Vielmehr mischt es Positionen von beiden Seiten. Es geht laut Homepage um soziale Ziele (ein „gerechtes Steuersystem“, „gut bezahlte sichere Arbeitsplätze“ und „ein besseres Bildungssystem“) und konservative oder rechtspopulistische Punkte: gegen „Cancel Culture und Konformitätsdruck“, für einen anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, für eine „neue Ära der Entspannung“, gegen Wirtschaftssanktionen für Russland.

Mit diesem Programm erscheint das Bündnis vor allem für die bisherigen Wähler:innen der Linken und AfD, für Nichtwähler:innen sowie kleinere Teile der CDU interessant zu sein. FDP und Grüne müssen nach meinem Eindruck keine größeren Abwanderungen fürchten – zumindest nicht in diese Richtung.

Die SPD hat die enttäuschten Wähler:innen in den vergangenen Jahren bereits verloren. Von denjenigen, die bei der bitteren Kommunalwahl 2020 und bei der Bundestagwahl 2021 noch für sie stimmten, dürften keine größeren Gruppen mehr abhanden kommen. Konkurrenz macht die neue Partei den Sozialdemokrat:innen am ehesten beim Versuch, Nicht-Wähler:innen wieder zur Stimmabgabe zu bringen und von sich zu überzeugen.

Unter den Anhänger:innen der Linken dürften sich diejenigen angesprochen fühlen, die nach den Streitigkeiten der jüngeren Vergangenheit und angesichts weniger erreichter Ziele ihre Hoffnung in diese Partei verloren haben. Sie könnten im Bündnis jemanden sehen, der die sozialen Positionen konsequenter vertritt und mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit findet.

Bei denjenigen, die zuletzt für die AfD stimmten, gibt es einen höheren Anteil von Frust- und Protestwähler:innen. Sie haben sich trotz der rechtsradikalen Positionen für die AfD entschieden. Sie könnten ihren Ärger über die aktuelle Lage nun durch die Wahl des Bündnisses Sahra Wagenknecht ausdrücken – der in den beschriebenen konservativen Positionen enthalten ist. Das würde denjenigen, die nicht rechtsradikal oder -extrem sind, vermutlich auch leichter fallen.

Zu dieser Kategorie der potentiellen Wählerschaft zählen auch konservative Christdemokrat:innen. Das sind unter anderem die Mitglieder, die mit der Werteunion sympathisiert haben, und mittelständische Unternehmer:innen, die angesichts der Wirtschaftspolitik und der überbordenden Bürokratie zunehmend an den vorhandenen demokratischen Parteien zweifeln. Letzteres hängt dann wesentlich davon ab, wie Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter:innen im Programm „wirtschaftliche Vernunft“ definieren.

2. Mögliche Hochburgen
Die Kombination der verschiedenen Zielgruppen aus den politischen Randgebieten ermöglicht der neuen Partei doppelt zu punkten: Sie kann sowohl in den Stadtteilen, in denen die AfD zuletzt überdurchschnittliche Wahlergebnisse holte, auf Hochburgen hoffen als auch in den Düsseldorfer Vierteln, in denen die Linke stärker war.

Linke: Die Ergebnisse fielen bei den drei jüngsten Wahlen in Düsseldorf (Stadtrat 2020, Bundestag 2021, Landtag 2022) zwar unterschiedlich gut beziehungsweise schlecht aus – die lokalen Schwerpunkte blieben aber gleich. Am stärksten war die frühere Partei von Sahra Wagenknecht in der südlichen Mitte: in Flingern Süd, Oberbilk, Friedrichstadt und Lierenfeld.

AfD: Die rechtsradikale Partei hatte ihre meisten Wähler:innen nördlich des Stadtzentrums, im Osten und ganz tief im Süden. Dazu zählen die Stadtteile Lichtenbroich, Lierenfeld, Eller, Reisholz, Holthausen, Hassels und Garath. Auch dort könnten Kandidat:innen des Bündnis Sahra Wagenknecht auf höhere Stimmanteil hoffen.

Nichtwähler:innen: Die genannten Stadtteile haben unabhängig davon, ob sie nach links oder rechts tendieren, noch eine Gemeinsamkeit. Dort ist die Wahlbeteiligung niedriger als im Rest der Stadt. Der Frust der dort Lebenden zeigt sich auf verschiedene Weise. Die einen geben eine Proteststimme ab, die anderen bleiben zu Hause, weil sie davon ausgehen, dass ihre Stimme eh nichts bewirkt. Sie könnten von der neuen Partei neu motiviert werden, es doch noch einmal zu probieren.

3. Die Vergangenheit
Sahra Wagenknecht hatte trotz eines geringen Düsseldorf-Bezugs zwei Mal ihren Bundestagwahlkreis in der südlichen Hälfte der Stadt – mit der erhofften Wirkung. Bei ihrer ersten Kandidatur 2013 holte sie dort 9,1 Prozent der Erststimmen, ihre Partei 7,75. Im Jahr 2017 waren es dann 13 Prozent für die Kandidatin bei 9,9 Prozent Zweitstimmen für die Linke.

Zum Vergleich: Als Sahra Wagenknecht 2021 nicht mehr im hiesigen Süden antrat, holte ihre Nachfolgerin rund 3,9 Prozent der Erststimmen, die Partei 4,9 Prozent der Zweistimmen.

Auch wenn Sahra Wagenknecht für ihr Bündnis sicher nicht noch einmal in Düsseldorf kandidiert, zeigen die Ergebnisse, welche Wirkung ihr Name im Süden der Stadt haben kann. Das erweitert und verstärkt die Potentiale, die ich bei den möglichen Hochburgen beschrieben habe.

Fazit
Auch wenn man davon ausgeht, dass die neue Partei für bisherige Unterstützer:innen von Linker und AfD attraktiv ist, muss man zwei Dinge berücksichtigen:

1. Es ist nicht absehbar, wie viele der Wähler:innen tatsächlich wechseln.

2. Das Gesamtpotential beider Parteien in Düsseldorf liegt bei knapp zehn Prozent.

Verrechnet man beides, erscheint ein ordentliches einstelliges Ergebnis für das Bündnis Sahra Wagenknecht in Düsseldorf denkbar. Die Folgen:

  • Es kann deshalb bei der Bundestagswahl eng für die direktkandidierende Person der SPD im Düsseldorfer Süden werden. Sozialdemokrat Andreas Rimkus verpasste dort zwei Mal das Direktmandat, als Sahra Wagenknecht kandidierte – und holte es wieder, als sie woanders antrat.
  • Sollten die Strukturen des Bündnisses bis 2025 so gewachsen sein, dass es vernünftig bei der Kommunalwahl antreten kann, erscheint ein Einzug in den Stadtrat sicher. Dort reicht mangels Fünf-Prozent-Hürde schon etwa ein Prozent der Stimmen für den ersten Sitz.

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