An zwei Orten feiert die Kaffee-Stadt Düsseldorf den Tee
Teetrinker haben es nicht leicht. Das wurde mir neulich wieder bewusst. Bei VierNull hatten wir gerade eine Kaffee-Geschichte veröffentlicht. Das Interesse war groß – und eine E-Mail anschließend überraschend. Eine Leserin schrieb, für Kaffeetrinker sei es leicht, gute Lokale zu finden, Teetrinker hätten es schwer. Da schwang Neid mit, ich konnte die Frau gut verstehen. Gegen den Kaffee sieht der Tee oft ziemlich alt aus. Die Gäste kommen wegen des fantastischen Käsekuchens in ein Café, wegen des guten Kaffees aus der Siebträgermaschine oder der gemütlichen Einrichtung, aber doch nicht wegen des Tees. Den gibt es zwar überall, dennoch findet er kaum Beachtung.
Zwei Heißgetränke mit belebender Wirkung, der intensive Geruch, die lange Kultur: Tee und Kaffee sind natürliche Kontrahenten mit einigen Parallelen. Gibt es für Teetrinker in Düsseldorf keine Sehnsuchtsorte, also Cafés, wo es sensationellen Tee gibt? Warum trendet das eine und das andere nicht? Das will ich wissen.
Ich mache mich also auf die Suche. Ich stoße auf etliche Bubble-Tea-Läden, aber das ist nicht die Art von Tee, nach der ich suche. Ich recherchiere, telefoniere, frage in Tee-Läden, ob und wo es gute Cafés speziell für Tee gibt. „Wo sie guten Tee trinken können, kann ich Ihnen nicht sagen“, antwortet jemand. Tee-Gastronomie sei nicht so einfach. Das Gefühl beschleicht mich langsam auch. In einem anderen Teeladen nennt man mir ein paar Adressen. Das Kriterium ist, so scheint mir, dass dort der eigene Tee ausgeschenkt wird. Als ich mir die Cafés anschaue, merke ich schnell: Dort gibt es zwar auch Tee, aber der Fokus, mit dem geworben wird, liegt auf anderen Dingen. Auf veganem Essen, Bowls, Smoothies, Porridge.
Immerhin: Bei der Tea Time im Breidenbacher Hof (täglich zwischen 14 und 17.30 Uhr) steht der Tee im Mittelpunkt. Neben einer umfangreichen Karte für das Heißgetränk gibt es Scones, Kuchen und Gebäck. das Ganze kostet 59 Euro pro Person. Sonst finde ich kaum etwas, das mithalten kann mit unserer Auswahl an Orten für besonderen Kaffee. Ich bin schon kurz davor, die Suche aufzugeben. Manchmal muss man ehrlich zu sich selbst sein, auch wenn das Ergebnis der Recherche unbefriedigend ist. Und dann stoße ich auf Paper & Tea, kurz P&T.
Das Unternehmen P&T wurde 2011 in Berlin gegründet, bundesweit gibt es etwa 20 Filialen, kürzlich eröffnete eine in Kopenhagen. Die in Düsseldorf ging im Herbst 2022 am Carlsplatz an den Start. Der Laden ist nicht größer als ein durchschnittliches Wohnzimmer. Die Regale sind mit Tee-Dosen gefüllt, davor stehen kleine Glasschalen mit Proben des Tees – zum Gucken und Schnuppern. Weiter hinten befindet sich ein Ausschank mit Zapfhähnen (nicht für Bier). Eine Preistafel verrät, dass es hier Tee zum Mitnehmen gibt, je nach Wunsch kalt oder warm aufgebrüht sowie Matcha. An den Wänden stehen einige Sprüche („Oolong as you love me“), das Design ist ansehnlich visualisiert. Alles ist – wenn ich an andere Teeläden denke (sorry!) – ungewöhnlich stylish.
Tee und modern, das schließt sich also nicht grundsätzlich aus. P&T ist aber maximal ein halbes Café. Auf der Fensterbank, die auch in einen skandinavischen Einrichtungsladen passen würde, gibt es zwei Sitzplätze mit einem kleinen Tisch, draußen vor dem Laden steht eine Bank. Kiosk-Konzept, so wird die kompakte Größe genannt, erklärt mir Store-Managerin Heike Küsters. Das modern eingerichtete Geschäft soll sich gezielt an Jüngere richten. Besucher können alle Sorten kostenlos probieren. Es gibt grüne, schwarze und weiße Tees, Kräutertees, Oolong Tee, Matcha und koffeinfreie Tees. Einige der mehr als 80 Sorten sind selbst produziert, andere stammen von Farmen im Ausland. Die Preise liegen zwischen 10 und 50 Euro pro Dose.
Schickes Design, schöne Einrichtung: P&T macht viel richtig und zeigt zugleich, wie schwer sich der Tee tut, mit dem Kaffee-Boom mitzuhalten. Es läuft nicht schlecht, aber Heike Küsters signalisiert, dass es gern etwas mehr Besucher sein können. Der Laden ist von außen unscheinbar, der Bürgersteig zu schmal für mehr Außenplätze, kein Ort zum Flanieren. Drinnen stößt das Doppelkonzept (Laden und Café) an seine Grenzen. Bei mehr als fünf Besuchern wird es eng. Das schränkt den Spielraum stark ein, zum Beispiel bei Tee-Tastings, die hier stattfinden. Der Platz eignet sich eher für ein schnelles Getränk als für längeres Verweilen. In puncto Gemütlichkeit ist daher noch Luft nach oben. Dabei ist der Tee ja ein Getränk, dass für Ruhe und Entspannung steht.
Neulich habe eine Frau angerufen und einen Tisch für vier Personen reservieren wollen, erzählt Küsters. Damit kann sie leider nicht dienen. Die Größe mag eine Ursache sein, aber womöglich nicht die einzige. Für Passanten ist das Thema Tee von außen nicht eindeutig auszumachen. Viele setzen sich auf die Bank, ohne von dem Laden Notiz zu nehmen. Heike Küsters merkt das häufig an den überraschten Reaktionen, wenn sie Tee draußen anbietet. „Ach, das ist ein Teeladen“, hört sie dann. Küsters will das Schattendasein des Tees gar nicht bestreiten, erklären kann sie es nicht. Sie ist dennoch sicher, dass es auch bei Jüngeren einen Markt für Tee gibt. Matcha, eine japanische Grünteesorte, sei bei den Kunden besonders beliebt.
An diesem Vormittag ist es ruhig bei P&T. In der Stunde, in der ich da bin, betritt ein Handwerker den Laden, um die Heizung zu reparieren, aber kein Kunde. P&T hat sich zu einem interessanten Schritt entschieden: Am 9. November öffnet nur 200 Meter entfernt eine zweite Filiale, an der Ecke Wall-/ Mittelstraße. Als ich später dort vorbeischaue, kann ich kurz in das Ladenlokal hineinsehen. Noch ist dort eine Baustelle, aber die Vorteile sind schon zu erkennen: Dort ist mehr Platz, im Laden und auch außerhalb, in der verkehrsberuhigten Fußgängerzone.
Künftig sollen vorerst beide P&T-Filialen parallel betrieben werden. Vom neuen Standort verspricht man sich besonders viel. Wenn es besser wird, liegt es offensichtlich an der Lage. Wenn nicht, womöglich am Produkt: dem Tee.
Unweit entfernt lassen sich die aktuellen Kräfteverhältnisse zwischen Kaffee und Tee gut beobachten. An der Wallstraße hat die Düsseldorfer Rösterei Vier gerade expandiert, verfügt nun über 550 Quadratmeter Fläche. Von so viel Platz können Heike Küsters und ihre Kolleginnen nur träumen.