Architektur auf Talfahrt

Kennen Sie die Szene aus &bdquo;Des Kaisers neue Kleider“? Alle bewundern die nicht vorhandenen Klamotten des Imperators, ihm angedreht von zwei Betrügern mit der Story, nur Eingeweihte könnten das edle Zeug sehen. Insider wollen natürlich alle sein und tun begeistert. Bis ein Kind &bdquo;Er ist doch nackt“ sagt. Es hat die Unbekümmertheit, die Wahrheit zu sagen, obwohl die anderen Beifall klatschen. So ähnlich geht es mir auf dem Platz, der früher der Gustaf-Gründgens-Platz war und heute aussieht wie eine gedankenlos zugebaute Straßenkreuzung: Zigfach habe ich Jubelarien über diese Architektur gelesen, sie wurde gebenedeit unter den Stadtentwicklungen, und einige mochten sich gar nicht einkriegen angesichts dieser Massierung von neuen Ideen. Das klang toll, aber leider ist die Realität eine andere. In dieser Wirklichkeit überquere ich, Breuninger im Rücken, die Straßenbahnschienen, sehe vor mir eine geduckte Ladenzeile mit Gras auf dem Dach – und denke ans Auenland in Tolkiens &bdquo;Herr der Ringe“. Fehlt nur noch Frodo, der Hobbit, aus der Tür tretend. Täte er es, wäre er allerdings wenig begeistert von dem, was er sähe. Denn schön ist anders. Mir wird klar: Zu lesen, Dunkin‘ Donuts sei dort, Aldi und dm ist das eine. Aber deren Logos wirklich anzutreffen, hat eine andere Qualität. Der Burger-Brater &bdquo;Hans im Glück“ (den ich natürlich schon wegen des Namens nicht ablehnen mag), bietet immerhin ordentliche Fast-Food-Küche (auch vegan), aber an dieser Stelle – wenn auch erfolgreiche und verdienstvolle – Billigläden zu platzieren, bezeugt entweder (aus gutem Grund) nicht angebotene Alternativen oder ein tollkühnes Konzept für eine Angebotsmixtur. Staunend lerne ich, dass Aldi im Tiefgeschoss zwar eine Verbindung zur Tiefgarage, aber – Sackgasse! - keinen Ausgang zur anderen Seite hat. Dass der Zugang zum Auto bequem ist, kann ich nur hoffen, weil der typische Aldi-Käufer, wie ich einmal pro Woche in Heerdt selbst erlebe, meist ziemlich voluminös zuschlägt und nicht nur mit einem kleinen Tütchen auf der Rolltreppe wieder nach oben fährt, um weiter zu shoppen. Anders gesagt: Ob das funktioniert, wird man sehr bald wissen – und womöglich in wenigen Jahren den ersten Leerstand haben. Aber vielleicht ist der Aldi-Kunde in der Innenstadt eine andere Spezies. Oben setze ich meinen Rundgang fort, schlendere durch die Lücke – rechts die grüne Rampe, links das Dreischeibenhaus – und sehe den neuen Zugang zur Tiefgarage unter dem Platz. Auch keine Augenweide, aber wohl anders nicht machbar. Nun jedoch kommt der Hammer, und zwar in Grün – denn ich laufe vor eine bepflanzte, schräge Wand. Sie ist viele Meter hoch, besteht, wie zigfach beschrieben, aus übereinanderstehenden, sorgfältig gestutzten Hecken. Buche, wie ich an den Blättern sehe, und mit einem automatischen Bewässerungssystem ausgestattet. Kann funktionieren, aber optisch erschlägt dieser Klotz alles, zumal das Auge keine Pause findet in der fast senkrechten grünen Hölle. Ich stehe da unten, schaue nach oben und mir fällt Cheops ein, jener Pharao des Alten Reichs, der irgendwann so vor seiner Pyramide gestanden und sie wohlgefällig nach oben betrachtet haben muss. Nur dass dieses Bauwerk in der Wüste stand mit reichlich Platz drum herum, das in Düsseldorf aber mitten drin in einer eh schon dichten Bebauung. Man ahnt, wie sich die Menschen im gegenüberliegenden Bauwerk an der Bleichstraße fühlen bei diesem so ganz anderen Blick ins, oder besser: aufs Grüne, das da wenige Meter entfernt von ihnen in den Himmel ragt und mehr Schatten spendet, als den meisten lieb sein dürfte. Ich jedenfalls denke, kleckern statt klotzen wäre hier der bessere Weg gewesen. Weiter im Rundgang, und nun kommt der positive Teil: Auf der Schadowstraßenseite gibt es eine gelungene Ladenreihe im grünen Gebäude, und sie wird dieser über viele Jahre gebeutelten Straße sicher guttun. Betrachtet man das gesamte Machwerk aber von der Berliner Allee aus, kurz vor der Einfahrt in den Tunnel, ist der Eindruck ebenfalls verheerend: Die Blickachse, von Architekten sonst immer respektiert, ist keine mehr, das einst einmalige Ensemble aus Gründgens-Platz, Theater und Dreischeibenhaus daher auch nicht. Wirklich schön war es nie, der Platz eine zugige Ecke, außer zum Drübergehen zu nichts geeignet, aber dennoch eine Marke, unverwechselbar. Und auf keinen Fall so hässlich, dass er eine derartige Misshandlung der städtebaulichen Art verdient hätte. Man hat ihm sozusagen zwei grüne Riegel vorgeschoben. Vor allem irritiert mich die Disharmonie der Gebäude: Die noch annehmbare Rampe vorne links (Richtung Theater gesehen), auf deren Rasen sich bald die Menschen lümmeln dürfen, hätte durchaus ihren Reiz. Wenn sie ein Solitär wäre. Aber schräg gegenüber protzt der alles überragende große Bruder in Grün. Findet da eine Kommunikation statt, von der ich nichts ahne? Was ist die Idee, wo die Ästhetik? Aber, am schlimmsten – welche Chance wurde vertan! Statt luftig-transparenter Architektur schuf man undurchsichtige Brocken, denen auch die vermeintlich naturnahe Farbe nur scheinbar Leben gibt. Hecken (Achtung, für Insider: Es sei denn, sie heißen mit Vornamen Benjes - ggf. googeln) waren in erzwungener Akkuratesse noch nie lebendig. Sie begrenzen, schließen aus, sind fast immer eine ablehnende Botschaft für den, der nicht hinter sie oder hindurch darf. Wieso hat man nicht im Übergang vom nördlichen Kö-Ende zur Schadowstraße einen offenen Platz geschaffen? Mit einer bunt gewürfelten Gastronomie à la Carlsplatz, die Menschen angelockt hätte, sich zu stärken, bevor man entweder ins Theater oder auf die Schadowstraße zum Bummeln geht. Zu spät. Düsseldorf muss viele Jahre mit diesem abstoßenden Ding leben. Aber es darf die Hoffnung haben, dass es diesem Bauwerk in nicht allzu ferner Zukunft so geht wie dem B8-Center in Flingern: Nur elf Jahre nach der Eröffnung soll es demnächst abgerissen werden.

Architektur auf Talfahrt

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Das ist jetzt eine gemeine Stelle, den Text auszublenden, das wissen wir.

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