Auf ein Mittagessen mit „Duy Eats“
Das Restaurant sieht von außen sehr unscheinbar aus. Zwei Schilder hängen an der Hauswand. Eins auf Deutsch, eins auf Arabisch. Direkt darunter werben zwei Laternen für eine Biermarke. All das erinnert an einen Imbiss. Der Blick von der Fensterfront geht auf die vielbefahrene Kölner Straße, gleich um die Ecke liegt der berühmt-berüchtigte Worringer Platz. „Der Laden strahlt aus: Hier gibt es ehrliche Küche“, sagt Duy Tran. Er ist Food-Blogger – und er hat den Ort für unser gemeinsames Mittagessen ausgesucht.
„Duy Eats“, Duy isst, heißt seine Instagram-Seite. Laut seinem Profil schauen mehr als 13.000 Menschen dabei zu, wie er Restaurants testet, Tipps gibt und sichtbar Spaß an guter Küche hat. Seit rund zwei Jahren betreibt der freiberufliche Digital-Designer die Seite. Bilder seines Essens postete er davor schon mehr als ein Jahrzehnt lang auf seinem privaten Facebook-Account. „Das hat keiner verstanden“, sagt er heute. Mittlerweile liegt er mit seinen Beiträgen mitten im Trend.
Das Sannin, das Tran für heute ausgesucht hat, sieht von innen einladender aus als von außen. Die Wände sind in einem warmen Rot gestrichen, die Tische bereits für die Gäste eingedeckt. Als wir uns dort treffen, hat das Restaurant gerade erst geöffnet. Langsam wird es voller. Als wir gehen, sind fast alle Plätze besetzt. Es wird Deutsch gesprochen, Englisch und Arabisch. „Das ist mein Lieblingsrestaurant der libanesischen Küche“, sagt Tran. „Mega-traditionell, kein Restaurant, für das die Leute Schlange stehen.“
Es gibt einige Foodblogger in Düsseldorf. Doch die meisten sind nicht wie Duy Tran. Sie gehen zu jeder Restauranteröffnung, fotografieren dort das Innendesign. Ihnen geht es mehr um die Kulisse, weniger um darum, wie das Essen schmeckt. Tran interessiert sich nicht für stylische Inneneinrichtung. Er mag lieber die kleinen, unscheinbaren Restaurants. Bevor er über sie berichtet, gehe er meistens mehrfach hin. Eröffnungen seien da ohnehin der falsche Zeitpunkt, sagt er. Er wolle sich ein ausführliches Bild von der Qualität der Küche machen. Erst dann poste er. Sein Essen zahlt er nach eigenen Angaben immer selbst, Kooperationen mit Restaurants gibt es nicht.
Es dauert ein wenig, bis sich Tran entschieden hat. Die Karte ist groß. Es gibt Fleischgerichte, Sandwiches und viele Kleinigkeiten. Tran nimmt drei Vorspeisen: „Labneh“ (Libanesischen Frischkäse), „Mutabbal“ (Auberginenpüree) und „Tabouleh“ (Arabischen Petersiliensalat). Dazu trinkt er einen schwarzen Tee. Auf Englisch nimmt der Kellner die Bestellung auf.
Duy Tran wuchs als Kind vietnamesischer Eltern in Mönchengladbach auf. Erst als er auszog, merkte er, wie gut und abwechslungsreich seine Mutter in seiner Jugend eigentlich gekocht und wie viele Gewürze und Gerichtsvariationen er zu Hause kennengelernt hatte. „Ich bin nicht Gourmet, weil ich so geboren, sondern weil ich so erzogen worden bin.“ Deutsche ohne anderen kulturellen Hintergrund hätten es oft schwerer, sich auf die verschiedenen Küchen der Welt einzulassen. Wer erst spät mit Schärfe und vielen neuen Gewürzen in Berührung komme, sei leicht abgeschreckt. Essen sei für ihn ein „Lernprozess“, sagt er.
In drei Schalen werden Trans Vorspeisen gebracht. Zu diesem Zeitpunkt stehen auch schon Brot, eingelegter Rettich, Peperoni, Oliven und zwei Dips auf unserem Tisch. Als das Essen kommt, schaut Tran zu mir herüber und fragt: „Darf ich?“ Dann filmt er seine Bestellung. „Bald wird es hier mal Zeit für ein cooles Reel.“
Wer sich die Beiträge und Storys bei „Duy Eats“ ansieht, findet viele Tipps für asiatisches Essen. Das mag ein wenig an Trans Hintergrund liegen, spiegelt aber vor allem das Angebot in Düsseldorf wider. „Die lokale Küche in Düsseldorf ist Japanisch“, sagt er. Japanisch, Koreanisch, auch Chinesisch könne man in der Stadt sehr gut essen. Da sei das Angebot heute besser als bei der klassisch-deutschen Küche, die bedauerlicherweise keine so große Rolle mehr spiele. Wer Türkisch und Arabisch essen möchte, sei in der Regel in Köln noch besser aufgehoben. Auch die vietnamesische Küche in Düsseldorf hat es bei ihm schwer. „Dort fehlt mir oft die Raffinesse“, sagt er. Er sei da aber vielleicht auch besonders streng.
Der Nachteil eines Interviews beim Mittagessen ist, dass der Befragte kaum zum Essen kommt. Tran antwortet ausführlich auf jede Frage und nutzt die kurzen Pausen, um sich mit dem Fladenbrot durch seine Vorspeisen zu probieren. „Sehr lecker“, sagt er dann. Eine Überraschung ist das für ihn nicht. „Ich kenne so ziemlich die ganze Karte.“ Wenn er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter im Sommer zum Grillen eingeladen ist, dann rufe er gerne mal im Sannin an. Statt selbstgemachtem Salat gibt es dann libanesische Vorspeisen.
Duy Tran isst so ziemlich alles. Er hat keine Unverträglichkeiten und gibt auch keine Lebensmittel oder Küchen, die er überhaupt nicht mag. „Ich bin der absoluten Überzeugung, dass jedes Land leckeres Essen hat.“ Nur die Qualität müsse stimmen. Da sei er wählerisch. Selbst im „besoffenen Zustand“ in der Altstadt gibt es bei ihm keine Standardpizza. Stattdessen geht er dann lieber zum Schweine Janes. Das sei zwar auch nicht gesund, aber wenigstens qualitativ gutes Essen.
Was er gar nicht verstehen kann, sind manche Kollegen in seinem Büro in der Düsseldorfer Innenstadt. „Die wollen nur irgendetwas essen und, am schlimmsten, dann auch noch vor dem Rechner.“ Zum Mittagessen müsse er schon rausgehen und brauche dabei Abwechslung. Die Kollegen, die auch nicht gerne bei der Arbeit essen, wissen mittlerweile schon Bescheid. „Die gehen davon aus, dass ich schon weiß, wohin. Aber ich will das auch nicht immer entscheiden.“
Nicht nur Trans Ansatz ist anders als bei anderen Foodbloggern, auch deren Ziele teilt er nicht. Mehr Follower seien natürlich nett, aber eine Zahl sporne ihn nicht an. „Ich habe eher das Ziel, Leute mit gutem Essen erreichen zu können. Das ist mir wichtig.“ Zudem würde er gerne mehr Videos veröffentlichen. Zwei Stunden am Tag beschäftigt er sich in der Regel mit neuen Inhalten. Manchmal mache er aber auch ein paar Tage lang gar nichts, bis er wieder Lust hat. Er produziert alles allein. „Da bin ich zu perfektionistisch.“
Einmal ist Duy Tran mit dem Fahrrad über den Jakobsweg von Frankreich bis nach Portugal gefahren. Drei Wochen lang. „Das war natürlich auch ein kulinarischer Trip“, sagt er. So etwas sei bis heute seine liebste Art des Urlaubens. Mobil sein, Sport treiben, die lokale Küche entdecken. Sein Traum ist es, einmal durch Lateinamerika zu reisen und sich dabei durch die Regionen zu essen. Viel Sport treibt er auch in Düsseldorf. Er spielt Tischtennis, Badminton – früher war er auch regelmäßig laufen und im Fitnessstudio. Heute fehlt mit einer kleinen Tochter ein wenig die Zeit dazu. Statt essen zu gehen, kocht er nun auch regelmäßig zu Hause. Am liebsten Pasta. „Unsere Tochter soll mit gekochtem Essen groß werden“, sagt er.
Einen Tag, nachdem wir bei Sannin waren, erscheinen bei „Duy Eats“ zwei kurze Storys. Die erste zeigt ein Foto der Inneneinrichtung. „Das Sannin hat sich nach gefühlt 20 Jahren einer Renovierung unterzogen“, schreibt Tran dazu. Das zweite ist das Video, das er von seinen Vorspeisen gemacht hat. Mit Erklärungen und großem Lob für das Auberginenpüree. „Das einzige, was ich noch mehr mag als Hummus. Und hier ist er unschlagbar.“
Einen kulinarischen Sehnsuchtsort hat Duy Tran auch. Er mag die spanische und italienische – ja sogar die bayrische Küche. Besonders liebt er es aber in Ho-Chi-Minh-Stadt zu essen, der größten Stadt Vietnams. Auch dort geht er nicht in die großen Restaurants, sondern lieber zu den kleinen Essensständen am Straßenrand. „Da kannst du die ganze Nacht essen.“
Weiterführende Links
Die Instagramseite „Duy Eats“ ist hier zu finden.