Bambi war zweimal in Düsseldorf – und lahmte damals schon
Der Preis, seit Dezember 1953 jährlich vergeben, kam erstmals 2007 in die NRW-Landeshauptstadt. Modehändler Albert Eickhoff (gestorben 2022) hatte maßgeblich an dieser Entscheidung mitgewirkt. Er war eng befreundet mit Patricia Riekel, Chefredakteurin der Zeitschrift „Bunte“. Dieses Fachorgan der Reichen und Schönen erscheint im Burda-Verlag, und dort hatte Riekel schon lange, gemeinsam mit ihrem Partner Helmut Markwort (Erfinder des „Focus“), die Regie für Bambi inne.
Eickhoff konnte seine Freundin überzeugen, den Tross rund ums Rehlein (das übrigens im gleichnamigen Disney-Film ein junger Hirsch ist) nach Düsseldorf zu bringen. Was der damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin mit Wonne und aus tiefster Überzeugung unterstützte. Kein Wunder: Wenn Bambi an die Frau oder den Mann kam, war stets die ARD dabei. Die Party wurde im ersten Programm zur besten Sendezeit gezeigt, und das war in Geld kaum aufzuwiegende Werbezeit.
Es dürfte daher kein Problem gewesen sein, für das Fest den großen Saal des Congress Centrums an der Messe nutzen zu dürfen. Zu welchen Bedingungen ist nie offen kommuniziert worden. Meine Annahme: zum Nulltarif. Schließlich war man dankbar, überhaupt zum Zuge zu kommen.
Womit wir beim Geld wären, und das war und ist ein – sagen wir: diffuses Thema. Bambi war immer karitativ, ohne Zweifel. Es gab viele wohltätige Programme, die man unterstützte, und dies natürlich auch laut kommunizierte. Aber unterm Strich wird das Rehlein dem Burda-Verlag Geld gebracht haben. Es gab Heerscharen von Sponsoren, für die es hoch lohnenswert war, an diesem Abend gratis ihre Produkte zu stellen, womöglich plus Geld. Schließlich standen ja TV-Zeiten mit enormer Werbewirkung in Aussicht. Dass Burda diese Sause aus rein altruistischen Gründen über die Jahre organisierte, halte ich für unwahrscheinlich. Der Umsatz an Sponsorengeldern war enorm und entwickelte im Laufe der Jahre eine eigene Dynamik. Jedenfalls arbeitete bei Burda ein komplettes Team nur für und am Bambi.
Geehrt, bedacht oder was auch immer wurden durchweg bekannte Menschen – nur ein paar Beispiele aus der schier endlosen Liste: Sophia Loren, Keanu Reeves, Michael Douglas, Peter Alexander, Udo Jürgens. Einige sogar mehrfach. Internationale Stars, deutsche Prominente, aber auch verdiente Normalos durften die vergoldete Figur mit nach Hause nehmen. Die Liste liest sich wie ein Who’s-who der globalen Film-Elite, und die Deutschen, Österreicher und Schweizer waren eh dabei.
Der niederländische Sänger und Schauspieler Johannes Heesters, zuletzt scheinbar mit dem ewigen Leben gesegnet, bekam in seinen letzten Lebensjahren jährlich die Auszeichnung, weil er sich offenbar weigerte zu sterben und man sich die Peinlichkeit ersparen wollte, ihn nicht mehr zu ehren. Was allerdings zu grenzwertigen Momenten führte, wenn seine viel jüngere Frau Simone den kaum noch ansprechbaren Greis auf die Bühne schob und ihm den x-ten Bambi in die welken Hände legte. Heesters starb 2011 – mit 108 Jahren. Zehnmal bekam er die Trophäe, beim letzten Mal jedoch nicht mehr vor Publikum.
2007 war der Glanz noch präsent, und nie werde ich die unüberhörbare Geräuschkulisse von Hunderten Fotografen vergessen. Sie standen am Zugang zum Saal am roten Teppich hinter einer sorgsam eingeteilten Absperrung und brüllten die Stars an, um einen Blick und damit ein gutes Motiv zu erhalten. Sowas hatte ich vorher nie erlebt, und seitdem auch nicht mehr.
Tom Cruise („Top Gun“) war der internationale Top-Star des Abends, und er wurde ausgezeichnet, weil er zu dieser Zeit den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg in dem Film „Operation Walküre“ spielte. Wer die Laudatio des damaligen FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher auf Cruise hörte, mag geahnt haben, dass da bei den Redebeiträgen etwas schieflief: Schirrmacher pries den Action-Star in den höchsten Tönen und man hatte den Eindruck, nicht Stauffenberg, sondern Cruise hätte versucht, Hitler am 20. Juli 1944 mit einer Bombe zu töten. Im Publikum war jedenfalls in großen Teilen betretenes Schweigen.
Dass Cruise überhaupt begriff, wo er war und warum, darf bezweifelt werden – Mission impossible, sozusagen. Womöglich aber einträglich: Ähnlich wie bei vergleichbaren so genannten Charity-Events kamen solche Schauspieler nicht aus Nettigkeit, sondern weil es für manche neben einem schönen Honorar auch noch First-Class-Flüge und Top-Hotels gab. Auch das ist nie zu klären gewesen. Oder aber sie waren auf PR-Tour für ihren neuen Film und nahmen diese Gratis-Reklame gerne mit.
Was die Millionen Zuschauer im Fernsehen ebenfalls nicht ahnten: Sie sahen auf dem TV-Schirm stets eine zusammen geschnittene, also deutlich gekürzte Version der gesamten Sause. Der Abend dauert nämlich quälend lange. Über Stunden wurden nach und nach die zu Ehrenden auf die Bühne geholt, es gab mehr oder weniger lange (und selten unterhaltsame) Lobpreisungen – aber unten nichts zu essen und zu trinken. Bambi-Veteranen erzählten mir später, sie hätten daher immer Müsli-Riegel und eine Flasche Mineralwasser dabei.
Ungewöhnlich war auch die Gäste-Auslese: Zu kaufen waren die Tickets nicht, die Sponsoren konnten benennen, wer dabei sein durfte, und Burda lud auch ein. Für ein paar mir bekannte Düsseldorfer (gewohnt, immer auf der VIP-Liste zu stehen) eine so nie erlebte Situation: Sie mussten draußen bleiben! Ich weiß von mehreren Fällen verschnupfter Leute, die daraufhin eine Reise buchten, um später sagen zu können, sie seien eh nicht da gewesen.
Auch für die Stadt selbst lief es an diesem Abend nicht gut. Ein so genannter Künstler, plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, hatte der Stadt ein Spektakel der besonderen Art versprochen: Ihm würde es gelingen, als Kulisse für die Bambi-Verleihung den Rhein zwischen Altstadt und Messegelände durch spezielle Lichttechnik blutrot zu färben. Ein roter Rhein passend zum Roten Teppich. Das Rathaus, allen voran der Chef, war begeistert und man gab dem Illuminator den Auftrag. Kosten: 100.000 Euro. Leider floppte bereits die Generalprobe: Lediglich ein paar rote Flecken waren zu sehen. Am Abend selbst, Ende November und es nieselte, standen zigtausende am Ufer und warteten auf die versprochene Verfärbung. Aber wieder blieb es bei ein bisschen Rot hier und da. Das Open-Air-Publikum schwankte zwischen Spott und Zorn, und später schäumte Joachim Erwin vor Wut. Blamagen dieser Art mochte er gar nicht.
2012 folgte die zweite Runde Bambi in Düsseldorf. Dieses Mal war der Auftrieb der Medienleute bereits deutlich geringer, man spürte ein nachlassendes Interesse. Der Abend war keineswegs ein rauschendes Fest. Zu meiner Überraschung wurde ich seinerzeit sehr kurzfristig gefragt, ob ich nicht Interesse an ein paar Tickets hätte – für Freunde oder Verwandte. Die heiß begehrten Plätze waren plötzlich leicht verfügbar. Mir schwante nichts Gutes, ich konnte aber nicht helfen.
Passend zu meinem Eindruck dieses Abends ätzte der „Spiegel“ damals: „Es war ein Abend wie ein Nachmittag beim Friseur. Drei Stunden Wartezeit, lähmende Langeweile (…) Am Ende schmerzten gewiss Hintern und Hände, vom dauerhaften Sitzen und Klatschen (…) Wahrlich, es überwog bei allem Klimbim das Deklamatorische, Mäandernde, Einschläfernde. Fortwährend wurden pathetische Einspielfilmchen gezeigt und Reden geschwungen, in denen noch mal erzählt wurde, was in den Einspielfilmchen zu sehen war. Quälende Anekdoten, missglückte Scherze, reinherzige Appelle, würdige Nekrologe, das übliche Gestammel, kurz, es ging über weite Strecken so packend zu wie, beispielsweise, auf einer feierlichen Sitzung der Winzergenossenschaft Oestrich-Winkel.“
Diese Beschreibung trifft es ziemlich gut, und sie ließ ahnen, dass es womöglich so nicht weitergehen würde. Tat es aber, Dutzende weitere Bambis wurden verteilt, bis zur Zwangspause wegen Corona. Danach kam das Tierchen nicht mehr so richtig auf die Läufe. Die Quoten gingen weiter in den Keller, die ARD wollte nicht mehr beste Sendezeit bereitstellen. Bis 2019 hatte sie übertragen, dann verzichtete sie auf eine Vertragsverlängerung.
2020, 2021 und 2022 fiel Bambi aus. Im vergangenen Jahr erbarmte sich dann SAT. 1. Es könnte an guten Verbindungen Burdas zu den Privatsendern gelegen haben, aber der Pakt blieb einmalig. Nicht zuletzt, weil wohl nur rund 800.000 Menschen hinguckten.
Nun also ist man auf der Suche nach einem Ersatz – obwohl man Bambi besser zur Strecke bringen sollte.