Der gute Kompromiss: Neuer Favorit für Jonges-Chefposten

Bis vor kurzem gab es zwei Bewerber für das höchste Amt im Heimatverein, nun tritt auch Reinhold Hahlhege an. Ich erkläre, warum es zu diesem Schritt kam und warum die Chancen des neuen Kandidaten gut stehen.
Veröffentlicht am 7. April 2025
Reinhold Hahlhege von den Düsseldorfer Jonges
Reinhold Hahlhege ist seit 2012 Vizebaas der Düsseldorfer Jonges, einer der beiden Stellvertreter des Vorsitzenden.

Es war ein seltsamer Dienstag. Vier Wochen vor der Wahl des neuen Vorsitzenden war ich zu Gast im größten Düsseldorfer Heimatverein, bei den Düsseldorfer Jonges. Die Gespräche dort kamen über kurz oder lang immer auf die Abstimmung am 29. April. Wenn ich dann aber fragte, wer Favorit für den Posten des Baas ist, hörte ich eher ein Geräusch als eine Antwort. Das Geräusch war eine Mischung aus Brummen und dem Satzanfang „Joah …“. Meist endete dies mit der Vermutung, es werde ein knappes Rennen. Aber zufrieden mit der Auswahl oder wenigstens einem der Bewerber wirkten die wenigsten.

Für mich erschien dies seltsam, weil der Posten ein bedeutender in der Stadt ist, seit langem feststeht, dass der bisherige Vorsitzende Wolfgang Rolshoven nach 13 Jahren aufhört, und man unter mehr als 3000 Mitgliedern passende Kandidaten finden sollte. Je mehr Gespräche ich danach führte, desto weniger konnte ich mir vorstellen, dass das Rennen so bleibt. Bestätigt wurde ich schließlich, als ich erfuhr, dass nun noch ein dritter antritt: Reinhold Hahlhege, aktuell Vizebaas, also einer der beiden Stellvertreter des Jonges-Chefs.

Diese Entwicklung wirkt auf den ersten Blick überraschend, ist aber letztlich konsequent, wenn man die Hintergründe beleuchtet. Dazu muss man sich zunächst noch einmal vor Augen führen, was mit dem Posten verbunden ist.

Welche Qualitäten sollte der Vorsitzende der Jonges haben?
Die Aufgaben eines Baas sind auf einigen Seiten in der Satzung des Vereins geregelt. Entscheidender ist allerdings die Praxis, und die kann man am Beispiel von Wolfgang Rolshoven gut erklären. Wenn er sich nun verabschiedet, haben die Jonges einen sehr guten Kontostand, eine hohe Mitgliederzahl und trotz des großen Mankos, ein reiner Männerverein zu sein, noch eine gesellschaftliche Relevanz.

Der scheidende Baas hat dies vor allem mit Kondition und Unbekümmertheit geschafft. Er ist wahrscheinlich der Düsseldorfer, der die meisten Veranstaltungen pro Woche und Jahr besucht. Und er nutzt jede dieser Gelegenheiten, um neue Mitglieder zu werben. Als Jonges-Vorsitzender tritt man als erstes gegen die Natur an. Es sind weniger die Aus- als die Abtritte, die die Zahl der Mitglieder von jeher verringert. Etwas übertrieben formuliert: Wer den Wert um 100 steigern möchte, muss 200 neue Leute gewinnen.

Eben das ist Wolfgang Rolshoven gelungen. Der Griff in die Jacketttasche ist seine typische Handbewegung – denn dort trägt er immer genügend Aufnahmeanträge bei sich. Der jetzige Baas fragt eher nach der IBAN als der Handynummer. So wurden es im Laufe seiner Amtszeit mehr und mehr Mitglieder, und das Durchschnittsalter sank.

So und mit einer Beitragserhöhung machte er die Jonges unabhängiger von Sponsoren. Das war insofern wichtig, als viele Unternehmen schon deshalb kein Geld geben durften oder wollten, weil die Jonges keine Frauen aufnehmen. Das nun gut gefüllte Konto ist zudem wichtig, weil das Vereinshaus in einem Zustand ist, der einen Neubau wahrscheinlich macht.

Zugleich haben Wolfgang Rolshoven und seine engen Vertrauten sich in eine Reihe von politischen Diskussionen eingemischt, etwa wenn es um die Sicherheit in der Altstadt ging oder darum, die Gasbeleuchtung in den Laternen zu erhalten. Dabei ließen sie sich auch nicht davon beeindrucken, dass ihr Kontrahent jeweils der Oberbürgermeister war und die ihnen sonst nahestehende CDU zum Frontalangriff überging (hier nachzulesen).

Zusammengefasst: Ein erfolgreicher Baas braucht viel Zeit, Mut sowie eine Handvoll Mitstreiter, denen er vertraut, und er darf keine Skrupel kennen, jeden als mögliches Mitglied anzusprechen.

Wie haben sich die bisherigen Bewerber präsentiert?
Hans-Jürgen Tüllmann:
Der Diplom-Ökonom gilt als sehr umgänglich, soll einige größere Tischgemeinschaften zu seinen Unterstützern zählen und bringt die Erfahrung aus einem anderen großen Verein mit. Er war Geschäftsführer des Comitee Düsseldorfer Carneval.

Die Probleme seiner Kandidatur beginnen mit Strichen. In der Beilage zum Vereinsmagazin stehen kurze Steckbriefe der Bewerber. Neben den Punkten „Bisherige Ämter im Heimatverein“, „Bisherige Ämter in der Tischgemeinschaft“ und „Ehrungen“ sieht man drei waagerechte Striche. Hans-Jürgen Tüllmann ist zwar seit 2008 Mitglied bei den Jonges, dort aber bisher nicht besonders in Erscheinung getreten. Seit er ernsthaft im Rennen um den Vorsitz ist, sieht man in häufig bei Veranstaltungen. Die Jonges sind allerdings so verfasst, dass sie solch plötzliches Engagement nicht ebenso plötzlich goutieren.

Zudem haften dem 67-Jährigen zwei Dinge an. Als CC-Geschäftsführer ging er nicht freiwillig, Menschen, die es weniger gut mit ihm meinen, nennen ihn gescheitert. Daraus resultiert der Eindruck, dass er nun unbedingt eine Aufgabe für sich sucht und im Chefposten der Jonges eine Möglichkeit gefunden hat. Nach meiner Einschätzung wäre es für ihn passender gewesen, mit einer anderen Aufgabe im Vorstand zu beginnen.

Norbert Knuth: Der Steckbrief des 63-Jährigen liest sich wie gemalt für einen Baas. Er ist schon im Alter von 24 Jahren eingetreten, seit 2005 Chef der Tischgemeinschaft De Rhingkadette und war auch schon im erweiterten Vorstand des Vereins. Die Jonges haben ihrer Neigung zur umfangreichen Ehrung bei ihm freien Lauf gelassen. Norbert Knuth hat bereits die Silberne Ehrennadel, die Goldene Ehrennadel und die Heinrich-Heine-Plakette bekommen.

All das erklärt, warum er im Zweier-Rennen als leichter Favorit galt. Ihm scheint aber vor allem ein Mangel aus Verschwiegenheit und gemäßigter Selbsteinschätzung zum Verhängnis geworden zu sein. Im Verein kursiert die Geschichte, Norbert Knuth habe sich als eng vertraut mit dem früheren Ministerpräsidenten Armin Laschet und dem amtierenden Oberbürgermeister gebrüstet. Das soll soweit gegangen sein, dass Stephan Keller klarstellen ließ, dass das Verhältnis so eng nicht ist. Der OB wollte offensichtlich im vereins-internen Wahlkampf nicht im Verdacht stehen, für den einen oder anderen Kandidaten Partei zu ergreifen.

Diese Intervention ist eine denkbar schlechte Voraussetzung für jemanden, der als Vorsitzender auch einen guten Kontakt ins Rathaus braucht.

Wie unterscheidet sich der neue Kandidat von den beiden anderen?
Reinhold Hahlhege (74) hat zur selben Zeit wie Wolfgang Rolshoven im Vorstand angefangen, ist also seit 13 Jahren einer der beiden Stellvertreter. Er war an allen wesentlichen Entwicklungen des Vereins in dieser Zeit beteiligt, kennt das Netzwerk und könnte nahtlos an die Arbeit des bisherigen Baas anschließen. Er hat den Verein nach außen repräsentiert, unter anderem, weil er für die Förderpreise zuständig ist, die der Verein vergibt, und sich um die Spendenaktionen gekümmert hat. Über Letzteres habe ich vor kurzem noch mit ihm gesprochen und dabei erlebt, dass er die Ansprechpersonen namentlich und jedes Projekt kennt, für das die Jonges Geld gegeben haben.

Die große Aufgabe der nächsten Jahre ist die Frage, wie man mit dem Vereinshaus in der Altstadt verfährt. Dazu passt Reinhold Hahlhege in doppelter Hinsicht. Der promovierte Ingenieur ist bereits für die Sanierung des Jonges-Hauses zuständig. Außerdem war er mit seinem Unternehmen für Projektentwicklung und -management an großen Vorhaben in der Stadt beteiligt, unter anderem bei Bühnen des Schauspielhauses, Zentren für Fortuna und Borussia Düsseldorf sowie dem Allwetterbad in Flingern.

Ein weiteres Argument lieferte der neue Kandidat mit Blick auf die Zukunft. Reinhold Hahlhege hat erklärt, nur eine Amtszeit Baas sein zu wollen, also für drei Jahre. Das passt zu der Übergangszeit, die nach dem Abschied von Wolfgang Rolshoven beinah zwangsläufig ansteht. In diesen Jahren könnte man dann in Ruhe einen Vorsitzenden suchen/aufbauen, der den Verein wieder längerfristig prägt.

Wie geht es nun weiter und die Wahl am 29. April aus?
Reinhold Hahlhege hat seine Kandidatur erklärt, nachdem er von vielen (auch hohen Repräsentanten des Vereins) angesprochen wurde. Das erweitert die genannten Argumente noch um den Punkt „breite Rückendeckung“. Bis zum 29. April stellt sich nun die Frage, ob die anderen beiden angesichts dessen weiter kandidieren. Darüber, wie man sein Gesicht wahrt, also mit Rückzug oder Trotz, gehen die Meinungen auseinander.

Wenn bei der Mitgliederversammlung noch mehrere Bewerber antreten, wird es ein Faktor sein, welche der mehr als 3000 Stimmberechtigten tatsächlich erscheinen. Es ist möglich, dass einzelne Kandidaten besonders viele ihrer Unterstützer mitbringen. Letztlich gehe ich aber davon aus, dass diejenigen, die Reinhold Hahlhege jetzt angesprochen haben, genügend Mitglieder ihrer Tischgemeinschaften zur Wahl bewegen.

Weitere VierNull-Geschichten zum Thema

Der Chef des größten Heimatvereins in Düsseldorf

Herr Keller und die bösen Jonges

Gesucht: Der vielleicht vorläufig letzte Mann als Jonges-Baas

Jonges an die Stadt: Danke für gar nichts

Rolshoven gegen Keller wird zum Dauerduell


Lust auf weitere Geschichten?