Der Mann, der im Creamcheese ein Café eröffnete
Kürzlich schrieb ich eine Kolumne über Jörg Eimecke (72) und seine beiden Clubs Rockin´ Eagles und Relaxx, die von 1977 bis 1990 Berühmtheiten wie Elton John, Grace Jones, David Bowie und Depeche Mode an die unscheinbare Jahnstraße in Friedrichstadt lockten (hier nachlesen). Hier folgt nun ein Interview, in dem Eimecke die gesamte Geschichte seiner Gastro-Karriere sowie Anekdoten am Rande erzählt. Geboren 1950 zog er Anfang der sechziger Jahre von Niedersachsen nach Düsseldorf. Seine Mutter führte ein Blumengeschäft – zunächst am Belsenplatz, später an der Ellerstraße, kurz vor der Kölner Straße. Eimecke wuchs in Oberkassel und Oberbilk auf, begann 1965 eine Lehre als Dekorateur bei Karstadt.
Ab wann sind Sie ausgegangen in Düsseldorf, und welche Lokale waren das?
Jörg Eimecke: Zeitgleich mit der Lehre fing auch meine musikaffine Zeit an. Ich war ja mit den Beatles groß geworden. Einer der Lieblingsläden meiner Clique war die Akademie 6 an der Akademiestraße 6. Das war das Lokal, das später als Musentempel, DIN-A-Null und Miles Smiles bekannt wurde – eine Musikbar mit bunt gemischtem Publikum. Und im Sommer 1967, kurz nach der Eröffnung, ging ich zum ersten Mal ins Creamcheese, als 16-Jähriger. Das hat bei mir einen starken Eindruck hinterlassen.
Das Creamcheese an der Neubrückstraße 12 sorgte damals bundesweit für Furore, galt als avantgardistische Disco, die Popkultur und Musik verband, mit engem Draht zur nahegelegenen Kunstakademie. Also eher nicht der typische Teenieladen …
Eimecke: Meine Kumpels und mich hat das Lokal magisch angezogen, meistens waren wir samstags da. Anfangs hatte das Creamcheese schon nachmittags auf. Gesetzlich durften wir bis 20 Uhr bleiben. Danach wurde auch auf das Alter geachtet und auf den Ausweis geguckt. Tagsüber bis zum frühen Abend waren wir aber nicht die einzigen Gäste in unserem Alter. Wobei die meisten tatsächlich von der Kunstakademie kamen und fünf bis zehn Jahre älter waren.
Was faszinierte Sie dort?
Eimecke: Man ging rein und hatte erst mal eine Wand aus Fernsehern vor sich. Alle schwarzweiß, und überall lief etwas anderes. Manche hatten auch gar kein Bild oder nur ein verschwommenes. Außerdem liefen quasi an jeder freien Fläche des Ladens, an Decke und Wänden, Projektionen mit außergewöhnlichen Filmen, zum Teil auch leicht verzerrt, da schräg projiziert. Das war auch schon nachmittags so, es drang kein Tageslicht nach drinnen, denn als Disco durfte das Lokal keine Fenster haben, wegen des Schallschutzes. Im Creamcheese habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Pink Floyd gehört, den Song „See Emily Play“. Der Sound war generell avantgardemäßig, kein Mainstream, zwischendurch auch mal Frank Zappa oder Jimi Hendrix. Zappa, nach dessen Song „Son of Suzy Creamcheese“ der Laden benannt war, ist ja bekanntermaßen später sogar zweimal als Gast dagewesen, aber diese Abende habe ich leider verpasst. Es war jedenfalls eine großartige Atmosphäre und man fühlte sich wie in einer anderen Welt, auch dank des DJs. Im Creamcheese habe ich auch Mora zum ersten Mal gesehen. Die hat dort anfangs hinter der Theke gearbeitet, und zwar oben ohne, wobei die Brüste über Kreuz mit Pflastern überklebt waren. Inzwischen ist sie über 80 Jahre und lebt als Hippiequeen auf Ibiza.
Ab Ende der sechziger Jahre avancierte Mora zu einer Legende des Düsseldorfer Nachtlebens …
Eimecke: Nicht nur das, Mora hatte ja zwischendurch auch Modeläden. Der erste hieß Pop-Off, den machte sie gemeinsam mit ihrem Partner Sascha auf, und zwar in dem Haus rechts neben dem Creamcheese. In dem Geschäft hat Othello als Verkäufer gearbeitet, der ebenfalls sehr bekannt war in der Szene. Weit später hatte er ja in Derendorf das Caffé Othello. „Mora eröffnete Ende der Sechziger den Mora’s Lovers Club im Kö-Center, eine Disco mit ähnlichem Publikum wie im Creamcheese. Einmal sahen wir dort Abi Ofarim unter den Gästen, daran erinnere ich mich noch. Zur gleichen Zeit gab es im Kö-Center eine Disco namens Big Ape. Die haben hauptsächlich Rock & Roll gespielt, das war mir etwas zu einseitig, und deswegen war ich selten da, obwohl ich nichts gegen den Sound an sich hatte. Jedenfalls waren es die gleichen Räume, in denen Ende der Siebziger das Malesh eröffnete und später das Checkers reinkam.
Mora zog dann mit dem Club von der Kö an die Schneider-Wibbel-Gasse …
Eimecke: … und nannte ihn um in Mora’s Lost Angels Club, damals ebenfalls einer der Stammläden auf meiner Ausgehroute. So um 1973 war das, zu der Zeit ging ich auch gerne ins Haus Bettermann. Da hatte Bim Reinert – mit ihrem Mann Achim die Macherin des Creamcheese – einen weiteren Laden eröffnet, den betterman’s club, in einem wunderschönen Altbau in Kö-Nähe, an der Josephinenstraße 9, Original-Zustand mit imposanten Stuck-Decken und tollem Parkett. Es gab im Erdgeschoss einen abgetrennten Teil mit großem Restaurant, da konnte man chillen. Und es gab einen weiteren, mehr oder weniger quadratischen Bereich, da spielte sich die Musik ab. Die Tanzfläche war in der Mitte und es liefen u-förmig Bänke außen herum. Das heißt, man saß als Gast am Rand und hat den Leuten beim Tanzen zugeschaut. Insgesamt waren das bestimmt 300 Quadratmeter. Leider gab es das Lokal nicht sehr lange, zwei oder drei Jahre vielleicht. Ich habe den Laden dann aber auch ein wenig aus den Augen verloren, weil sich alles um die Sheila drehte.
Sheila war keine Frau, sondern eine Disco an der Neustraße 6 in der Altstadt.
Eimecke: Eröffnung war Heiligabend 1973. Ich weiß das noch so genau, weil ich am 24. Dezember Geburtstag habe. Auf der schwarzen Eingangstür mit goldenen Profilrahmen aus Messing war die Illustration einer Wildkatze zu sehen. Im Disco-Raum stand ein großer Käfig, bestimmt zweieinhalb Meter Durchmesser, erhöht auf einem Podest. Das Publikum war ziemlich extravagant, es war schwer hineinzukommen, und dazu passend spielte auch der DJ kaum Mainstream. Die Musik, die im ersten Jahr dort lief, hat mir sehr gefallen. Der DJ kam aus Köln, Ingo oder Igor, dem habe ich über die Schulter geschaut. Und da reifte wohl auch meine Idee, mal einen eigenen Laden zu haben, um solche und ähnliche Musik aufzulegen. 1974, das allererste Jahr des Clubs, war also richtig toll. Danach hat Heinz Cremer, der Betreiber, einen Fauxpas begangen: Er hat mitten in der Nacht, um 1 Uhr, wo der Laden am Kochen war, das Putzlicht anmachen lassen, sich einen Besen geschnappt und die Tanzfläche gekehrt. Der Grund dafür hat sich mir nie erschlossen. Jedenfalls waren danach der Geschäftsführer Holger Haas und alle anderen aus der Sheila-Crew so stinksauer, dass sie geschlossen gekündigt haben, der DJ inklusive. Cremer musste sich also kurzfristig neue Leute suchen.
Kommen wir zurück auf Sie persönlich: Sheila-Besitzer Heinz Cremer war ja außerdem der Betreiber der Mata-Hari-Passage – und ab 1972 Ihr Chef.
Einmecke: Ich hatte meine Lehre bei Karstadt beendet, meine Bundeswehrzeit hinter mich gebracht, und dann fing ich als 21-Jähriger, heute fast genau vor 50 Jahren, bei Heinz Cremer als Chefdekorateur der Mata Hari Mode Boutiquen GmbH an. Cremer unterhielt ja neben seiner Boutique Superstar in der Passage noch weitere Läden: in Düsseldorf die Jeans-Etage, an der Ecke gegenüber vom Wilhelm-Marx-Haus sowie einen Jeans-Laden am Marktplatz. Zusätzlich hatte er auch noch je ein Geschäft in Oberhausen und in Krefeld. All diese Läden habe ich dekoriert. Ein schöner Job, ohne Langeweile: Ich war auf mich gestellt, brauchte mir keine Erlaubnis einzuholen, hatte freie Hand. Ach ja, und weil ich ein Händchen für Grafik hatte, durfte ich auch noch das Logo für Cremers Disco Sheila gestalten, ein Kreis mit einer springenden Wildkatze in der Mitte.
Die Mata-Hari-Passage ist heute einer der meistvermissten Erinnerungsorte der Stadt. Was war das Besondere?
Eimecke: Ganz einfach, da gab es schrille Sachen, die man nirgendwo sonst bekam. Der eben erwähnte Holger Haas, der parallel auch bei Superstar Geschäftsführer war, ist für Cremer immer nach London gefahren, um neue Klamotten für den Laden auszusuchen, zum Beispiel bei Mr Freedom. 1973 kam sogar mal Led-Zeppelin-Sänger Robert Plant zum Einkaufen bei Superstar vorbei, hat zwei Paar Stiefel gekauft, da war ich gerade zum Dekorieren im Geschäft. Dort gab es glamrockmäßige Schuhe für 450 Mark, Handarbeit, vom gleichen Designer in London, der damals für die ganzen Rockstars die Stiefel gemacht hat. Extrem aufwändig und mit Liebe fürs Detail gestaltet. Aus heutiger Sicht: ein Stück Zeitkolorit. So was konnte man damals woanders kaum finden in Deutschland.
Der Traum von der eigenen Disco ließ Sie nicht los. Sie haben sich dann mit Klaus Jenke zusammengetan, der die Jeans-Läden von Mata-Hari-Besitzer Cremer leitete, um ein geeignetes Objekt zu finden.
Eimecke: Wir übernahmen den Mietvertrag des Peppermint an der Ecke Jahnstraße/Herzogstraße, mussten dabei zusätzlich hohe Kosten für den nötigen Schallschutz finanzieren. Eröffnung war Ende 1977. Unser eigener Laden! Wir nannten ihn Rockin‘ Eagles, und es lief sofort richtig gut. Bald wurden wir sogar in überregionalen Zeitschriften empfohlen. Mein Partner Klaus Jenke stand an der Tür, ich war der DJ und konnte endlich meinen stilübergreifenden Mix zwischen Glamrock, Funk und Disco spielen. Neue Platten kaufte ich meist im Studio 33 in der Mata-Hari-Passage. Kleine Geschichte am Rande: Als Mora ihren Lost Angels Club Ende der Siebziger schloss, übernahm ich als DJ die Plattenspieler – Top-Geräte der TD124-Serie – in meinen Laden.
1982 eröffneten Sie gemeinsam mit Klaus Jenke außerdem das Café-Bistro Tamara’s in der Altstadt. Das Lokal befand sich an einem „Kult-Ort“ des Düsseldorfer Nachtlebens, nämlich an der Neubrückstraße 12, dem Standort des ehemaligen Creamcheese. Wie kam es dazu?
Eimecke: Für uns war es immer schon ein Thema gewesen, neben dem Club auch noch ein schönes Café-Bistro zu eröffnen. Das Creamcheese gab es bis 1976, danach wurden die benachbarten Häuser Neubrückstraße 10 und 12 verkauft, und der neue Inhaber hat dann beide Häuser kernsaniert. Dadurch wurden sie praktisch zu einem Haus verbunden. Anfang der Achtziger hat es sich zufällig ergeben, dass die Räume vakant waren, und dann haben wir zugegriffen. Nach hinten raus war sogar Platz für eine Außenterrasse, was gut fürs Sommergeschäft war. Wie zuvor im Rockin‘ Eagles habe ich das komplette Innen-Design selbst entworfen und dann gemeinsam mit Klaus in die Wege geleitet, ein ziemliches Stück Arbeit. Bis zur Eröffnung am 15. November 1982 vergingen anderthalb Jahre Vorbereitung. Wir haben mit Art-Déco- und Bauhaus-Elementen gearbeitet. Die Theke war leicht schräg, damit sie nicht so wuchtig daherkommt. Ein Hingucker waren die Freischwinger-Stühle, in Lizenz gebaut nach dem 1925er-Design von Marcel Breuer, da hat damals jeder einzelne 480 Mark gekostet.
Wie kann man das Tamara’s-Konzept beschreiben, wie das Publikum?
Eimecke: Es war Mischung aus Cocktailbar-Restaurant und Café, insofern sowohl Tages-Treffpunkt als auch Startpunkt fürs Nachtleben. Wir hatten in der Regel ab 8 Uhr morgens auf, weil da schon die Anwälte vom Gericht rüberkamen, um zu frühstücken. Abends hatten wir in der Woche bis 1 Uhr nachts geöffnet, am Wochenende bis 3 Uhr. Am Sonntag gab es regelmäßig Brunch, unter der Woche Mittagstisch und dann ab abends auch wieder warme Küche. Volles Programm also. Von den Gästen her und auch beim Personal war das Tamara’s eine Art Zweigstelle des Rockin‘ Eagles: Werber, Künstler, Partyleute, also im weitesten Sinne Avantgarde und Mode. So kam beispielsweise Jörg Immendorf morgens regelmäßig vorbei. Und im Sommer 84 oder 85, an einem ruhigen Nachmittag, saßen auf einmal Robert Görl von DAF und Eurythmics-Sängerin Annie Lennox an einem Tisch am Fester und plauderten zwei, drei Stunden. Übrigens: Mehrmals hat C&A das Lokal für Modenschauen gemietet. Und weil den Redakteurinnen das Lokal so gut gefiel, war ab 1984 einmal im Monat das ZDF zu Gast, um die TV-Sendung Schülerexpress aufzuzeichnen.
Wenn man mit Zeitzeugen der Düsseldorfer Szene spricht, hört man oft, im Rockin‘ Eagles und im Tamara’s hätten damals die schönsten Frauen der Stadt gearbeitet.
Eimecke: Ich würde dem natürlich nicht widersprechen. Wir haben Wert darauf gelegt, sehr gut aussehende Mädels im Service zu haben. Und ab 1984, als wir die Nachtkonzession bekamen, haben wir an der Jahnstraße ja Konzept und Namen des Clubs geändert. Der hieß fortan Relaxx und war ein reiner Schwulenladen mit ausschließlich schwulem Personal, und so wechselten Anna, Mo, Michaela und Vera dann komplett vom Club ins Café. Im Nachtleben und in der Gastronomie ist es ja generell wichtig, Bezugspersonen für die Gäste zu haben. Wobei im Tamara’s natürlich auch Männer arbeiteten: Bei der Eröffnung waren zum Beispiel Lothar Lauterbach und der schon erwähnte Othello im Service – Typen, die jeder kannte in der Szene.
Woher kam der Name Tamara’s?
Eimecke: Ich war und bin ein großer Fan der polnischen Art-Déco-Malerin Tamara de Lempicka. Also habe ich die Motive von ihr ausgesucht, die am besten in ein großstädtisches Lokal passten, und vom Künstler Jürgen D. Flohr in Übergröße nachmalen lassen. Dazu wurden sie mit Neonlicht-Rahmen umrandet, die nicht zur Seite abstrahlten. Diese Reproduktionen waren quasi das verbindende gestalterische Element des Ladens. Eines der Bilder, „Adam und Eva“, hängt noch heute bei mir in der Wohnung.
Als sie zum ersten Mal ins Creamcheese gingen, waren Sie 16 Jahre alt, und 16 Jahre später, mit 32, haben Sie an gleicher Stelle ein eigenes Café eröffnet. Spielte das für Sie eine symbolische Rolle?
Eimecke: Ehrlich gesagt keine allzu große. Letztendlich handelte es sich nach der Kernsanierung ja um komplett neue Räumlichkeiten. Klar, wenn man vor der Tür stand, hatte man so einen kurzen Flashback hin zu den alten Creamcheese-Zeiten. Viele unserer Gäste wussten von der Geschichte der Räumlichkeiten, viele aber auch nicht, weil sie zu jung waren, um persönlich dabei gewesen zu sein. Ich habe damals so viel gearbeitet, dass ich mir darüber keine großen Gedanken machen konnte.
Wie haben Sie es geschafft, gleichzeitig ein Café und eine Diskothek zu führen?
Eimecke: Klaus und ich haben das so aufgeteilt, dass er die meiste Zeit im Club arbeitete und ich ausschließlich im Tamara’s. Morgens früh um 6 bin ich zum Großmarkt und zur Metro gefahren, um für die Küche einzukaufen, und danach habe ich bis abends nonstop Dienst im Laden geschoben, meistens bis 18 Uhr, manchmal aber auch bis 21 Uhr. Für Privatleben oder Freizeit blieb kaum Zeit.
Im Sommer 1986 war Schluss mit dem Tamara’s. Warum?
Eimecke: An der Grafenberger Allee hatte das Café Neue Liebe aufgemacht, und das zog einen beträchtlichen Teil der Szene weg von der Altstadt. Bei uns war es zwar immer noch voll, aber unterm Strich blieb bei dem hohen Kostenapparat zu wenig Gewinn über. Damals war noch die Popper-Zeit, und es kamen jede Menge Teenies, die stundenlang an einem Kakao, einem Kaffee oder einer Cola festhingen. Also entschieden wir, das Tamara´s an einen bekannten Düsseldorfer Gastronomen zu verkaufen. Der musste allerdings schon ein paar Monate nach der Übernahme einen Offenbarungseid leisten, und so blieben wir auf den Schulden, die wir durch die Investition in unsere Lokale gemacht hatten, erst mal sitzen. Deshalb begann ich für den laufenden Lebensunterhalt wieder im Bereich Grafik und Deko für Messen und Events zu arbeiten und nutzte die Einnahmen aus dem Relaxx, um den Kredit zu tilgen.
Im Relaxx änderten Sie 1987 sehr erfolgreich das Konzept von „strictly gay“ hin zu einem für „alle“ offenen Szene-Laden, machten dort die Kasse, während Ihre Lebensgefährtin Gabi „die Tür“ übernahm.
Eimecke: Die letzten Jahre des Relaxx waren noch einmal eine großartige Zeit mit unvergesslichen Partys. Dann starb 1989 mein Partner Klaus Jenke an HIV, und das Haus bekam einen neuen Besitzer, der wiederum unseren Schallschutz sabotierte, um uns rauszuekeln. So war 1990 Schluss, nach 13 Jahren Disco an der Jahnstraße.
Womit allerdings Ihre persönliche Nachtleben-Karriere noch nicht vorbei war.
Eimecke: Gabi übernahm dann 1990 die Tür im Ratinger Hof, der ja nach dem Umbau in eine elektronische Richtung ging, und dann wurde ich gefragt, ob ich nicht die Geschäftsführung übernehmen wollte. Das habe ich zweieinhalb Jahre gemacht, und weil Gabi und ich ein eingespieltes Team waren, saß ich meistens mit an der Tür. Es gab in unserer Zeit dort nie Schlägereien, die Partys im Hof zählten damals zu den besten der Stadt, und wir hatten sehr gute DJs: zum Beispiel Waldi und Stefan und Jaspa Jones, den ich schon als regelmäßigen Gast des Relaxx kannte und der später als Teil des Duos Blank & Jones berühmt wurde. 1993 lief der Mietvertrag aus, und der Haus-Besitzer Dieter Heckhausen entschied, nun selbst das Ruder zu übernehmen. Er kündigte mir und stellte einen neuen Geschäftsführer ein, was wiederum zur Folge hatte, dass – wie zwanzig Jahre vorher in der Sheila – das gesamte Personal von der Klofrau bis zum DJ kündigte, diesmal aus Loyalität zu mir. Ich war total baff und musste reagieren, musste den Leuten eine Alternative anbieten. Zum Glück gab es Kontakte zum Ramrod, einem kleinen Club an der Charlottenstraße 85.
Sie zogen dann mit Personal und Publikum einfach um?
Eimecke: So ungefähr. Der Besitzer des Ramrod, das bis dahin ein reiner Gay-Club war, bot uns an, den Freitag und Samstag für gemischte Partys zu übernehmen. Also im Prinzip ein Konzept so ähnlich wie am Schluss im Relaxx, wobei wir natürlich auf das Ex-Hof-Publikum setzen konnten. Wir haben im Ratinger Hof vor dem Wechsel sogar ein riesiges „Wir ziehen um“-Plakat aufgehängt. Und so wusste die Szene Bescheid. Im Ramrod lief es super, damals begann ja überall die große Techno-Zeit, und Anfang 1994 kristallisierte sich heraus, dass es in Düsseldorf und Umgebung den Bedarf für eine After Hour am Montagmorgen gab, also für die Leute, die bereits Sonntagnacht durchgefeiert hatten. Viele Friseure, aber auch andere Partyleute, die aus irgendeinem Grund montags frei hatten. Die Party war Düsseldorfs erste montägliche After Hour, vielleicht war es sogar die erste After Hour der Stadt überhaupt. Jedenfalls ergab sich dabei ein Problem, das wir lösen mussten: Wir durften am Montag erst ab 7 Uhr morgens öffnen, aber die Leute, die in den anderen Clubs und Bars vorher gefeiert hatten, standen zum Teil schon um 5 bei uns vor der Tür, weil zwischen 5 und 7 überall Sperrstunde war. Und das Ramrod lag mitten im Wohngebiet. Also haben wir vor dem offiziellen Beginn der Party diskret einen Seiteneingang geöffnet, und als es um 7 Uhr losging, war es schon brechend voll – bis Montagmittag. Weil schräggegenüber eine Schule lag und es Beschwerden gab, mussten wir mit der After Hour später umziehen …
… und landeten dann doch wieder in der Altstadt.
Eimecke: Genau, an der Neustraße, in der Kulisse von Jürgen Drews, also eigentlich einer Schlager-Disco. Mit einer Deko, die an eine Kirmes erinnerte: sehr grell, sehr bunt, mit Pferdefiguren und ähnlichem Schnickschnack. Für eine After Hour die perfekte Location. Das lief bis 1996 – und dann, mit 46 Jahren, habe ich aufgehört, im Nachtleben zu arbeiten.
Ihr Resümee nach fast 20 Jahren Gastronomie?
Eimecke: Es hat riesengroßen Spaß gemacht, und ich habe ich es nie bereut, das Wagnis eingegangen zu sein, einen eigenen Club und ein eigenes Café zu eröffnen. Auch wenn mir im Nachhinein ein wenig schwindlig wird, wenn ich bedenke, wie naiv und leichtfertig ich anfangs an die Sache herangegangen bin. Ich habe dann später weiter in meinen alten Job gearbeitet, Grafik und Deko, und nach rund zehn Jahren war ich schuldenfrei. Heute schaue ich ohne jede Wehmut auf die Gastro-Zeit zurück. Das Lebensgefühl aus dieser Zeit, als Düsseldorf bei Nacht extrem spannend und aufregend war, all die Erinnerungen – das ist unbezahlbar. Eine Rückschau voller Freude und ohne jede Wehmut.