Die Zwei
Ihre gemeinsame Geschichte geht am 1. September 1972 los. Damals begannen Johannes Horn und Egbert Casten (beide Jahrgang 1956) ihre zweijährige Ausbildung bei der Stadt als Verwaltungspraktikanten. Sie saßen während der theoretischen Ausbildung nebeneinander in der Klasse, freundeten sich gleich an. Horn, der gebürtige Düsseldorfer und aufgewachsen in Benrath. Casten, der mit den Eltern kurz vor dem Mauerbau 1961 aus Mecklenburg-Vorpommern flüchtete und im Rheydter Flüchtlingslager landete. Als der Vater, einst Lehrer in der DDR, im Rahmen des „Mikätzchen“-Programms seinen Beruf hier wieder ausüben durfte, wurden die Castens Düsseldorfer. Sie zogen nach Garath.
Auf dem zweiten Bildungsweg machten Horn und Casten auf dem Abendgymnasium ihr Abi, parallel zu einer weiteren dreijährigen Ausbildung: zum Inspektoranwärter. Johannes Horn erzählt, dass er damals Klassensprecher war. Das passt. Noch immer stellt er seine Sicht auf die Dinge vehement dar, redet im Eiltempo, auch noch im Ruhestand, den er nun mit zahlreichen Ehrenämtern ausfüllen will. Egbert Casten wägt seine Antworten dagegen stärker ab. So wie er es bereits im Job tun musste, als Moderator zwischen Politik und Verwaltung sowie zwischen Bürger*innen und Verwaltung. Auch in unserem Gespräch überlässt Casten dem Freund deutlich mehr Redezeit, die aber immer wieder durch ein herzliches gemeinsames Lachen unterbrochen wird.
Es gibt kaum Themen, die die beiden Familienväter ausklammern. Das kann aber passieren, wenn CDU-Mitglied Horn und SPD-Mann Casten über Politik sprechen. Jetzt, in unserem Gespräch kurz nach der Bundestagswahl, ärgert sich Horn noch über das schlechte Abschneiden seiner Partei, insbesondere aber über unpopuläre Auftritte Armin Laschets und sagt: „Ich sehe die CDU nicht im Kanzleramt.“ Auch Casten deutet das Ergebnis so, dass die Wähler*innen Laschet das Kanzleramt nicht zugetraut haben. Die Frage, ob es ein Parteibuch braucht, um bei der Düsseldorfer Stadtverwaltung Karriere zu machen, verneinen beide. Dies sei wahrlich nicht immer förderlich.
Es brauche keinen Filz, sondern Sachverstand und Kontakte. Die Grundlagen dafür haben Horn und Casten in ihrer Ausbildung bekommen. Horns erster Job führte ihn ins Sozialamt Benrath, danach ging es in die Sozialamt-Zentrale, wo er zuständig für die ämterübergreifenden Themen Organisation und IT wurde. Das war zwischen 1980 und 1990. Umso enttäuschter ist er heute über die immer noch lückenhafte Digitalisierung der Verwaltungsarbeit.
Horn, der 1995 ins Jugendamt wechselte und ab 2003 bis kürzlich dessen Leiter war, kündigt für die Düsseldorfer Familien, die einen Kitaplatz suchen, zumindest für Anfang 2022 eine Verbesserung an: „Auf Knopfdruck können dann auf einen Schlag 70 Prozent der Kitaplätze vergeben werden“, sagt der 65-Jährige. Dahinter stehe ein System, das die Kita-Wunschliste der Eltern mit den Prioritätenvorgaben der Kindertageseinrichtungen verknüpft und abgleicht. Leider gebe es dagegen bei anderen Anträgen (Beispiel Elterngeld) oder Abrechnungen keine digitalen Lösungen. „Wir sind noch viel zu papierlastig.“
Egbert Casten bekam gleich nach der Ausbildung einen Arbeitsplatz in der Bezirksverwaltungsstelle 3. Mehr als 40 Jahre war er mitzuständig für die Entwicklungen in so unterschiedlichen Stadtteilen wie Oberbilk, Unterbilk, Friedrichstadt, Bilk und Hamm, Hafen, Volmerswerth und Flehe. Er hat den Medienhafen, das Stadtteilzentrum Bilk und städtische Wahrzeichen wie den Rheinturm, „wachsen“ sehen. In den 30 Jahren, die Casten den „Dreier-Bezirk“ leitete, gab es immer wieder beruflich gemeinsame Themen mit Johannes Horn. So als letzterer ebenfalls den Chefsessel in einer der zehn Düsseldorfer Bezirksverwaltungsstellen übernahm, 1990 bis 1995 war er für Flingern und Düsseltal zuständig.
Casten beschreibt diesen Posten als den „eines Einzelkämpfers oder einer Einzelkämpferin“. Und in der Tat: Gab es hier pro Anlaufstelle in den Bezirken zunächst vier Stellen, waren es nach Sparmaßnahmen und Einführung der Computerarbeitsplätze nur noch 2,5 Stellen. Dies unabhängig von der Größe und der Einwohnerzahl des Stadtbezirks. Egbert Casten, der sich sonst eher diplomatisch ausdrückt, stellt fest: „Die Dinge nicht differenziert zu betrachten – das ist eben auch Verwaltung.“
Horn, der mit dem Jugendamt das größte Amt der Stadt mit mehreren tausend Mitarbeiter*innen, Auszubildenden und Honorarkräften führte, springt Casten bei: „Wenn nur eine halbe Stelle bei so einer kleinen Organisationseinheit wegfällt, ist das tödlich.“ Die Stadt, da sind sich ihre beiden nun ehemaligen Mitarbeiter einig, vertue hier die Chance, die Bezirke zu stärken. Man könnte auf dieser Ebene viel mehr über kurze Wege regeln. Doch bei so einer geringen Personalstärke verärgere man die Bürger*innen und auch die so wichtigen Ehrenamtler*innen vor Ort, wenn diese die Bezirksverwaltungsstelle nicht erreichen.
Johannes Horn und Egbert Casten haben ihre Aufgabe darin gesehen, die Beschlüsse der Politik umzusetzen, dies loyal gegenüber ihren Vorgesetzten und in Kommunikation mit ihren Mitarbeiter*innen. Beschlüsse aber nicht blind, sondern kreativ und qualitativ anreichernd umzusetzen, sei innerhalb einer Verwaltung enorm wichtig. „Sonst gibt es keinen modernen Staat“, sagt Horn.
Die letzten Erfahrungen dazu hat er noch als Vertreter der Jugendhilfe, und somit der Kinder und Familien, im Corona-Krisenstab der Stadt gemacht. Das war der Moment als die Verordnung zur Komplettschließung der Kitas kam, mit Ausnahme für Kinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiteten. „Ich aber musste die Verordnung anders lesen und den Kinderschutz mitdenken.“ Die eigenen Mitarbeiter*innen zu schützen und gleichzeitig Kindern, die in schwierigen Familien leben, vielleicht doch den Kitabesuch zu ermöglichen, dieses Problem zu lösen, habe ihm wirklich schlaflose Nächte bereitet.
Auch wenn Egbert Casten, „die strukturelle Unterbesetzung in manchen Ämtern“ betrübt hat, seine Entscheidung bei der Stadt zu arbeiten, hat er nie bereut. Spannend sei dies gewesen, täglich mit neuen Themen konfrontiert zu werden, in einem Bezirk, der ihm durch die Arbeit mehr zur Heimat wurde als sein Wohnort in Golzheim.
„Wir machen auch in der Krise noch Bürokratie“, bedauert Johannes Horn. Und obwohl manches – wie etwa der Ausbau der Spieloase in Bilk „elendig“ lange dauert: Er bekennt sich nach fast fünf Jahrzehnten zur Arbeitgeberin Stadt Düsseldorf: „Ich bin sehr zufrieden, konnte mir nichts Besseres vorstellen und wollte nie anderswo arbeiten.“