Wie ein kläglich vergebener Elfer: Dieses Theaterstück hat der Fußball nicht verdient
Welch ein Tag für Düsseldorf. Weil Taylor Swift spontan ein Konzert in Berlin angekündigt hat, verlegt die UEFA das Fußball-EM-Finale kurzfristig an den Rhein. Länder gibt es auch nicht mehr. Im Finale treten zwei namenlose Teams mit Spielern aller Nationalitäten an. Als kurz vor Schluss auch noch Fortuna-Legende Andreas „Lumpi“ Lambertz eingewechselt wird und sich den Titel sichert, tanzen die Fans aller 24 teilnehmenden Mannschaften in einer kollektiven Polonaise von der Tribüne – das ist die Idee des Stücks „Glaube, Liebe, Fußball“, das das Düsseldorfer Schauspielhaus nun erstmals aufgeführt hat.
Die beste Nachricht des Premierenabends vorneweg: Das Wetter hielt. Die Capes, die nach einem komplett verregneten Tag schon unter den Open-Air-Zuschauern verteilt worden waren, blieben ungenutzt. Leider war das eine von wenigen positiven Botschaften, die mir nach eineinhalb Stunden „Theater-Fan-Spektakel“ einfielen. Die Antwort des Düsseldorfer Schauspielhauses auf die Europameisterschaft der Männer in der eigenen Stadt blieb leider nur eine langatmige Aneinanderreihung von Fußball-Klischees.
Dabei gab es durchaus ein paar gute Ideen. Die Fantribüne voller Laiendarsteller und bunter Maskottchen als Bühnenkulisse gehörte ebenso dazu wie die Video-Einspieler auf der Großbildleinwand dahinter – mit Höhepunkten früherer EM-Partien und selbstgedrehten Fake-Werbespots. Überhaupt war den Laien-Fans anzumerken, dass sie ganz viel Freude an der Inszenierung hatten. Die sei ihnen auch unbenommen. Das Dargebotene hatte nur leider weder mit gutem Theater noch einem authentischen Fan-Einblick irgendetwas zu tun.
Vor den Augen der Premierengäste, darunter NRW-Kultusministerin Ina Brandes und Ex-Oberbürgermeister Thomas Geisel, bot „Glaube, Liebe, Fußball“ eine wirre Mischung aus Phrasen und sinnlos aneinandergereihten Fußballgesängen ohne nachvollziehbare Story. Für die einzige Rahmenhandlung sorgten die durchaus kreativen Beiträge der Kommentatoren-Darsteller Bettina Lamprecht und Sebastian Tessenow. Es war ein Stück, das zehn Minuten lang für Stimmung und 80 Minuten lang für Ratlosigkeit sorgte. Ein Stück, das sehr deutlich davon zeugte, dass es wegen der Fußball-EM in der eigenen Stadt eben sein musste, obwohl leider niemand eine zündende Idee dafür hatte. Hauptsache alle Trikots, Landesflaggen und Klischees sind vertreten.
Die Story ist schnell erzählt: Auf der Bühne sind Zuschauer und Reporter des imaginären Finals zu sehen, wie sie das Spiel verfolgen. Dabei arbeiten sich die Fans, angetrieben von zwei Vorsängern mit Megafonen, durch das, was das Regie- und Autorenduo Peter Jordan und Leonhard Koppelmann für Fußballstimmung hält. Zwischendurch gibt es Flitzer, Bengalos, Tänze und unzählige Interviews, bei denen kein Flachwitz oder Schenkelklopfer ausgelassen wird. Natürlich geht es in die Verlängerung, natürlich geht es ins Elfmeterschießen. Spannung kommt trotzdem nie auf.
Die ganzen 90 Minuten wirken wie ein kläglich vergebener Elfmeter. Drei Wochen vor Beginn der Fußball-EM hätten sich so viele Chancen für gutes Theater geboten. Für das, was Theater immer noch besonders gut kann: auf Missstände hinweisen, den Finger in die Wunde legen. Die überkommerzialisierte, fanfeindliche und bisweilen homophobe Fußballwelt hätte hierfür genügend Gelegenheit gegeben. Stattdessen entschieden sich die Verantwortlichen im Schauspielhaus für ein „Spektakel“ ganz nach dem Geschmack der UEFA-PR-Maschinerie: seelen- und harmlos, austauschbar.
Das Subversivste daran ist noch, dass der Flitzer bezahlbaren Wohnraum für Studierende sucht und sich auf der Tribüne ein lesbisches Liebespaar findet. Nur weiß keiner, warum. Dazu singt die Fantribüne dann „You’ll never walk alone“. Am Ende wird ein Banner enthüllt. „Fußball ohne Fans ist nichts“ steht darauf. Eine nette Botschaft, hätte die Inszenierung nicht zuvor eineinhalb Stunden gezeigt, dass wirklich niemand im Team irgendein realistisches Bild von Fankultur vermitteln wollte oder konnte. Da helfen alle netten Einspieler nichts – selbst wenn Ex-Fortunen wie „Lumpi“ Lambertz und Axel Bellinghausen mitwirken.
Dieses Stück hat der Fußball nicht verdient.
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Bis zum 13. Juli finden in der EM-Fanzone am Schauspielhaus insgesamt 18 Vorstellungen von „Glaube, Liebe, Fußball“ statt. Termine und Karten finden Sie hier.