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Eigentlich braucht Düsseldorf keine Oper, die anders ist – es gibt sie schon

Dass man über den Ring der Nibelungen lacht, ist schwer vorstellbar. Auch Don Giovanni hat wenig Fröhliches. Das jedoch ändert sich, wenn Elsa Garcia Tárraga ans Werk geht. Die Mezzosopranistin haucht schweren Stoffen humorvoll mehr Leichtigkeit ein – mit ihrer Komischen Oper am Rhein.
Veröffentlicht am 5. Juni 2023
Komische Oper Düsseldorf
Elsa Carcia Tárraga und Rüdiger Fabry im Zuschauerraum der Theaterkantine in Flingern. Dort führen die beiden gerade die Oper Carmen auf. Aber nicht so, wie man das gewöhnt ist. Foto: Andreas Endermann

Als Georges Bizet Ende des 19. Jahrhunderts „Carmen“ schrieb, in der eine schöne Tänzerin einen Mann und sich selbst ins Verderben führt, muss er sich eine Frau wie Elsa Garcia Tárraga in der Titelrolle vorgestellt haben. Jedenfalls ist sie optisch die perfekte Besetzung dieser Rolle – und spielt sie gerade in der Theaterkantine in Flingern. Allerdings anders, als das Singspiel damals erdacht wurde. Die eigentliche Version wird verfremdet, ohne den Inhalt an sich zu verändern, trotz aller Dramatik und Tragik der Geschichte lachen die Zuschauer und amüsieren sich. Humor kehrt ein in diese an sich nicht lustige Handlung: Aus dem berühmten Stück wird eine komische Oper.

Den Begriff hat Tárraga nicht erfunden, es gibt ihn, seitdem es Opern gibt. Schon immer wurden neben ernsten, sehr bürgerlichen und würdevollen Opern auch Inszenierungen auf die Bühne gebracht, die sich vom dünkelhaften Original abhoben. Sie waren volksnäher, erlaubten den ironischen, respektlosen, lockeren und damit menschlichen Blick auf die meist bedeutungsschweren Inhalte.

Tárraga hat genau das zum Ziel. Deshalb hat sie KOR ins Leben gerufen. Um im Bild zu bleiben, könnte man auch sagen: komponiert. Das Kürzel steht für „Komische Oper am Rhein“. Dass dies an die Düsseldorfer „Deutsche Oper am Rhein“ erinnert, ist natürlich gewollt. Geschaffen wurde der Gegenentwurf zum altehrwürdigen Gemäuer an der Heinrich-Heine-Allee. Und dass man derzeit ausgerechnet in der so genannten Theaterkantine (die keine ist!) auftritt, beheimatet in einer ehemaligen Farbenfabrik in Flingern Süd, in chaotisch-charmantem Möbel-Stil-Mix verschiedener Jahrzehnte, mitten in Vintage-Stil und Shabby-Chic, passt perfekt in den Grundgedanken: Wir sind ein bisschen chaotisch-anarchisch, wir mixen, was und wie wir es für richtig halten und wir sind stolz darauf – das ist die Botschaft.

Vor allem verpasst man dem Werk eine radikale Diät an Personal und Ausstattung. Bei Carmen kommt Tárraga mit einem Klavier und sechs Sängern aus. Spricht man bei der klassischen Oper amüsiert von Wein, Weib und Gesang, geht die KOR unter dem Motto der Rock-Szene „Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll“ ans Werk. Was im Grunde das gleiche, aber nicht unbedingt dasselbe ist.

Die Komische Oper pickt auf und persifliert, was schon immer und bis heute viele Menschen stört: schwer zu ertragende Längen, unverständliche Passagen, gestelzte Auftritte der Protagonisten in oft unfreiwillig kuriosem Habitus. Weil sie zwar den Gesang beherrschen, aber nicht das Schauspiel.

An dieser Stelle kommt Rüdiger Fabry ins Spiel. Er ist Chef – Intendant wäre vermutlich unpassend – der Theaterkantine, außerdem Regisseur und Schauspieler. Tárraga und Fabry kreieren aus Darstellung und Gesang ein Gesamtkunstwerk, lassen die beiden Genres verschmelzen und geben damit dem Ganzen eine neue Wahrnehmung für Augen und Ohren. Fabry ist Viktor, der Übersetzer und/oder Erzähler der französisch gesungenen Darbietungen. Zugleich spielt er den an der Seite agierenden Zuschauer/-hörer, den das Ganze bisweilen – Opern ziehen sich halt oft hin – so ermüdet, vermutlich auch langweilt, dass er schlicht einschläft und geweckt werden muss. Wenn es ihm passt, greift er in die Handlung ein, gibt Ratschläge oder versucht, drohendes Unheil zu verhindern. Was natürlich nicht gelingt, weil am Ende tot ist, wer tot sein muss. Man ahnt es: Das Ganze ist kurios, zum Lachen, aber auch zum Sterben schön.

Das alles geschieht in einem Raum mit maximal 100 Gästen. Wer zuschaut und zuhört, ist nicht weit weg, sondern mittendrin. Das Musik-Theater wird zum Teil eines sozial agierenden Umfelds. Den Menschen scheint es zu gefallen, die Kommentare sind regelrecht enthusiastisch: „Carmen intravenös“ schrieb zum Beispiel Kollegin Yvonne Hofer im „Düsseldorfer Anzeiger“.

Fazit
Düsseldorf plant gerade, sich für sehr viel Geld eine komplett neue Oper zu bauen. Man redet viel darüber, wie sie sich den Menschen präsentieren und öffnen, wie sie vielseitiger werden kann. Klingt gut. Vielleicht sollten sich die Planer mal mit Elsa Garcia Tárraga und Rüdiger Fabry unterhalten – die zeigen, wie so etwas geht.

Termine
Carmen wird im August und im November gespielt. Die August-Vorstellungen sind bereits ausverkauft, für den 7. und 8. November gibt es noch Karten und zwar hier.

Weitere Eindrücke aus der Theaterkantine

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Fotos: Andreas Endermann

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