Ein böses Alaaf

Freundschaft hat es zwischen den organisierten Pappnasen Düsseldorfs und denen aus Köln ohnehin nie gegeben. Bestenfalls respektiert man sich, ab und zu gibt es, wie auf politischen Ebenen, hoch offizielle Besuche mit viel Tamtam. Aber Köln guckt auf die Nachbarn im Norden immer ein bisschen herab: Echten Karneval, so die Überzeugung, gibt es nur in Köln mit seinen Veedeln und dem Jecksein in der DNA. Nun wurde der ohnehin schwer zu tragenden Beziehungskiste eine weitere Last aufgebürdet: Düsseldorf entschied, angesichts der ungewissen Corona-Lage den Rosenmontagszug auf Anfang Mai zu verschieben. Zu hoch sei das Risiko, zu schwer abzuwägen, wie sich die Dinge bis Ende Februar – Rosenmontag ist am 28. Februar – entwickeln. Erstmals wurde vorige Woche darüber beraten, aber im internen Kreis, erst dann ging man in die Offensive. Rathausspitze und die Kirche wurden um den Segen gebeten und dann der Entschluss entsprechend gefällt: Der 8. Mai wird der Tag des Rosenmontagszugs. Das ist zwar ein Sonntag, aber egal. Die Kölner fühlen sich damit unter Druck gesetzt, denn nun sind auch sie gezwungen, Farbe zu bekennen. Auf höchster Narrenebene hat der Chef des Kölner Festkomitees, Christoph Kuckelkorn, bei den Düsseldorfer Kollegen protestiert. Vor allem vermisst man eine Absprache. Gemeint ist: Man hätte in Köln nachfragen können, was man denn rund um den Dom so plane, und dann ein gemeinsames Vorgehen abstimmen. Das hat in der Vergangenheit jedoch selten etwas gebracht. Ein Vorstandsmitglied des Comitees Düsseldorfer Carneval (CC) formuliert es so: &bdquo;Die Kölner sind wie Bayern München. Sie wollen gefragt werden und machen dann doch, was sie wollen und für richtig halten.“ In einer Mitteilung des Kölner Festkomitees wird nun deutlich, wie verschnupft man in der Domstadt ist: &bdquo;Es ist mehr als traurig, dass in Düsseldorf rein wirtschaftliche Gründe dafür sorgen, dass alle Regeln des Brauchtums über Bord geworfen werden. Wir haben in Köln im vergangenen Jahr zeigen können, dass Karneval mehr sein kann als bunte Partys und kommerzielle Events. Wenn die Pandemie es nicht anders zulässt, werden wir auch in diesem Jahr notfalls wieder kleine kreative Lösungen finden müssen. Das entspricht aber viel mehr der Seele des Karnevals, als einfach alle Sitzungen und Züge ins Frühjahr zu verlegen. Wir wollen nicht um jeden Preis feiern”, sagt Christoph Kuckelkorn. Bonn und Aachen sehen das ähnlich, erklärt er. Sogar als Hüter hohen Kulturguts sehen sich die Kölner: &bdquo;Karneval ist ein jahrhundertealtes Brauchtum und bewegt sich als solches in einem festen zeitlichen Rahmen. Entsprechend dem Kirchenkalender endet das Fest zwangsläufig an Aschermittwoch mit Beginn der Fastenzeit. Als Träger des Immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik Deutschland sieht sich das Festkomitee Kölner Karneval zur Einhaltung der zeitlichen Abläufe verpflichtet und stellt damit den kulturellen Aspekt des Festes klar über wirtschaftliche Interessen.“ (Das komplette, sehr lange statement findet sich unter https://koelnerkarneval.de/Presse) Die Düsseldorfer Karnevalisten dagegen glauben, die Kölner scheuten eine eigene Entscheidung und hofften auf einen Beschluss auf Regierungsebene. Dann wären sie aus der Verantwortung und könnten sich darauf berufen, keine Wahl gehabt zu haben. Schließlich verschiebt man in Köln den Rosenmontagszug nicht einfach so. Fürs kölsche Hätz ist dieser Tag der Höhepunkt des Jahres und deshalb unantastbar. Ahnungslose, weil vom Karneval unberührte Auswärtige erleben das jedes Jahr, wenn sie am Rosenmontag eine dortige Behörde oder Firma anrufen. Solche Kontaktaufnahmen werden bestenfalls als Folklore, auf jeden Fall als kurioses Ansinnen betrachtet und auf keinen Fall berücksichtigt. Falls überhaupt jemand ans Telefon geht. Auf jeden Fall lässt man sich ein Hintertürchen offen und erklärt, man wisse ja nicht, wie es in drei Monaten aussieht. Würde es von Seiten der Regierung eine offizielle Regelung geben, hätte das auch enorme finanzielle Konsequenzen. Denn bereits geschlossene Verträge könnten ohne Verpflichtung zu zahlen storniert werden. Das ist vergleichbar mit Warnungen des Auswärtigen Amtes für bestimmte Länder und bereits dorthin gebuchte Urlaubsreisen. Mehr und mehr wird aber auch in Düsseldorf klar, wie unsicher die Situation erscheint. Das zeigt zum Beispiel der Ticketverkauf für den Böse-Buben-Ball. Normalerweise sind die Karten dafür binnen Stunden verkauft. Aber zurzeit liegen sie wie Blei, sagt Jobsie Driessen, Präsident des Prinzenclubs, der den Ball veranstaltet und aus dessen Vermarktung einen wichtigen Teil seiner Einnahmen generiert. Auch die TV-Sitzung Anfang Januar ist betroffen. Sie soll, so CC-Geschäftsführer Hans-Jürgen Tüllmann, auf jeden Fall stattfinden, notfalls mit sehr wenig oder ohne Publikum. Der Grund: Der WDR zeichnet die Sitzung auf und sendet sie, auf etwa zwei Stunden zusammengeschnitten, ein paar Wochen später. Dafür zahlt der Sender dem CC einen hohen sechsstelligen Betrag – Geld, das das CC dringend braucht.

Ein böses Alaaf

Ein böses Alaaf

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