Falten, Laub und späte Beete – Max Liebermann im Kunstpalast
„Die Abende im Garten sind so schön, daß ich mich nicht entschließen konnte, mich an den Schreibtisch zu setzen.“ Wer sowas sagt, bekommt in meinem Herzen eine Dreizimmerwohnung. Möbliert. Mit Meerblick. Mietfrei.
Der Satz ist von Max Liebermann, führender deutscher Impressionist, künstlerischer Wegbereiter der Moderne in Deutschland. Es ist eines von zwölf Zitaten, die in der Ausstellung „Ich. Max Liebermann – Ein europäischer Künstler“ im Kunstpalast in Düsseldorf an der Wand über rund 120 Gemälden hängen.
Fünf Fakten für Besucher:innen:
1. Mit 19 Jahren schreibt Max Liebermann, 1847 als Sohn einer reichen jüdischen Familie geboren, sich in Berlin für das Fach Chemie ein und wird keine einzige Veranstaltung besuchen. Es ist ein Alibi-Studium. Lieber nimmt er privat Malunterricht und wird zwei Jahre später wegen „Studienunfleiß“ exmatrikuliert.
2. Nachdem sein Vater ihm daraufhin widerwillig ein Kunststudium in Weimar gestattet, wird der Professor Theodor Hagen prägend für den jungen Liebermann. Er nimmt ihn wenige Jahre später mit nach Düsseldorf und macht ihn hier mit dem ungarischen Künstler Mihály Munkácsy bekannt. Diese Bekanntschaft wird stilprägend für ihn, da er von dort aus seine erste Reise nach Holland antritt. Es wird seine spätere Malheimat.
3. Liebermann reist viel. In Frankreich macht er Bekanntschaft mit der Stadt Barbizon, die sich zu einer Künstler:innenkolonie entwickelt. Er bleibt zwei Sommer lang. Zeit seines Lebens freundet er sich mit internationalen Künstlern an. Sie inspirieren ihn in ihrem Umgang mit Farben und Licht. Die Ausstellung im Kunstpalast legt den Fokus auf dieses grenzüberschreitende Netzwerk, die Wechselbeziehungen, Verbindungen, den Austausch untereinander. Deshalb hängen einige Werke befreundeter Zeitgenossen ebenfalls dort.
4. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs verändert Europa sich. Regelmäßige Hollandreisen werden unmöglich. Liebermann, beinahe 70 Jahre alt, zieht sich in sein Sommerhaus am Wannsee zurück. Dort entsteht sein Spätwerk – rund 200 Gemälde nach Motiven aus dem eigenen Garten. Einige davon sind in der Schau zu sehen.
Die Werkschau umspannt die Jahre von 1871 bis 1934 und zeigt eindrücklich, wie Liebermanns Motivik und auch seine Malweise sich im Laufe der Jahre verändern. Von der Darstellung schwerer Feldarbeit hin zu bürgerlichen Freizeitaktivitäten, von dämmrigen Settings in Innenräumen zu Sonnenlichtstimmung im Wald und Garten. Wichtig ist aber zu jeder Zeit: Dass das Nebensächliche zur Hauptsache wird. Das Zufällige und das Wahrhaftige. Liebermann hat den Anspruch, die Wirklichkeit abzubilden und nicht zu verschönern, was ihm den Titel „Apostel der Hässlichkeit“ einbringt. So scheitert 1891 sein erster offizieller Porträtauftrag auf ganzer Linie. Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister, Carl Friedrich Petersen, verabscheut das Bild, das ihn (zu diesem Zeitpunkt über 80) in nüchterner Farbigkeit und ohne jede Altersretusche zeigt, so sehr, dass er es verbieten lässt. Auch dieses Porträt ist im Kunstpalast zu sehen. „Ein guter Maler muß ich werden.“ Ebenfalls ein Wandsatz in der Ausstellung. Was daran auffällt: Das Wort „müssen“. Liebermann hätte auch von können oder wollen sprechen können, aber er musste. Es war völlig ausgeschlossen, ein schlechter Maler zu werden. Oder gar ein gefälliger.
Oh, Sie haben gut aufgepasst. Ich schulde Ihnen noch einen letzten Fakt.
5. Nach dem Besuch im Kunstpalast bitte unbedingt „Oom Sha La La“ von Haley Heynderickx anhören. Spätestens wenn sie „I need to start a Garden“ brüllt, sind der privaten Gartensehnsucht keine Grenzen mehr gesetzt. Spüren Sie es auch? Fast schon März. Der Frühling übt.
Weiterführende Infos und Links
Ausstellungsdauer: bis 8. Mai
Ausstellungsort: Kunstpalast, Ehrenhof 4-5
Öffnungszeiten: Di bis So 11 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr, an Feiertagen bis 19 Uhr
Preise: ab 18 Jahren regulär 14 Euro, ermäßigt 11 Euro; Personen unter 18 zahlen nichts
Zum Begleitprogramm geht es hier.
Zu Zeitfenstertickets hier.
Zum Song hier.
Für Kinder gibt es in der Gemäldeschau erstmals Tonieboxen mit Hörspielfiguren, die Geschichten zu ausgewählten Exponaten erzählen. Sie sind kostenlos an der Kasse erhältlich.
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