Gastro-Tipp Chez Claude: Ein bisschen Wintergarten, ein bisschen Trödelladen
Der Stil
Das Chez Claude liegt irgendwo zwischen der (überhaupt nicht feinen) Sansibar auf Sylt und einem französischen Bistro. Lässig, gemütlich, unprätentiös und dabei gewollt – man könnte auch sagen: gekonnt provisorisch. Denn das Lokal ist im Grunde ein Wintergarten, dessen transparente Wände im Sommer an die Seite geschoben werden und das Ganze zu einer offenen Terrasse machen. Die Lage in einem Hinterhof an der Wiesenstraße in Heerdt hat diesen Charme, den Freunde von Shabby Chic und Loft schätzen: keine Eleganz, kein teures Design, kein Schickimicki. Eine gestylte Bodenständigkeit jener Art, die ein anspruchsvolles Publikum anlockt.
Die Vielfalt aus alten oder selbst gezimmerten Tischen und Stühlen finden die Leute offenbar besonders kreativ, da sieht man auch über mangelnden Sitzkomfort großzügig hinweg. Als ich dort war, unterstützte ein Werkstatt-Gasgebläse unüberhörbar pustend den Bollerofen im Kampf gegen niedrige Temperaturen. Wer trotzdem fröstelt, kriegt eine Decke und sitzt auf einem Schaffell. Das Restaurant gehört zu einem einstigen Gewerbeobjekt, in dem früher eine Schraubenfabrik beheimatet war. In der dazu gehörenden Halle gegenüber sitzt SetJet, eine Eventlocation voller Accessoires aus vergangenen Jahrzehnten.
Die Karte
Die Speisen stehen auf einer eng beschriebenen Tafel und diese wiederum direkt neben dem Eingang auf dem Boden. Zum Bestellen wird sie dem Gast präsentiert, und man wählt aus rund zwei Dutzend Gerichten. Fleisch, Fisch, Pasta – alles dabei. Wer zum Lesen eine Brille braucht, sollte sie mithaben. Denn eine kleine Schrift und die angenehm gedämpfte Beleuchtung sind ein wenig hinderlich. Am besten ein Foto machen und am Tisch in Ruhe lesen.
Das Essen
Wer nichts isst, wofür ein Tier sterben musste, findet Gerichte, die einen über die Vorzüge vegetarischer Küche nachdenken lassen. Süßkartoffel und Blumenkohl kommen (und das sagt ein überzeugter Fleischesser) beispielsweise in so noch nie geschmeckten Varianten auf den Teller, bei denen man tierisches Eiweiß nicht vermisst. Gegenbeispiel: Steak Tartar. Rohes, fein gehacktes Rind – und für mich immer ein ultimativer Test für die Küche. Im Chez Claude wurde er mit Bravour bestanden, was man sich allerdings auch gut bezahlen lässt.
Der Service
Aufmerksam. Schwächen werden gekonnt mit Charme überspielt.
Die Preise
Ambitioniert. Das oben erwähnte Steak Tartar stand mit 29 Euro auf der Rechnung, der Blumenkohl mit 19. Fisch und Fleisch sind teuer. Für Freunde der günstigen Mahlzeit auf der einen und gefalteter Damast-Servietten auf der anderen Seite ist das Chez Claude keine Freude. Dafür werden jene angetan sein, denen es vor allem auf die Qualität und ein entspanntes Ambiente ankommt.
Fazit
Anfangs ein Geheimtipp, ist das Chez Claude inzwischen nicht nur in der Stadt, sondern auch bei den Nachbarn bekannt, was man an den Kennzeichen der Autos vor dem Eingang sieht. Ohne Reservierung geht, wenn überhaupt, nur etwas am frühen Abend. Dass Reservierungen lediglich über die Handy-Nummer möglich sind, ist lästig.
Adresse und Öffnungszeiten
Chez Claude, Wiesenstraße 32, Telefon 0173 9015209; geöffnet: mittwochs bis samstags 17.30 bis 24, sonntags 17.30 bis 21 Uhr