Gastro-Tipp: Düsseldorfer retten die Ehre des Pie

Im Peckish an der Hüttenstraße mag man angelsächsische Küche und ist mit dem Süden Afrikas verbunden. Das ergibt eine herrliche Mischung aus Café und Bar.
Veröffentlicht am 23. Oktober 2023
Gastrotipp Peckish in Düsseldorf
In den Innenraum des Peckish geht man ein paar Stufen hinab. Gäste können bei passendem Wetter auch draußen auf der Terrasse sitzen. Andreas Endermann hat für dieses Foto einen Pie im australischen Stil getestet.

In überraschend vielen Küchen der Welt gibt es den Hang, Essen essbar zu verpacken. In Polen sind es Pierogi, in Japan heißt die Erfindung Gyoza, in Mittel- und Südamerika Empanadas. Während es in den genannten Ländern Täschchen oder Taschen sind, die da gefüllt werden, nehmen die Angelsachsen eher den Übersee-Hartschalenkoffer: den Pie.

Bösartige Menschen könnten sagen, dass es bei einigen britischen Gerichten auch dringend empfohlen ist, sie zu tarnen. Das kann ich nicht bestätigen und habe bei der BBC gute historische Argumente dazu gefunden. In „A shortcrust history of pies“ habe ich gelernt, dass die Tradition bis in die Antike zurückreicht. Schon die Römer haben eingebacken. Aus Mehl, Öl und Wasser machten sie einen Teig, der gar nicht zum Essen gedacht war, sondern dafür sorgte, dass Speisen ihren Geschmack behielten und saftig blieben.

Daran wiederum orientierten sich gut eineinhalb Jahrtausende später die Angelsachsen. Laut Aufzeichnungen taucht etwa Mitte des 14. Jahrhunderts der Begriff Pie auf und wird mit „Fleisch oder Fisch, in Gebäck eingeschlossen“ übersetzt. Diese Pies hatten damals deutlich mehr Kruste als Inhalt, und der Boden wurde irritierenderweise „Sarg“ genannt. Da die Briten damals stark zur Seefahrt neigten, half ihnen der Pie, ihre Gerichte lange haltbar zu machen und Platz auf den Schiffen zu sparen. Im BBC-Artikel heißt dazu sehr schön: „Das war besser, als einen Koch und ein Dutzend Rinder mit an Bord zu nehmen.“

Es geht bei Pies also nicht darum, Gerichte unter einfacher oder doppelter Kruste zu verstecken. Dennoch war ich bisher selbst im von mir so geschätzten Irland zurückhaltend, wenn das Gericht auf der Karte stand. Ich hatte sofort einen bröseligen Teig im Sinn, dessen Staub alle Freude über den Inhalt bedeckt. Meine Ein- und Vorstellung hat sich erst geändert, als ich das Peckish (deutsch: hungrig) in Düsseldorf besucht habe. So heißt die Mischung aus Pie-Café und Bar mit italienischem Craftbeer, einigen Weinen und richtig viel Ahnung von Gin an der Hüttenstraße in Friedrichstadt.

Meine Freude an den dortigen Backwaren begann an einer ebenso überraschenden wie richtigen Stelle: beim Teig. Die Inhaber backen offensichtlich gerne, viel und passend zu ihrem Gefühl des Tages. Wofür auch immer sie sich so entscheiden, ihre Pies sind saftigst gefüllt. Ich weiß, dass es diesen Superlativ nicht gibt, aber er musste hier erfunden werden, um zu beschreiben, wie bei den Testbesuchen Maccaroni und Cheddar, in Guinness eingelegtes oder mit karamellisierten Zwiebeln gekröntes Bio-Rindfleisch gewirkt haben. Zugleich brechen die Bäcker von der Hüttenstraße dabei mit der Geschichte. Bei ihnen gibt es deutlich mehr Füllung als Hülle – und das für knapp unter zehn Euro.

Wenn neue Gäste kommen, sehen die Betreiber des Peckish als erstes deren Füße. Ihr Café befindet sich an der Meile der tiefergelegten Läden. Die Hüttenstraße hat auf einer Seite einige Läden und Lokale, zu denen man ein paar Treppenstufen hinabgehen muss und deren Fenster auf Höhe der Bordsteinkante eingebaut wurden. Die Pie-Experten sind das jüngste Mitglied der Nachbarschaft, das dafür sorgt, das Viertel gastronomisch interessanter zu machen. Ein paar Meter weiter gibt es die Boothby’s Bar, auf der anderen Straßenseite das empfehlenswerte vietnamesische Restaurant Levy und an der Ecke zur Helmholtzstraße den Kneipenrestaurantklassiker Vossens. Um den geht es auch in meiner Geschichte „Nicht gutbürgerlich, sondern richtig gut bürgerlich“.

Obwohl die Hüttenstraße mit ihren vier Fahrspuren und den Straßenbahngleisen nicht gerade ein Naherholungsgebiet ist, hat das Peckish an deren Rand einen schönen Ort geschaffen. Eine halbe Etage über Theke und Küche stehen dunkle Tische von kleinen Lampen erleuchtet und großen Schirmen geschützt. Sollte es für diese Plätze des Lokals zu kalt sein, ist die Alternative drinnen prima, auch weil die Betreiber aufmerksam sind und ihre Spezialitäten gerne erklären – und zwar so, als würden sie die Geschichte gerade zum ersten Mal erzählen.

Der Pie hat mit den Jahrhunderten seiner Geschichte noch eine zweite Bedeutung erhalten, wie das „Time Magazine“ hier berichtet. Insbesondere in den USA gibt es jede Menge süße Pies, die Kürbis-Variante für Thanksgiving, den Key Lime Pie von der Südspitze Floridas und den Apple-Pie für Ganzesjahres-Heimweh. Mindestens indirekt knüpft das Peckish auch daran an, denn insbesondere für die ersten Stunden der Öffnungszeiten gibt es dort Kuchen – wieder nach dem Worauf-wir-gerade-Bock-hatten-Prinzip.

Die Wurzeln oder Zweige der Betreiber reichen zudem nach Namibia und Südafrika. Von dort kommen vorwiegend die Gins, die im Peckish regelmäßig getestet und gekostet werden. Auf der Instagramseite findet man die Termine.

Und wenn man diese oder eine andere Gelegenheit nutzt, um einen Pie zu probieren, serviere ich dazu noch ein letztes Fundstück aus meiner Sammlung unnützen Wissens: Die teuerste Variante der Backware kostet knapp 10.000 Dollar und wird in Sydney serviert. Die Zutaten: hochwertiges Rindfleisch, zwei Hummer, sündhaft teurer australischer Rotwein, seltene Trüffel und 24-karätiges Blattgold.

Adresse und Öffnungszeiten

Peckish, Hüttenstraße 32, geöffnet: donnerstags und freitags von 16 bis 22, samstags von 14 bis 22 Uhr


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